Fabrice Leggeri
Fabrice Joêl Roger Leggeri[1] (* 28. März 1968 in Mülhausen) ist ein französischer Verwaltungsbeamter und Direktor der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache Frontex.
Werdegang
Fabrice Leggeri erhielt 1989/1990 einen ersten Abschluss in Geschichte an der Universität von Paris. Im Folgejahr erwarb er an der gleichen Universität einen Master’s Degree und wiederum ein Jahr später ein Postgraduierten-Diplom in Zeitgeschichte. Von 1990 bis 1992 war er Student am Institut d’études politiques de Paris. Zwischen 1989 und 1993 studierte er an der École normale supérieure (ENS) und von 1994 bis 1996 an der École nationale d’administration (ENA).
Nach einer ersten beruflichen Station im französischen Innenministerium diente er ab 2001 als nationaler Experte der EU-Kommission, ab 2002 im Projektbereich „Management der EU-Außengrenzen“, der die Gründung von Frontex empfahl. 2003 bis 2007 füllte er in zwei französischen Regionen die Position eines Vize-Präfekten aus. 2007–2011 gehörte er dem französischen Ministère de la Défense in der Abteilung für Internationales und Europäisches Recht an. 2011 ging er als Gesandter an die Französische Botschaft in Seoul. Im August 2013 kehrte er ins Französische Innenministerium zurück und leitete die Abteilung „Irreguläre Migration“ mit Bezug zum Schengener Abkommen und dem Problembereich illegaler Einwanderung.
Am 16. Januar 2015[2] trat er bei der in Warschau angesiedelten Frontex als Direktor die Nachfolge des Finnen Ilkka Laitinen an. Leggeri spricht fließend Deutsch.
Illegale Pushbacks durch Frontex
Ende November 2020 veröffentlichten mehrere Zeitungen Beiträge, die nahelegten, dass Frontex Mitarbeiter mehrfach sogenannte Pushbacks durchgeführt haben. In mindestens einem Fall wird vermutet, dass Leggeri über diese Praxis informiert war. Im Serious Incident Report Nummer 11095 dokumentierten Frontex-Beamte, wie rund 30 Flüchtlinge in der Nacht vom 18. auf den 19. April 2020 von griechischen Grenzschützern illegal aus griechischen in türkische Gewässer geschleppt wurden. Ein Frontex-Aufklärungsflugzeug beobachtete den Vorgang nahe der Insel Lesbos aus der Luft.[3]
Vorwürfe der „Belästigung, des Fehlverhaltens und der Zurückdrängung von Migranten“
Am 7. Dezember 2020 führte das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) eine Razzia in den Büros des Frontex-Exekutivdirektors Fabrice Leggeri sowie seines Kabinettschefs Thibauld de La Haye Jousselin durch – als Teil einer Untersuchung zu Vorwürfen von „Belästigung, Fehlverhalten und Zurückdrängung von Migranten“.[4] Laut einem internen Dokument, das von der griechischen Zeitung Ekathimerini eingesehen wurde, hat sich Leggeri der Einstellung der erforderlichen 40 Grundrechtsbeauftragten, die in der Verordnung der neuen Europäischen Agentur für Grenz- und Küstenwache vorgesehen sind, „aktiv widersetzt“ und auf häufige Fragen von Mitarbeitern der Agentur Anfang 2020 geantwortet, dass „es keine Priorität ist“. Auch beschuldigt der Autor Leggeri, verantwortlich für eine „komisch inkompetente“ Personalabteilung zu sein.[5] Mehrere Parteien im EU-Parlament fordern Leggeris Rücktritt.[6]
Weblinks
- Fabrice Leggeri auf der Website der Frontex (englisch)
- Curriculum vitae, frontex.europa.eu (englisch)
- Der Mann, der uns abschottet, Die Zeit online vom 12. Februar 2015, abgerufen 17. Oktober 2015
- Fabrice Leggeri, le nouveau visage de Frontex, devant la commission LIBE du Parlement européen., europe-liberte-securite-justice.org vom 13. Dezember 2014, abgerufen 17. Oktober 2015
- Antibetrugsbehörde ermittelt gegen EU-Grenzschutzagentur, Spiegel vom 11. Januar 2021
- OLAF raided EU border chief's office over migrant pushback claims, ekathimerini.com, 14. Januar 2021 (englisch)
- EU anti-fraud office launches probe into Frontex, euobserver, EUobserver vom 11. Januar 2021 (englisch)
- EU watchdog opens investigation into border agency Frontex, POLITICO vom 11. Januar 2021 (englisch)
Einzelnachweise
- Frontex: Vertrag von Frontex mit dem polnischen Außenministerium. Abgerufen am 17. September 2018 (englisch).
- European Agency for the Management of Operational Cooperation at the External Borders of the Member States of the European Union: Fabrice Leggeri takes the helm at Frontex (Memento vom 4. Oktober 2015 im Internet Archive)
- Giorgos Christides, Steffen Lüdke, Maximilian Popp: Wie Frontex-Chef Leggeri die Öffentlichkeit getäuscht hat. In: Spiegel.de. Spiegel Politik, abgerufen am 6. November 2020.
- https://www.spiegel.de/politik/ausland/frontex-skandal-anti-betrugsbehoerde-ermittelt-gegen-eu-grenzschutzagentur-a-36d882d3-3b14-46bc-aa4b-d1129bcdc065 und https://euobserver.com/migration/150574
- https://www.ekathimerini.com/261205/article/ekathimerini/news/olaf-raided-eu-border-chiefs-office-over-migrant-pushback-claims
- Sebastian Ramspeck, Christina Brun: Umstrittene Praktiken – Festung Europa: Frontex in der Kritik. In: SRF. 3. Juni 2021, abgerufen am 3. Juni 2021.