Flämischer Nationalverband

Der Vlaamsch Nationaal Verbond (niederländisch für Flämischer Nationalverband), k​urz VNV, w​ar eine flämisch-nationalistische Partei i​n Belgien. Sie w​urde 1933 gegründet u​nd vereinte unterschiedliche ideologische Strömungen d​es flämischen Nationalismus. In Erscheinungsbild u​nd Auftreten orientierte s​ich die Partei a​m Faschismus. Während d​er deutschen Besatzung Belgiens a​b 1940 kollaborierte d​ie Partei m​it der Besatzungsmacht.

Verbandsabzeichen

Gründung und Programm

Nachdem d​ie flämisch-nationalistischen Parteien b​ei den belgischen Wahlen s​tark an Stimmen verloren hatten, w​urde der VNV 1933 u​nter Führung Staf De Clercqs m​it der Absicht gegründet e​ine Einheitspartei d​es flämischen Nationalismus z​u bilden.[1] Das a​m 8. Oktober 1933 veröffentlichte Parteiprogramm versuchte e​inen Kompromiss zwischen d​en verschiedenen Strömungen z​u formulieren, d​ie von rechtskonservativ über d​ie klerikalfaschistische Bewegung Verdinaso b​is zu e​iner offenen Befürwortung d​es deutschen Nationalsozialismus reichten. Letztlich setzten s​ich vor a​llem die radikalen Gruppen durch.[2] Der VNV strebte e​inen autoritären korporatistischen großniederländischen Staat an, d​er Flandern, d​ie Niederlande u​nd die niederländischsprachigen Teile Nordfrankreichs vereinen sollte. Die Partei distanzierte s​ich jedoch zunächst ausdrücklich v​on Rassentheorien, s​owie dem Antisemitismus d​es ebenfalls a​us dem flämischen Nationalismus hervorgegangenen Verdinaso.[3]

Teilnahme an Wahlen

Bei d​en belgischen Wahlen a​m 24. Mai 1936 erreichte d​ie Partei m​it 7,06 % e​in beachtliches Resultat. Bei d​en letzten Vorkriegswahlen a​m 2. April 1939 erzielte d​er VNV m​it landesweit 8,4 % d​er Stimmen s​ein bestes Wahlergebnis.[4] Der VNV t​rat nur i​n den flämischen Provinzen Belgiens an. Dort w​aren die Ergebnisse durchweg zweistellig m​it einem Spitzenwert i​n Limburg w​o jeweils m​ehr als 24 % erreicht wurden.[5]

Beziehungen zu Deutschland

Obwohl es schon früh Kontakte flämischer Nationalisten ins nationalsozialistische Deutschland gab, die teilweise an die Flamenpolitik des Ersten Weltkriegs anknüpften, wurde der VNV nicht offiziell von Deutschland unterstützt. Dies hatte vor allem außenpolitische Gründe, da eine Einmischung in die belgische Innenpolitik die Rückkehr des Landes zur Neutralitätspolitik gefährdet hätte.[6] Daneben ließen die katholische und parlamentarische Ausrichtung der Partei zunächst Konkurrenten wie den Verdinaso als geeignetere Verbündete erscheinen.[7] Ab 1935 interessierten sich sowohl das Reichspropagandaministerium als auch die Abwehr für Kontakte zum VNV, während das Auswärtige Amt sich gegen sie aussprach. Spätestens ab 1937 wurde die Parteizeitung "Volk en Staat" vom Propagandaministerium finanziell unterstützt. Daneben wurde in Koordination mit der Abwehr eine Organisation im belgischen Militär aufgebaut, die im Falle eines Krieges mit Deutschland, Sabotage verüben und belgische Soldaten vom Kampf abhalten sollte. Diese Organisation war allerdings kein Teil des VNV, sondern wurde vom Parteiführer Staf De Clercq persönlich koordiniert.[8]

Unter deutscher Besatzung

Hendrik Elias, 20. Dezember 1942

Nach der deutschen Invasion in Belgien im Jahr 1940 wurde der VNV zur wichtigsten Stütze der deutschen Militärverwaltung. Diese bediente sich der Partei vor allem bei der Besetzung von Posten. Den VNV-Mitgliedern Victor Leemans und Gérard Romsée wurde auf Betreiben der deutschen Militärverwaltung die Kontrolle über das Wirtschafts- und das Innenministerium übertragen. Auch auf der Ebene, der Provinzialverwaltung, sowie in Städten und Kommunen kam es in Flandern zu einer weitreichenden Machtübernahme durch VNV-Mitglieder oder der Partei nahestehende Personen. Dies galt ebenso für erst unter deutscher Besatzung entstandene Organisationen und Behörden. Bedeutsam war auch die militärische Kollaboration. Etwa 10.000 Flamen dienten in der Waffen-SS, etwa 8.000 im NSKK, ca. 10.000 in der Organisation Todt, weitaus die meisten waren über den VNV oder diesem nahestehende Organisationen geworben worden. Daneben existierten paramilitärische Gruppen, die teilweise in die Wehrmacht integriert waren und für den Schutz von Eisenbahnanlagen oder etwa Flugplätzen zuständig waren.[9] Trotz der Bedeutung des VNV für die Besatzungsmacht, gelang es dem VNV nie als alleinige Kollaborationsbewegung in Flandern anerkannt zu werden.
Grund hierfür war vor allem die Unvereinbarkeit der großniederländischen Ausrichtung des VNV mit den großgermanischen Plänen Deutschlands. Mit der Allgemeinen SS Flandern und der DeVlag wurden von der Besatzungsmacht direkt in Konkurrenz zum VNV stehende Organisationen ins Leben gerufen. Die Konflikte mit SS/DeVlag, aber auch die wachsende Isolation in der belgischen Bevölkerung führten zu wachsender Frustration. Nachdem Parteigründer Staf de Clercq im Oktober 1942 plötzlich verstarb, übernahm der gemäßigtere Hendrik Elias den Vorsitz. Unter seiner Führung wurde am 14. August 1943 jede Zusammenarbeit mit der SS verboten, was auch die Werbung für die Waffen-SS betraf. In einem Treffen mit Heinrich Himmler am 29. Februar 1944 forderte Elias die Auflösung der Allgemeinen SS Flandern und der DeVlag, was Himmler jedoch ablehnte. Nach der Befreiung Belgiens durch die Alliierten im September 1944 flohen Elias und die meisten Führungskader der Partei nach Deutschland. Nach Elias Weigerung an eine Flämischen Exilregierung unter Führung des DeVlag-Führers Jef Van de Wiele mitzuwirken, wurde er am 9. Januar 1945 interniert.[10]

Literatur

  • Bruno De Wever: Greep naar de macht. Vlaams-nationalisme en Nieuwe Orde. Het VNV 1933-1945, Tielt 1994. Volltext auf dbnl.org
  • Bruno De Wever: Belgium, in: R.J.B. Bosworth (Red.): The Oxford Handbook of Fascism, Oxford 2010.
  • Bruno De Wever: Vlaamsch Nationaal Verbond, in: Reginald De Schryver (Red.): Nieuwe Encyclopedie van de Vlaamse Beweging, Tielt 1997, S. 3380–3387.
  • Stanley Payne: Geschichte des Faschismus. Aufstieg und Fall einer europäischen Bewegung. London 1995.

Einzelnachweise

  1. Bruno De Wever: Vlaamsch Nationaal Verbond, in: Reginald De Schryver (Red.): Nieuwe Encyclopedie van de Vlaamse Beweging, Tielt 1997, S. 3380–3387, hier S. 3380.
  2. Bruno De Wever: Greep naar de macht. Vlaams-nationalisme en Nieuwe Orde. Het VNV 1933-1945, Tielt 1994, S. 102.
  3. Bruno De Wever: Greep naar de macht. Vlaams-nationalisme en Nieuwe Orde. Het VNV 1933-1945, Tielt 1994, S. 187.
  4. http://www.ibzdgip.fgov.be/result/nl/result_ko.php?date=1939-04-02&vt=CK&ko_type=KO_RK&ko=263&party_id=3443
  5. http://www.ibzdgip.fgov.be/result/nl/result_ko.php?date=1939-04-02&vt=CK&ko_type=KO_PR&ko=76&party_id=3443
  6. Peter Klefisch: Das Dritte Reich und Belgien 1933–1939, Frankfurt am Main 1988, S. 431.
  7. Jakob Müller: Faschistische Gruppen im Belgien der Zwischenkriegszeit im Spiegel deutscher Berichte 1923 bis 1936, in: Axel Weipert u. a. (Red.): Festschrift für Wolfgang Wippermann zum 70. Geburtstag, Berlin 2015, S. 219–222.
  8. Etienne Verhoeyen: Spionnen aan de achterdeur. De Duitse Abwehr in België 1936-1945, Antwerpen 2011, S. 237–242.
  9. Bruno De Wever, Collaboratie, in: Nieuwe encyclopedie van de Vlaamse Beweging, Tielt 1998, S. 772.
  10. Bruno De Wever: Vlaamsch Nationaal Verbond, in: Reginald De Schryver (Red.): Nieuwe Encyclopedie van de Vlaamse Beweging, Tielt 1997, S. 3380–3387, hier S. 3384–3387.
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