Fango
Fango (italienisch fango, Plural fanghi: Schlamm, Schlick) ist ein Mineralschlamm vulkanischen Ursprungs und wird in der Peloidtherapie verwendet. Obwohl sie ähnlich in Anwendung und Wirkungsweise sind, werden aufgrund unterschiedlicher Aufbereitung und Zusammensetzung grundsätzlich zwei Arten von Fango unterschieden: organischer und anorganischer Fango.
Der organische bzw. gereifte Fango
Italien gilt als das Ursprungsland des Fangos und nimmt somit auch eine Sonderstellung ein. Historische Quellen belegen, dass schon römische Legionäre die Heilkräfte des vulkanischen Heilschlamms zu schätzen wussten. Der italienische Fango setzt sich aus drei Komponenten zusammen: Thermalwasser, Fangoschlamm (Lehm bzw. Ton) und der Zugabe von Algen und Mikroorganismen, welche für den biologischen Reifeprozess (Maturation) verantwortlich sind. Dieser Reifeprozess dauert mindestens 60 Tage an.
Eine Sonderstellung nimmt die wohl bekannteste Fangoregion Italiens ein, die Euganeischen Hügel bzw. das Euganeische Becken mit seinen Kurorten Abano, Montegrotto, Galzignano Terme und Battaglia. Diese Region wird mit einem besonderen Thermalwasser versorgt, dessen Quellen in den Alpen entspringen und sich dann ihren Weg unterirdisch durch die verschiedenen Gesteinsschichten bis in die Ebene des Euganeischen Beckens suchen, um dort als Artesischer Brunnen an die Oberfläche zu gelangen. Das Thermalwasser ist salz-, iod- und bromhaltig und hat eine Ausgangstemperatur von 80 bis 85 °C. Mit dieser Temperatur wird das Wasser permanent über die mit dem Fangoschlamm gefüllten Reifebecken geleitet, was den Reifeprozess der Algen und Mikroorganismen begünstigt. Der Fangoschlamm wird direkt aus dem Euganeischen Becken gewonnen und besteht aus hellblauem Naturlehm (Aluminiumsilikat). Ist der entsprechende Reifegrad erreicht, wird der Fango portionsweise in Eimern durch speziell geschultes Personal (italienisch: fanghini) entnommen und für die therapeutischen Zwecke eingesetzt.
Nach der Anwendung wird der Fango wiederverwertet; das heißt, er wird in die Reifebecken zurückgeführt und der Reifeprozess beginnt von neuem. Diese Art der Fangoaufbereitung ist sehr platz- und lohnintensiv: platzintensiv deshalb, weil durch den langen Reifeprozess mehrere Becken vorhanden sein müssen, die wiederum den wechselnden Zyklus der Fangoentnahme gewährleisten müssen; lohnintensiv deshalb, weil bei dieser Form der Aufbereitung ein Großteil der Arbeiten in Handarbeit durchgeführt wird. Im deutschsprachigen Raum geschieht die Fangoaufbereitung seit Jahrzehnten maschinell mit einer speziell dafür entwickelten Aufbereitungstechnik.
Die übrigen italienischen Kurorte wie z. B. Montecatini Terme in der Toskana und Castel San Pietro Terme in der Emilia-Romagna nutzen ihr eigenes, ortsgebundenes Thermal- bzw. Mineralwasser. Dieses erreicht jedoch nicht die hohe Temperatur des Thermalwassers aus dem Euganeischen Becken. Der Fangoschlamm wird aus einem Gesteinsmehl hergestellt, das von auswärts eingeführt wird.
Der anorganische Fango
Im restlichen Europa, explizit im deutschsprachigen Raum, wird bei der Aufbereitung des Fangos auf den Reifeprozess verzichtet. Hier sind die Zusammensetzung der Mineralien und die thermophysikalischen Eigenschaften maßgeblich für die Wirkungsweise des Fangos. Ausgangsprodukt des Fangos ist ein Gestein vulkanischen Ursprungs. Diese Definition bzw. Assoziation von Fango mit „vulkanogen“ wurde erstmals 1916 von dem Geologen und Begründer der Balneologie, Konrad Keilhack (1858–1944), verwendet und hat seitdem ihren festen Bestand im deutschen Sprachgebrauch. In seiner Untersuchung zum Thema „Fachprosaforschung – Grenzüberschreitungen“ präzisiert Gerd Lüttig den Begriff Fango wie folgt:
„Der Autor unterstützt die Bestrebung, der Name Fango solle für (Para-) Peloidmaterial gebraucht werden, welches vulkanogenen Ursprungs ist, macht aber gleichzeitig darauf aufmerksam, dass in der klassischen „Fango“-Region keine fanghi, sondern Mudden (und zwar Diatomeengyttjen) appliziert werden. Damit bleiben nur zwei Typregionen für die Verwendung des Namens Fango übrig, nämlich die Eifel und der Kaiserstuhl (Eifel-Fango und Freiburger Fango). In der Praxis entsteht durch die Richtigstellung keinerlei Verwirrung, zumal da die italienischen Balneotherapeuten ihr Material schon seit längerer Zeit ‚Thermalschlamm‘ und nicht Fango nennen.“[1]
Abgebaut wird das Vulkangestein in Deutschland u. a. in Bötzingen am Kaiserstuhl (Phonolith), etwa 15 km westlich von Freiburg, und in Mendig im Bereich des Laacher Sees. In Österreich wird der „Gossendorfer Fango“ in der Region Steirisches Vulkanland gewonnen.
Das Ausgangsmaterial wird gebrochen, erhitzt und dann feinst aufgemahlen. Hierbei handelt es sich um ein anorganisches Naturprodukt, welches an seinem jeweiligen Bestimmungsort mit ortsgebundenem Brauch-, Mineral- oder Thermalwasser aufgemischt wird. Mancherorts wird es noch angereichert, z. B. mit Radon, Sole oder Schwefel (Schwefelberg-Bad).
Jede Schlammpackung wird nur einmal verwendet, und der verbrauchte Fango wird anschließend umweltgerecht entsorgt. Aufgrund der in ihm enthaltenen Mineralstoffe ist er geeignet für eine ökologische Rückführung in den Gartenbau, in die Landwirtschaft sowie zur Kompostierung.
Anwendung
Vor der Anwendung wird das Gesteinspulver mit Wasser zu einem homogenen Brei aufgemischt. Dieser wird auf eine Temperatur von 45 bis 50 °C erhitzt und als sogenannte Schlammpackung in einer Schichtdicke von etwa 3 cm auf die erkrankten Bereiche des Körpers aufgetragen. Anschließend wird der Körper zwecks optimaler Wärmespeicherung in Folie, Leinentücher oder Wolldecken eingehüllt. Die Anwendungsdauer solch einer Behandlung liegt zwischen 20 und 40 Minuten, sodass die abgegebene Wärme des Fangos auch in tiefer liegendes Gewebe eindringen kann und dieses lang anhaltend und wirkungsvoll erwärmt.
Anwendungsgebiete
Fango wird unter anderem bei Bindegewebs- und Muskelrheumatismus, chronisch rheumatischen Gelenkerkrankungen, Fibromyalgie, Hexenschuss, Ischialgie, Rücken-, Schulter- und Nackenschmerzen, Spasmen glattmuskulärer Organe, traumatischen Kontusionen und Distorsionen, Sehnenscheidenentzündung, Menstruationsbeschwerden, Muskelverhärtung, Muskelkater, Neurodermitis und Ekzemen angewendet.
Wirkung
Fango kann allein durch die hohe Temperatur die Durchblutung von Haut, Bindegewebe und Muskulatur fördern. Das kann auch zur Entspannung der Muskulatur und u. U. zur Linderung von Schmerzen beitragen. Eine sogenannte „Stärkung des Immunsystems“ ist nicht plausibel und wäre auch nicht immer wünschenswert (z. B. bei Autoimmunerkrankungen). Eine erhöhte Ausschüttung von Endorphinen oder ACTH ist nicht nachgewiesen, letztere wäre auch nicht immer wünschenswert.
Wärmepackung mit Fangozusatz
Aus Kostengründen ist man zum Teil dazu übergegangen, Paraffinfangopackungen (Parafango) zu verwenden. Ausgangsstoff hierzu ist ein Paraffinwachs, welches mit einem natürlichen Peloid, z. B. Fango oder Moor, versetzt wurde. Diese Packungen sind kostengünstiger, da sie mehrfach verwendbar sind und man ggf. auf die anschließende Dusche verzichten kann. Sie haben jedoch in Bezug auf Modellierfähigkeit und thermophysikalische Eigenschaften klare Defizite gegenüber dem Naturfango.
Literatur
- Gerd Lüttig: Fachprosaforschung – Grenzüberschreitungen. Band 2 und 3. Herausgegeben von Gundolf Keil. Deutscher Wissenschafts-Verlag (DWV), Baden-Baden 2006/07, ISBN 978-3-86888-005-2.
Weblinks
Einzelnachweise
- Gerd Lüttig: Fachprosaforschung – Grenzüberschreitungen. Band 2/3 (2006/07). Deutscher Wissenschafts-Verlag (DWV), S. 435.