Filialkirche Kleinsöding
Die Filialkirche Kleinsöding, oft auch einfach Sebastianikirche genannt, ist eine denkmalgeschützte römisch-katholische Filial- und Wallfahrtskirche in der zur Gemeinde Söding-Sankt Johann gehörenden Ortschaft Kleinsöding in der Weststeiermark. Die dem heiligen Sebastian gewidmete Kirche gehört zum Seelsorgeraum Voitsberg in der Diözese Graz-Seckau und ist der Pfarre Mooskirchen unterstellt. Als Wallfahrtskirche spielt sie nur eine lokale Rolle.
Ihre Geschichte führt bis in den Beginn des 16. Jahrhunderts zurück. Bis heute finden jedes Jahr am Ostersonntag Prozessionen aus den umliegenden Dörfern in der Erinnerung an die Pest statt.
Lage
Die Kirche steht im östlichen Teil der Gemeinde Söding-Sankt Johann auf einer kleinen Anhöhe zentral in der Siedlung Sankt Sebastian etwa 700 Meter westlich des Dorfes Kleinsöding. Sie befindet sich auf einer Seehöhe von rund 350 Metern, am nördlichen Ufer der Kainach im mittleren Kainachtal, auch als Kainachboden bekannt. Etwa 50 Meter nördlich der Kirche verläuft die Packer Straße (B 70) an der Kirche vorbei. Etwa 600 Meter westlich befindet sich der Zubringer zu der Autobahnabfahrt Mooskirchen der Süd Autobahn (A2). Die Kirche selbst liegt an einem von der Packer Straße nach Südosten abzweigenden Weg und hat die Adresse Kirchenweg 1, die sie sich mit dem direkt nordwestlich von ihr gelegenen Haus teilt.
Geschichte
Ursprünge und Bauzeit
An der Stelle der heutigen Kirche befand sich vermutlich bereits in der Antike ein Kulthügel, und es gibt die Legende von einem Heidentempel, der sich dort befunden haben soll. Später sollen auch Pestopfer auf diesem Hügel begraben worden sein. Es gibt zwar Aussagen von Anwohnern, die über Funde von Knochen berichten, aber es konnten bisher keine archäologischen Belege für einen Tempel oder ein Pestgrab gefunden werden. Die Bewohner der Gegend von Kleinsöding wurden spätestens ab dem 12. Jahrhundert von der 1136 erstmals urkundlich erwähnten Pfarre Mooskirchen aus seelsorgerisch versorgt. Als im 14. Jahrhundert die Pest Einzug in den heutigen Bezirk Voitsberg hielt, wurden die Dörfer Hardekk und Mukkaw bei Muggauberg sowie das bei Södingberg gelegene Reuner Dorf Sedinge vollständig entvölkert. 135 der überlebenden Bauern der Umgebung schworen daraufhin, für die Errichtung eines zu Ehren des sogenannten Pestheiligen Sebastian geweihten Gotteshauses während ihres Lebens den Wert einer Kuh zu spenden. Diese Spende wird als Kühzins bezeichnet und die Bauern spendeten jedes Jahr bis der Gegenwert einer Kuh entrichtet worden war. Falls das Spendenziel nicht zu Lebzeiten erreicht worden war, wurde es vererbt, und die Nachkommen waren verpflichtet, es zu erfüllen. Das so zusammengebrachte Geld reichte aus, um bei Kleinsöding eine größere Kirche zu errichten.[1][2][3]
Die Kirche wurde laut dem Geistlichen Personalstand der Diözese Seckau im Jahr 1508 erbaut. Wahrscheinlich bezieht sich diese Angabe aber nur auf den Bau des Chores, der bis zur Fertigstellung der Kirche als Kapelle genutzt wurde. In dieser Kapelle befand sich bereits eine aus Sandstein gefertigte Statue des heiligen Sebastian, die von aus dem spanischen San Sebastian vertriebenen und zum Riedlhof oder Riederhof bei Berndorf gekommenen Mönchen aufgestellt worden sein soll. In den nachfolgenden Jahren stieg die Zahl der Wallfahrer immer mehr an. Durch das so eingebrachte Geld wurde schließlich bis 1562 das Kirchenschiff mit flacher Holzdecke und dem Kirchturm an den bereits bestehenden Chor angebaut, worauf unter anderem ein mit Jahreszahl und Zeichen des Baumeisters versehener Stein am Torbogen des Westportales hinweist. Zu den Stiftern der Kirche dürften auch die auf Schloss Rollau ansäßigen Rollauer gehört haben, da die Kirche auch als ihre Grablege diente.[1][2][4]
Das 17. und 18. Jahrhundert
Durch das erneute Auftauchen der Pest, so suchte sie 1584 das Kainachtal und 1680 sowie von 1713 bis 1716 die Stadt Voitsberg heim, pilgerten immer mehr Wallfahrer zu der Kirche. Im 17. Jahrhundert erreichten die Wallfahrten ihre Blütezeit und die Sebastianikirche entwickelte sich zum bedeutendsten Pestheiligtum des Bezirkes Voitsberg. Um 1630 wurde der Hochaltar der Kirche aufgestellt und die bereits zuvor in der Kirche befindliche Sebastiansstatue wurde als Altarbild darauf gesetzt. Ab 1665 trat die auf Schloss Groß-Söding ansäßige Familie Keller von Kellersperg als Wohltäter der Kirche in Erscheinung. Im Jahr 1676 wurde das spätgotische Bauwerk barockisiert, das bisher flach gedeckte Kirchenschiff eingewölbt und eine Empore eingebaut. Auch der Bau der Sakristei und der an der Außenseite des Chores angebauten und von außen zugänglichen Kreuzkapelle erfolgten im Zuge der Umgestaltung. Als einziger der Mooskirchner Pfarrer wurde M. Simon Schoper im Jahr 1694 auf seinen testamentarischen Wunsch hin unter dem Fronbogen, neben der vermutlich von ihm gestifteten lebensgroßen Sebastiansfigur, in der Kirche begraben.[3][5]
Noch von 1711 bis 1880 wurde ein Zinsverzeichnis über die Entrichtung des Kühzinses geführt, was darauf schließen lässt, dass Nachfahren der ursrprünglichen Stifter noch immer für den Erhalt der Kirche spendeten. Der in Mooskirchen tätige Dechant Alois Wagl verfasste 1799 eine mehrbändige Pfarrchronik und beschreibt darin auch die damalige Einrichtung der Kirche. Um 1800 wurde das bisherige Altarbild des Hochaltares, die Sebastiansstatue, durch eine Figur der Anna selbdritt ersetzt. Um die Figuren des Hochaltares während des Fünften Koalitionskrieges zu schützen, wurden sie 1809 mit einem Bretterverschlag umgeben.[3][5]
19. Jahrhundert bis in die Neuzeit
Als die Pfarrkirche Ligist in der Mitte des 19. Jahrhunderts umgebaut wurde, kam einiges des dortigen Kircheninventares wie etwa die beiden Figuren seitlich des Hochaltares nach Kleinsöding. Auch das Tabernakel kam nach Kleinsöding, erwies sich aber als zu groß für den Hochaltar und wurde deshalb auf der Empore aufgestellt.[5]
Der Mooskirchner Pfarrer Josef Radl verfasste bis 1925 eine Historie der Kirche die als Radl-Chronik bekannt ist.[2] 1970 wurden die Außenseiten sowie die beiden Seitenaltäre restauriert.[6][4]
Als Erinnerung an die Pestzeit finden bis heute jedes Jahr am Ostersonntag Marterprozessionen, die sogenannte „Maschta“[7], aus den umliegenden Dörfern statt. Zu diesen Dörfern gehören Attendorf, Fluttendorf, Großsöding, Kleinsöding sowie Stögersdorf. Die Prozessionen tragen dabei ein Marterkreuz vor sich her und singen beim Einzug in die Kirche die sogenannten „Maschtagesänge“.[6]
Beschreibung
An der Westseite der Kirche steht der viergeschossige Kirchturm mit Zeltdach. Seine Geschosse sind durch steinerne Kaffgesimse voneinander getrennt. In diesem Turm hängen eine 1675 von Lorenz Selner gegossene sowie eine 1710 von Florentin Streckfuß gegossene Glocke. Das westliche, spitzbogige Kirchenportal ist verstäbt und im unteren Teil gerautet. In einer Nische neben dem Portal steht eine aus Aflenzer Sandstein gefertigte Figur des heiligen Sebastian, die sich ursprünglich auf dem Hochaltar befand. Über dem Eingang ist ein Relief aus dem 16. Jahrhundert angebracht, das Grabwächter zeigt. Das rundbogige Südportal ist profiliert. An der Außenwand des Chores befindet sich die 1676 angebaute Kreuzkapelle, die mit einem Gitter aus Schmiedeeisen verschlossen werden kann. In der Kreuzkapelle stehen ein Kruzifix sowie zwei um 1676 gefertigte Statuen der Heiligen Rochus und Sebastian.[4][5]
Das fünfjochige Kirchenschiff wird durch einen niedrigen, eingezogenen Fronbogen vom dreijochigen Chor getrennt. Sowohl das Langhaus als auch der Chor sind von einer Stichkappentonne überwölbt. Der Chor hat einen Dreiachtelschluss sowie einfache gotische, zweibahnige Maßwerkfenster. Die Kirchenfenster im Langhaus wurden barockisiert. Die nördlich an den Chor angebaute Sakristei aus dem 17. Jahrhundert ist tonnengewölbt. Die dreiachsige, gemauerte Empore im westlichen Teil des Langhauses wurde laut einer Inschrift 1562 errichtet. Sie wird von Säulen getragen und ist von einem Kreuzgratgewölbe unterwölbt. Von der Empore gelangt man durch ein Schulterbogenportal in den Kirchturm.[4]
Der um 1630 aufgestellte steinerne Hochaltar aus Aflenzer Sandstein weist durchbrochene Mittelstücke auf. Im unteren Mittelstück steht eine Figur der heiligen Anna selbdritt, deren Darstellung der Maria später überarbeitet worden ist. Im Altaraufsatz steht eine Statue des heiligen Florian. Des Weiteren stehen zwei Reiterfiguren der Heiligen Georg und Martin sowie Figuren der Heiligen Paulus, Petrus und Rochus am Hochaltar. Die beiden Seitenaltäre wurden aus Teilen eines spätgotischen Schnitzaltares gefertigt, der aus der Pfarrkirche Hitzendorf stammt.[6] Die Reliefs auf den beiden Altären zeigen Szenen aus dem Leben Marias und stammen aus der Zeit um 1510 bis 1520. Sie wurden im ersten Drittel des 17. Jahrhunderts in ihre heutige Form gebracht und mit gesprengartigen Aufsätzen sowie Seitenwangen und Schleierbrettern versehen. Die Reliefs am linken Altar zeigen den Marientod, die Flucht nach Ägypten sowie die Darstellung Jesu im Tempel und sind seitlich mit einem teilweisen Stammbaum Jesu gerahmt. Die Reliefs am rechten Altar zeigen die Verkündigung des Herrn, die Heimsuchung Mariä sowie die Anbetung durch die Heiligen Drei Könige. Die Kanzel wurde in der Mitte des 18. Jahrhunderts aufgestellt.[4]
Am Fronbogen stehen eine lebensgroße, im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts angefertigte Statue des heiligen Sebastian und darüber zwei in der gleichen Zeit gefertigte Engelsfiguren. Im Chorschluss stehen zwei Figuren der Heiligen Laurentius und Oswald, die aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts stammen.[4]
Literatur
- Gemeinde Söding-Sankt Johann (Hrsg.): Söding. Von drei kleinen Bauerndörfern zur Gemeinde Söding. Gemeinde Söding-Sankt Johann, Söding-Sankt Johann 2016, S. 28–65.
- Bundesdenkmalamt (Hrsg.): Dehio Steiermark (ohne Graz). 2. Auflage. Berger, Horn/Wien 2006, ISBN 3-85028-439-5, S. 528.
Weblinks
Einzelnachweise und Anmerkungen
- Lotte Linke: Die Entstehung des Pestheiligtums St. Sebastian. In: Gemeinde Söding-Sankt Johann (Hrsg.): Söding. Von drei kleinen Bauerndörfern zur Gemeinde Söding. Gemeinde Söding-Sankt Johann, Söding-Sankt Johann 2016, S. 28.
- Lotte Linke: Die Entstehung des Pestheiligtums St. Sebastian. In: Gemeinde Söding-Sankt Johann (Hrsg.): Söding. Von drei kleinen Bauerndörfern zur Gemeinde Söding. Gemeinde Söding-Sankt Johann, Söding-Sankt Johann 2016, S. 30.
- Lotte Linke: Die Geschichte der Sebastianikirche. In: Gemeinde Söding-Sankt Johann (Hrsg.): Söding. Von drei kleinen Bauerndörfern zur Gemeinde Söding. Gemeinde Söding-Sankt Johann, Söding-Sankt Johann 2016, S. 31.
- Bundesdenkmalamt (Hrsg.): Dehio Steiermark (ohne Graz). 2. Auflage. Berger, Horn/Wien 2006, ISBN 3-85028-439-5, S. 528.
- Lotte Linke: Die Geschichte der Sebastianikirche. In: Gemeinde Söding-Sankt Johann (Hrsg.): Söding. Von drei kleinen Bauerndörfern zur Gemeinde Söding. Gemeinde Söding-Sankt Johann, Söding-Sankt Johann 2016, S. 34.
- Geschichte Södings. www.kultur-soeding.at, abgerufen am 22. Januar 2016 (deutsch).
- Maschta bedeutet wahrscheinlich Marter, d. h. seelische oder körperliche Qual.