Franz Xaver Kerschensteiner
Franz Xaver Kerschensteiner (* 7. Mai 1839 in Parsberg (Oberpfalz); † 22. Dezember 1915 in Regensburg) war Geigen- aber vor allem Zither-Bauer sowie viele Jahre Abgeordneter des Stadtrates, Magistratsrat und Abgeordneter der Stadt Regensburg im oberpfälzischen Landrat. In seiner Werkstatt sind mithilfe seiner Mitarbeiter über 5000 nummerierte Instrumente entstanden.
Leben und Werk
Über seine Eltern ist heute nichts mehr bekannt. Kerschensteiner besuchte zuletzt vier Jahre das Königliche Studien- und Musikseminar im Schloss St. Emmeram in Regensburg, bevor er sich 1858 für die Lehre des Geigenbaumeisters Petrus Schulz entschied, bei dem er vier Jahre blieb. Er wird als äußerst begabt und fleißig beschrieben.[1] Bis 1865 begab er sich auf die übliche Wanderschaft, unter anderem zu den damals berühmten Geigenbauern Tiefenbrunner und Echinger in München, zu Strotzinger in Linz, zu Bittner in Wien und zu Meindl in Würzburg. In diesem Jahr heiratete er die Tochter seines ehemaligen Lehrmeisters, Euphrosina Schulz und wurde Teilhaber in seinem Betrieb. Hierzu musste der Stadtrat das am 18. Juli 1865 gestellte Gesuch um „Aufnahme als Schutzverwandter sowie um die Bewilligung zur Verehelichung mit der Bürger- und Instrumentenbauerstochter Euphrosina Schulz“ genehmigen, das dieser mit Beschluss vom 1. August 1865 tat. Am 4. März 1870 erhielt Kerschensteiner das Bürgerrecht.
Nach Schulz’ Tod 1871 führte Kerschensteiner den Betrieb in der Pfarrergasse 10 allein weiter. Bei ihm wurden sowohl einfache Gebrauchsinstrumente als auch kunstfertig mit Intarsientechnik gefertigte Geigen, Violen, Celli, Zithern, Gitarren und Kontragitarren hergestellt.
Insbesondere Kerschensteiners Zithern wurden zunehmend beliebt, weil er es verstand, sowohl den Klang als auch die Bauform zu verbessern. Hierzu zählte vor auch, dass er eine freiere Schwingung des Resonanzbodens erzielte. Dies ließ er sich am 21. September 1883 vom 1877 neu gegründeten Kaiserlichen Patentamt in München patentieren.[2] Die Konstruktion bestand statt einer starren Verbindung von Klangkörperdeckel zum Resonanzboden mithilfe einer Brücke unter dem Griffbrett aus einer Leiste, die nicht direkt mit dem Boden in Verbindung war.[3] Die Anregung dazu hatte er offenbar von dem Zithervirtuosen Curt Schulz, der in einer Veröffentlichung forderte, die Instrumentenbauer mögen sich dem Problem des geringen Klangvolumens insbesondere für konzertante Veranstaltungen annehmen.[4]
Eine weitere Neuerung waren die sogenannten Klavierbodenzithern, die zur Resonanzverbesserung einen zweiten Boden im Korpus besaßen. Die Anregung hierzu bekam er wahrscheinlich von seinem Kollegen Franz Schwarzer aus Missouri, der als der Erfinder des Klavierbodens gilt und den er auf der Weltausstellung 1873 in Wien kennengelernt hatte. In Kerschensteiners Preisliste von 1898 heißt es dazu: „Nach vieler Mühe und vielen Versuchen ist es mir gelungen, eine direkte Tonerzeugung bei diesen Zithern dadurch herzustellen, dass ich einen freistehenden Saitensteg in Verbindung mit dem Resonanzboden brachte, welch’ Letzterer dem Klaviere nachgebildet ist. … Die Schwingungen der angeschlagenen Saiten werden durch einen Saitensteg, welcher durch die Decke gehend, ohne diesen zu berühren, auf den eigentlichen Resonanzboden direkt übertragen, wodurch dieser in gröstmöglichste Vibration versetzt wird. Dadurch wird ein bestimmter, klarer Ton erzeugt, welcher in allen Lagen gleiche Stärke und Tonfärbung besitzt, wie er nur ganz vollkommenen Instrumenten eigen ist.“ In diesem Katalog sind zahlreiche Dankschreiben aus aller Welt abgedruckt, die die Beliebtheit der Klavierbodenzithern belegen halfen.
Kerschensteiner erhielt für seine Leistungen als Instrumentenbauer viele Auszeichnungen, auch durfte er sich „Königlicher Bayrischer Hoflieferant“ nennen. Dazu schreibt Lütgendorff: „In Kerschensteiner erreichte der Geigenbau in Regensburg seine schönste Entwicklung, und Kerschensteiners Geigen, die weit und breit und selbst in England hoch bewertet werden, sind im wahren Sinn des Wortes Kunstwerke. Nicht minder hoch sind seine Zithern geschätzt, die ihm mit Preisen bezahlt werden wie kaum einem zweiten.“[1]
Sein Sohn Franz Seraph Peter, (* 9. November 1869 in Regensburg; † 2. Februar 1935 an Lungenentzündung in Berlin), war spätestens seit 1908 Mitinhaber des Instrumentenbaubetriebes und führte das Geschäft nach dem Ableben des Vaters weiter. Verschiedene äußere Einflüsse führten zum Rückgang des Geschäftserfolges, den der Sohn mit unverändertem Sortiment fortführte. Von über 200 Zithern jährlich in den Jahren 1890–1895 ging die Produktion wegen gesunkener Nachfrage auf circa 100 zu Beginn des Ersten Weltkrieges 1914 zurück, Anfang der 1920er Jahre gar auf etwa 15 Instrumente.
Am 1. April 1935 kaufte die Schreinerei und Musikalienfirma Konrad Weidlich den Betrieb auf, ein Teil der Werkstatteinrichtung ging ins Regensburger Stadtmuseum. Die letzten seinerzeit so hoch geschätzten Instrumente wurden 1951 verkauft, die letzten noch vorhandenen Instrumente 1955 ebenfalls ans Regensburger Museum übereignet.
Einzelnachweise
- Willibald Leo von Lütgendorff-Leinburg: Die Geigen- und Lautenmacher vom Mittelalter bis zur Gegenwart. 2. Auflage, Frankfurt am Main 1913, Band I, S. 161 und Band II, S. 421 f., und Ergänzungsband, erstellt von Thomas Drescher, Tutzing 1990, S. 31
- Andreas Michel et al.: Zithern: Musikinstrumente zwischen Volkskultur und Bürgerlichkeit. Universität Leipzig, Museum für Musikinstrumente, 1995, ISBN 3-9804574-0-0
- Patentschrift Nr. 24075
- Curt Schulz. In: Centralblatt deutscher Zithervereine, Nr. 12, 1879, S. 142