Evangelische Hauptkirche Rheydt
Die Evangelische Hauptkirche Rheydt ist ein evangelisches Kirchengebäude in Rheydt, einem Stadtteil von Mönchengladbach.
Geschichte des Vorgängerbaus
An der Stelle des 1899–1902 von dem berühmten Berliner Kirchenbaumeister Professor Johannes Otzen (1839–1911) erbauten Wahrzeichens der ehemals selbstständigen Stadt Rheydt befand sich auf dem Marktplatz bis 1899 die „Alte Hauptkirche“, deren Ursprünge bis ins Mittelalter zurückreichten. Im 16. Jahrhundert wurde diese ursprünglich dem heiligen Alexander geweihte Dorfkirche mit fast der ganzen Bevölkerung der Jülich’schen Unterherrschaft Rheydt evangelisch und diente seit 1587 (endgültig seit 1633) dem reformierten Gottesdienst. 1741 erfolgte durch die Einfügung eines länglichen Querbaus zwischen Turm und Chor eine Umgestaltung zur evangelischen Predigtkirche, in der sich die wachsende Gemeinde ihrem Bekenntnis gemäß um Kanzel und Abendmahlstisch versammeln konnte.
Mit dem Anwachsen Rheydts infolge der Industrialisierung erwies sich die Alte Hauptkirche schon in der frühen zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als zu klein.
Der Neubau (1899–1902)
Als dann auch die 1866 als Filialkirche in Dienst gestellte Friedenskirche nicht mehr ausreichte, den immer weiter steigenden Raumbedürfnissen Abhilfe zu schaffen, legte man die alte Kirche am Markt nieder, um die „Neue Hauptkirche“ zu errichten. Erhalten blieben lediglich die Grabplatte der Familie Otto von Bylandts (heute eingemauert am Eingang zur Sakristei) sowie weitere Erinnerungsstücke (drei Säulen, Türsturz, Turmkreuz, Tafel zum Reformationsfest 1817), die heute im Erdgeschoss des Hauptturmes zu sehen sind.
Der stattliche Neubau sollte im Unterschied zu dem schlichten Vorgängerbau den Wandel Rheydts zur Industriestadt signalisieren und stellte sich auch dem 1897 erbauten neuen Rathaus würdig zur Seite. Bei aller aufwändigen Ausführung und sehr prachtvollen Innenausstattung wurde die evangelisch-reformierte Raumordnung des Vorgängerbaus aufgegriffen und weitergeführt, indem man sich bewusst für den Architekten Johannes Otzen und sein 1891 veröffentlichtes Wiesbadener Programm entschied. Er bezeichnet seinen an den Bedürfnissen des evangelischen Gottesdienstes orientierten und auch in Rheydt konsequent umgesetzten Zentralraum darin als "Versammlungshaus der feiernden Gemeinde". Baugeschichtlich knüpft die Hauptkirche damit an die Tradition protestantischer Gemeinde- und Predigtkirchen des 17. und 18. Jahrhunderts an. Auch der figürlich und floral besonders ausgestaltete Kanzelaltar, der eine ausgezeichnete Hörbarkeit und Sichtbarkeit des Predigers von allen 1200 Sitzplätzen ermöglicht, unterstreicht das. Rein stilistisch ist dieser Bau des Späthistorismus kaum einzuordnen. Der Neugotiker Otzen verwendet, durch die Zusammenführung romanischer und gotischer Stilelemente, bewusst einen "Kombinationsstil". Die einzelne Form, wie auch die figürliche und florale Ausmalung im frühen Jugendstil, ist dabei immer der Konzentration aller Gottesdienstteilnehmer auf Kanzel und Altar – beide mit gleichem Rang platziert – untergeordnet. Das Miteinander der Formen und Ornamente ergibt aber ein durchdachtes "Gesamtkunstwerk".
Die Hauptkirche nach dem Zweiten Weltkrieg
Im Zweiten Weltkrieg erlitt das Bauwerk schwere Schäden an den Dächern, der größte der drei Nebentürme blieb beim Wiederaufbau zur Mahnung an die Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg ohne seinen ursprünglich spitz auslaufenden Helm. Bis auf die Fenster blieb die originale Ausstattung einschließlich der heute sehr kostbaren spätromantischen Sauer-Orgel aus dem Jahr 1902 erhalten. Eindringendes Wasser beschädigte allerdings große Teile der Jugendstilausmalung. Bei der Innenrenovierung von 1962 entschied sich die Gemeindeleitung aus theologischer Überzeugung und auch aus Gründen des Zeitgeschmacks dafür, den Innenraum möglichst nüchtern und ohne jeden malerischen Schmuck zu erneuern. Dadurch wurde der ursprüngliche Eindruck des Gesamtkunstwerks Hauptkirche empfindlich gestört.
Im Jahr 2001 beschloss das Presbyterium, die originale farbige Raumfassung von 1902 wiederherzustellen. Davon ausgenommen sind die beiden Christus-Darstellungen am Triumphbogen. Nachdem bereits seit 1997 die originalgetreue Wiederherstellung des Kanzelaltars sowie der Nachbau fehlender Beleuchtungskörper durch das Engagement des 1995 gegründeten „Förderkreises Hauptkirche“ erreicht worden war, gelang es im Jahr 2004 mit EU-Fördermitteln des INTERREG-IIIA Projektes „Menschen und Kirchen im Dialog über Zeiten und Grenzen“ und durch viele Spenden aus der Kirchengemeinde und der Bürgerschaft Mönchengladbachs die Raumfassung des Innenraums bis auf die Bereiche unter den Emporen des Querhauses zu rekonstruieren. Als Basis für die Restauration des Innenraums der Hauptkirche dienten neben freigelegten Befunden überwiegend historische Fotos. Im November 2011 wurde die Kunstverglasung von 1962 im Bereich der Apsis und unterhalb der Orgelempore durch Entwürfe des Glasbildners Thomas Kuzio ersetzt. 2017 wurde die Ausmalung der Gewölbekappen unter der Orgel- und den Seitenemporen restauriert.
Seit November 2011 ist die Evangelische Hauptkirche Nagelkreuzzentrum.
Daten
Architekt | Johannes Otzen |
Bauleiter | Wilhelm Maack |
Baubeginn | 20. November 1899 |
Datum der Indienststellung | 2. Dezember 1902 |
Veranschlagte Baukosten | 531.000,00 Mark |
Endgültige Baukosten | 603.888,13 Mark |
Ursprüngliche Sitzplatzzahl | 1.294 |
Heutige Sitzplatzzahl | 1.200 |
Höhe des Hauptturms | 72 m |
Denkmalbeschreibung
In der Außenansicht erscheint die Kirche als kurze einschiffige Anlage von vier Jochen mit steilem Satteldach, anstelle eines Querhauses durch zwei gleich hohe Seitenschiffjoche unter abgewalmten Zwerchdächern hallenartig erweitert. Eingezogene, zweidrittelkreisförmig gerundete Apsis mit schlanken Chortürmen, schmales vorspringendes Westjoch, im Süden durch den „Hahnenturm“ flankiert. Im Norden zurückversetzt in den Winkel zwischen Lang- und Querhaus der übergroße Hauptturm, städtebauliches Gegengewicht zum Rathausturm.
Das Gebäude wurde unter Nr. H 020 am 14. Mai 1985 in die Denkmalliste der Stadt Mönchengladbach[1] eingetragen.
Orgel
Die große Orgel auf der Westempore wurde 1902 von dem Orgelbauer Wilhelm Sauer (Frankfurt/Oder) in einem von dem Architekten geplanten Orgelprospekt mit 40 Registern auf drei Manualen und Pedal erbaut. Das Instrument wurde im Laufe der Zeit mehrfach verändert, u. a. im Zuge der Orgelbewegung, als der ursprünglich romantische Charakter entfernt wurde, indem der Klang „aufgehellt“ wurde, und romantische Register durch „barocke“ ausgetauscht wurden. In den Jahren 1985–1986 wurde das Instrument von dem Orgelbauer Karl Schuke (Berlin) umfassend überarbeitet und die Orgel dabei weitgehend in den Zustand von 1902 zurückversetzt.[2] Der originale pneumatische Spieltisch wurde in den 1950er Jahren durch einen neuen elektrischen ersetzt. 1987 bekam die Orgel einen neuen Spieltisch, der äußerlich den Sauer-Spieltischen angeglichen ist. Die Trakturen blieben elektro-pneumatisch: Elektrisch vom Spieltisch bis zum Relais, dann original pneumatisch.[3] Im November/Dezember 2012 wurde die Orgel nach neuesten Erkenntnissen des historischen Klanges der Sauer-Orgeln von der niederländischen Orgelbaufirma Verschueren, Heythuysen, grundlegend neu intoniert. Im Jahr 2021 wurde der Orgelmotor sowie die Elektrik inklusive Setzeranlage durch Orgelbauer Matthias Wagner (Mönchengladbach) erneuert. Ebenfalls wurde im Pedal das Register Quintbass 10 2/3´ nach Dorstfelder Vorbild rekonstruiert.
Von 2002 bis 2022 war Kirchenmusikdirektor Udo Witt Organist der Orgel, ihm folgte im Februar 2022 Pascal Salzmann.[4]
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- Koppeln:
- Normalkoppeln: II/I, III/I, III/II, I/P, II/P, III/P
- Suboktavkoppeln: III/III
- Superoktavkoppeln: I/I, SupI/Ped
- Spielhilfen: Registercrescendo, feste Kombinationen (pp, p, mf, f, ff), Setzeranlage
Weblinks
Einzelnachweise
- Denkmalliste der Stadt Mönchengladbach (Memento des Originals vom 7. Oktober 2014 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Nähere Informationen zur Geschichte der Orgel
- Nähere Informationen zur Orgel
- Kirchenmusiker – Ev. Kirchengemeinde Rheydt. Abgerufen am 4. Februar 2022 (deutsch).