Galeriegräber bei Atteln
Die Galeriegräber bei Atteln sind zwei megalithische Grabanlagen der Jungsteinzeit bei Atteln, einem Ortsteil von Lichtenau im Kreis Paderborn (Nordrhein-Westfalen).
Galeriegräber bei Atteln | |||
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Das Galeriegrab Atteln I | |||
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Koordinaten | Atteln I , Atteln II | ||
Ort | Lichtenau, OT Atteln, Nordrhein-Westfalen, Deutschland | ||
Entstehung | um 3150 bis 2950 v. Chr. |
Lage
Grab I liegt am östlichen Rand von Atteln. Es befindet sich dort neben einem Gewerbegebiet in einer Baumgruppe an der Nordostseite der Straße Im Mersch. Grab II liegt 550 m nordwestlich hiervon. Etwa 2,8 km westlich von Grab II befinden sich das Galeriegrab Henglarn II. All diese Anlagen sind Teil der Paderborner Gruppe, einer regionalen Häufung jungsteinzeitlicher Galeriegräber.
Forschungsgeschichte
Grab I wurde 1926 beim Pflügen entdeckt, Grab II bereits vorher. Beide Anlagen wurden 1926 unter Leitung von August Stieren und nochmals 1978 unter Leitung von Klaus Günther archäologisch untersucht. Grab I wurde anschließend im Jahr 1980 rekonstruiert. Im November 2019 wurde Grab I digital vermessen, um ein virtuelles Modell zu erstellen. Geplant ist zudem, die Anlage zusammen mit mehreren weiteren Großsteingräbern nach dem Vorbild der niedersächsischen Straße der Megalithkultur in einen touristischen Wanderweg einzubinden.[1]
Beschreibung
Architektur
Die Anlage ist westnordwest-ostsüdöstlich orientiert und hat eine Länge von 21 m, eine Breite von 2,7 m und eine ursprüngliche Höhe von 1,7 m. Die Grabkammer ist zu etwa einem Drittel ihrer Höhe in den Boden eingesenkt. Sie ist auf dem anstehenden Fels errichtet und war ursprünglich überhügelt. Sie hat eine innere Länge von 19,5 m, eine Breite von 2 m und eine ursprüngliche Deckenhöhe von 1,3 m. Die Wände waren aus Kalksteinplatten (Cenoman-Pläner) errichtet worden. Eine umgekippte Platte hat eine Höhe von 1,7 m, eine Breite von bis zu 2,45 m und eine Dicke zwischen 02 m und 0,4 m. Die meisten Wandplatten wurden durch landwirtschaftliche Tätigkeit stark beschädigt. Von den Deckplatten sind nur noch Bruchstücke erhalten. Der Zugang zur Kammer befindet sich an der ostsüdöstlichen Schmalseite. Er besteht aus einer 2 m langen und 0,8 m breiten Trockenmauerkonstruktion ohne Vorraum.
Das Baumaterial für das Grab stammt aus etwa 2,7–2,8 km Entfernung vom südöstlich gelegenen Talgrund der Altenau. Der Materialbedarf wird auf etwa 97,5 t geschätzt.
Bestattungen
Bei der Grabung von 1926 wurden nur wenige menschliche Knochen geborgen. Sie wurden im Zweiten Weltkrieg vernichtet. 1978 wurden weitere Skelettreste geborgen aber bislang nicht publiziert.
Beigaben
In dem Grab wurde keine jungsteinzeitliche Keramik gefunden. Aus den Verfüllgruben der Grabung von 1926 stammen lediglich einige bronze- und eisenzeitliche Scherben. Weitere Funde waren ein Eckzahn von einem Bär, einige Tierknochen und ein natürlich durchlochtes Stück Brauneisenstein.
Datierung
Mittels Radiokarbonmethode konnte die Entstehungszeit der Anlage auf 4450±65 BP; 3153±136 calBC bestimmt werden.
Architektur
Die Anlage ist nordost-südwestlich orientiert und hat eine Länge von 29 m, eine Breite zwischen 3 m und 3,5 m und eine ursprüngliche Höhe von 1,7 m. Die Grabkammer ist zu etwa zwei Drittel ihrer Höhe in den Boden eingetieft und wurde wahrscheinlich auf dem anstehenden Fels errichtet. Sie hat eine innere Länge von 27,5 m, eine Breite zwischen 2,5 m und 3 m und eine ursprüngliche Höhe von 1,4 m. Die Wände waren aus Kalksteinplatten (wohl ebenfalls Cenoman-Pläner) errichtet worden. Die Zwischenräume der Platten waren mit Mauerwerk aus kleineren Steinen verfüllt und mit Lehm verstrichen. Die meisten Wandplatten wurden durch landwirtschaftliche Tätigkeit stark beschädigt und haben nur noch eine Höhe von maximal 1 m. Die Deckplatten sind größtenteils zerstört. 1926 wurde nur noch der Rest einer einzelnen Platte gefunden. Der Zugang zur Kammer befindet sich an der Mitte der südwestlichen Langseite. Hier befindet sich ein Gang mit einer äußeren Breite von 2 m, einer inneren Breite von 1,8 m und einer Länge von 1,5 m. Ein Türlochstein wurde nicht gefunden, ein Graben deutet aber darauf hin, dass ursprünglich einer vorhanden war. Das Grab ist heute vollständig mit Erde bedeckt und oberirdisch nicht sichtbar.
Das Baumaterial für diese Anlage stammt wahrscheinlich von der gleichen Stelle wie das von Grab I. Der Materialbedarf wird auf etwa 161,2 t geschätzt.
Bestattungen
1926 wurden Knochen von etwa 200 Individuen geborgen. Diese wurden im Zweiten Weltkrieg vernichtet. 1978 wurden weitere Skelettreste geborgen aber bislang nicht publiziert.
Beigaben
In dem Grab wurden zahlreiche Keramikscherben gefunden. Drei tiefstichverzierte Scherben sind der Westgruppe der Trichterbecherkultur zuzuordnen, neun weitere eher der Wartbergkultur. Der Großteil der Scherben lässt sich nur allgemein als jungsteinzeitlich einordnen. Weiterhin wurden 30 Feuersteinartefakte gefunden, bei denen es sich aber wohl nicht um Grabbeigaben handelt. Ihre Patina und ihre Ausführung deuten vielmehr darauf hin, dass es sich um mesolithische Fundstücke handelt, die aus einer früheren Besiedlungsphase stammen.
Datierung
Mittels Radiokarbonmethode konnte eine Nutzung der Anlage um 4321±30 BP; 2952±43 calBC festgestellt werden, die typochronologische Einordnung der gefundenen Trichterbecherkeramik legt allerdings eine etwas ältere Entstehungszeit nahe.
Literatur
- Klaus Günther: Die neolithischen Steinkammergräber von Atteln, Kr. Paderborn (Westfalen). In: Germania, Band 57, 1979, S. 153–161.
- Klaus Günther: Stichwort „Atteln“. In: Neujahrsgruß 1979. 1979, S. 9–11.
- Klaus Günther: Abschlussuntersuchung und Wiederaufbau des neolithischen Steinkammergrabes Atteln I, Stadt Lichtenau, Kreis Paderborn im Jahre 1980. Ungedruckter Bericht, 1981.
- Klaus Günther: Stichwort „Atteln“. In: Neujahrsgruß 1982. 1982, S. 19.
- Klaus Günther: Stichwort „Lichtenau-Atteln“. In: Ausgrabungen und Funde in Westfalen-Lippe. Band 1, 1983, S. 271.
- Klaus Günther: Das Megalithgrab Henglarn I, Stadt Lichtenau, Kreis Paderborn (= Bodenaltertümer Westfalens. Band 28), Münster 1992, S. 63.
- Klaus Günther: Das Megalithgrab Atteln I. Ein Grabmal jungsteinzeitlicher Bauern und Viehzüchter im Paderborner Land. In: Archäologie in Ostwestfalen. Band 1, 1997, S. 14–15.
- Hugo Hoffmann: Stand und Aufgaben der vor- und frühgeschichtlichen Forschung in Westfalen. In: Westfälische Forschungen. Band 1, 1938, S. 213.
- Dirk Raetzel-Fabian: Absolute Chronologie. In: Klaus Günther: Die Kollektivgräber-Nekropole Warburg I–V (= Bodenaltertümer Westfalens. Band 29). Zabern, Mainz 1997, ISBN 3-8053-2451-0, S. 166.
- Dirk Raetzel-Fabian: Calden. Erdwerk und Bestattungsplätze des Jungneolithikums. Architektur – Ritual – Chronologie (= Universitätsforschungen zur prähistorischen Archäologie. Band 70). Habelt, Bonn 2000, ISBN 3-7749-3022-8, S. 155–156, 230.
- Kerstin Schierhold: Studien zur Hessisch-Westfälischen Megalithik. Forschungsstand und -perspektiven im europäischen Kontext (= Münstersche Beiträge zur ur- und frühgeschichtlichen Archäologie. Band 6). Leidorf, Rahden/Westf. 2012, ISBN 978-3-89646-284-8, S. 251–253.
- Waldtraut Schrickel: Katalog der mitteldeutschen Gräber mit westeuropäischen Elementen und der Galeriegräber Westdeutschlands (= Beiträge zur ur- und frühgeschichtlichen Archäologie des Mittelmeer-Kulturraumes. Band 5). Habelt, Bonn 1966, S. 443–444.
- August Stieren: Die großen Steinkisten Westfalens. In: Westfalen. Band 13, 1927, S. 3–8.
- August Stieren: Ein Bericht über Grabungen und Funde für die Jahre 1925–1928 (= Bodenaltertümer Westfalens. Band 1). Westfälische Vereinsdruckerei, Münster 1929, S. 36–39 (PDF; 12,3 MB).
- August Stieren: Westfalen. Neolithikum. In: Max Ebert (Hrsg.): Reallexikon der Vorgeschichte. Band 14. Uckermark - Zyprische Schleifennadel. De Gruyter, Berlin 1929, S. 287.
Weblinks
- The Megalithic Portal: Grab I, Grab II
- strahlen.org: Großsteingrab "Atteln 1", Atteln, Lichtenau bei Paderborn
- Altertumskommission für Westfalen: Das Großsteingrab von Lichtenau-Atteln I, Das Galeriegrab Lichtenau-Atteln II
Einzelnachweise
- Dietmar Kemper: Kultstätte in Lichtenau-Atteln wird digital erfasst und touristisch erschlossen. Dieses Grab gibt mehr her. In: westfalen-blatt.de. 29. November 2020, abgerufen am 7. August 2020.