Erstes Seegefecht vor Algeciras
Das Erste Seegefecht vor Algeciras war ein Seegefecht im Rahmen der Koalitionskriege, das am 6. Juli 1801 in der Bucht von Algeciras stattfand. Es wurde zwischen einem kleinen französischen Geschwader, verstärkt durch spanische Küstenbatterien und Kanonenboote, und einem nominell überlegenen Verband britischer Blockadeschiffe ausgetragen.
Die Franzosen unter Konteradmiral Charles-Alexandre Linois suchten mit drei Linienschiffen und einer Fregatte Schutz in der Bucht von Algeciras. Dort wurden sie von sechs britischen Linienschiffen unter Konteradmiral James Saumarez angegriffen. Wegen ungünstiger Windverhältnisse und der Unterstützung der Franzosen durch die Küstenbatterien konnten die Briten ihre Übermacht nicht ausspielen. Nachdem das britische Linienschiff Hannibal im flachen Wasser auf Grund gelaufen und durch konzentriertes Feuer manövrierunfähig geschossen worden war, zog sich das britische Geschwader zurück. Die Hannibal wurde von den Franzosen aufgebracht.
Nur wenige Tage später, am 12. Juli 1801, trafen beide Seiten beim Zweiten Seegefecht von Algeciras erneut aufeinander.
Vorgeschichte
Napoleon Bonapartes Plan
In den Jahren 1800 und 1801 versuchte Napoléon Bonaparte, Erster Konsul der Französischen Republik, die französische Armee nach Ägypten zu entsenden. Mehrere Versuche, die Seeherrschaft im Mittelmeer zurückzugewinnen und Verstärkungen nach Ägypten zu bringen, schlugen fehl. Der Ausbruch von sieben Linienschiffen aus Brest mit 4000 Soldaten an Bord scheiterte im Januar 1801, nachdem Admiral Ganteaume zweimal den Hafen von Toulon hatte ansteuern müssen und im dritten Anlauf erfahren hatte, dass schon eine britische Invasionsarmee in Ägypten gelandet war. Ein anderer Versuch, mit zwei Fregatten 800 Soldaten zu landen, misslang am 19. Februar 1801, als die französische Fregatte Africaine in einem Fregattengefecht von der britischen Fregatte HMS Phoebe erobert wurde.
Napoléon wollte nunmehr die britische Position im Mittelmeerraum schwächen, indem er in der Straße von Gibraltar die britische Seeherrschaft in Frage stellte. Sein Ziel war es, die schwachen Konvois, die Malta und die britische Mittelmeerflotte versorgten, zu bedrohen. Er beabsichtigte somit, Großbritannien zur Aufwendung erheblicher Kräfte zu zwingen, um diese Meerenge zu sichern. Konteradmiral Linois aus Toulon wurde beauftragt, die französischen und spanischen Schiffe in Cádiz zu verstärken. Sein kleines Geschwader bestand aus den drei Linienschiffen Indomptable unter Capitaine de vaisseau Moncousu, Formidable unter Capitaine de vaisseau Lalonde (beide mit jeweils 80 Kanonen) und Desaix unter Capitaine de vaisseau Christy-Pallière (mit 74 Kanonen) sowie der 38-Kanonen-Fregatte Muiron unter Capitaine de fregatte Martinencq. In Cádiz sollten sich das Geschwader mit sechs spanischen Linienschiffen unter dem Befehl von Vize-Admiral Don Juan Joaquin de Moreno vereinen.
Anmarsch des französischen Geschwaders
Am 13. Juni 1801 verließ Linois den Hafen von Toulon mit Kurs auf Cádiz, das er nur von schwachen britischen Seestreitkräften blockiert glaubte. Am 1. Juli 1801 wurden die vier französischen Schiffe von Gibraltar aus gesichtet, während sie gegen vorwiegend westliche Winde vorankreuzten. Zu diesem Zeitpunkt befand sich nur die 14-Kanonen Sloop Calpé im Hafen von Gibraltar. Am 3. Juli gelang es dem französischen Geschwader, die 14-Kanonen Sloop Speedy unter Commander Thomas Cochrane zu erobern. Gleichzeitig stellte Linois fest, dass Cádiz von sieben britischen Linienschiffen blockiert wurde. Am 4. Juli segelte er gegen 10 Uhr morgens um Cabrita Point und ankerte gegen 17 Uhr auf der Reede von Algeciras. Dort war sein Geschwader allerdings jederzeit von Gibraltar aus zu sehen.
Vorbereitungen zum Gefecht
Der englische Anmarsch
Das britische Geschwader, das Cádiz blockierte, bestand aus dem 80-Kanonen-Linienschiff HMS Caesar unter Kapitän Jahleel Brenton und den 74-Kanonen-Linienschiffen HMS Pompée unter Kapitän Charles Sterling, HMS Spencer unter Kapitän Henry Darby, HMS Venerable unter Kapitän Samuel Hood, HMS Superb unter Kapitän Richard Goodwin Keats, HMS Hannibal unter Kapitän Solomon Ferris, HMS Audacious unter Kapitän Shuldham Peard und der Fregatte HMS Thames. Konteradmiral Saumarez hatte seine Flagge auf HMS Caesar gesetzt.
Am 5. Juli um zwei Uhr morgens erhielt Saumarez die Nachricht von der Ankunft des französischen Geschwaders in Algeciras. Zu diesem Zeitpunkt hatte er nur sechs Linienschiffe vor Cádiz, da die Superb vor der Mündung des Guadalquivir lag. Das britische Geschwader nahm daraufhin Kurs auf Algeciras. In der Morgendämmerung traf ein Boot mit der Meldung ein, dass das französische Geschwader in Algeciras ankere. Saumarez entsandte die Fregatte Thames, um die HMS Superb darüber zu unterrichten und ihr zu befehlen, Cádiz zu blockieren.
Am 5. Juli um 8 Uhr morgens gab Saumarez das Signal, sich auf ein Gefecht vorzubereiten. Die sechs Linienschiffe kamen zunächst bei einer mäßigen Brise aus nordwestlicher Richtung noch gut voran. Kurz darauf trat Windstille ein, ein Vorzeichen für die widrigen Wetterbedingungen, die auch am 6. Juli herrschen sollten. Das Geschwader wurde von der Venerable angeführt, da man sich die Ortskenntnisse des Kommandanten zu Nutze machen wollte. Um 4 Uhr morgens war das Geschwader vor Algeciras angelangt. Um 7 Uhr morgens umrundete die Venerable Cabrita Point und signalisierte, dass das französische Geschwader in Sicht sei. Auch auf den französischen Schiffen hatte man das sich nähernde britische Geschwader gesichtet. Auf dem britischen Flaggschiff Caesar wurde das Signal zum Angriff gegeben.
Aufstellung der französischen und spanischen Kräfte
Südlich und nördlich der Stadt befanden sich zwei Forts, und eine Geschützbatterie (San-Iago) lag vor der Stadt, welche mit ihren Geschützen die Reede verteidigen sollten. Vor der Küste liegt die kleine Insel Isla Verda, auf der eine Batterie mit sieben 24-pfündigen Geschützen lag. Im Hafen von Algeciras ankerten 14 spanische Kanonenboote, die zusätzliche Unterstützung gewähren sollten.
Das französische Flaggschiff Formidable ankerte nahezu direkt unter der Geschützbatterie von San Iago, die Desaix befand sich dahinter. Wiederum dahinter lag die Indomptable. Zwischen ihr und der Küste ankerte die Fregatte Muiron. Die Kanonenboote wurden aufgeteilt, um das Geschwader zusätzlich zu sichern. Drei Kanonenboote wurden 400 m südwestlich der Isla Verda, vier zwischen San Iago und der Formidable positioniert. Die verbliebenen sieben Kanonenboote befanden sich in der Nähe des nördlichen Forts.
Verlauf des Gefechtes
Um 7 Uhr 50 hatte die Pompée Cabrita Point umsegelt und es trat wieder vorübergehende Windstille ein. Gegen 8 Uhr segelte die Venerable voraus der Pompée und dahinter die Audacious, während sich die britischen Schiffe weiter dem französischen Geschwader näherten. Die anderen drei britischen Schiffe waren noch drei Seemeilen achteraus. Um 8 Uhr 30 war die Pompée auf Höhe der Isla Verda und wurde erstmals von allen französischen Schiffen auf weite Entfernung beschossen. Die Pompée antwortete mit je einer Breitseite auf die Desaix und die Formidable. Um 8 Uhr 45 ließ sie ihren Anker in der Nähe der Formidable fallen und eröffnete Feuer auf letztere, welche sich näher an die Küste heranwarpte und versuchte, den Abstand zu vergrößern. Um 8 Uhr 50 ließ die Audacious und um 8 Uhr 55 die Venerable die Anker fallen. Die Audacious ankerte in der Nähe der Indomptable und die Venerable achtern der Formidable. Damit begann ein Feuergefecht zwischen den drei britischen Linienschiffen auf der einen Seite und den vier französischen Schiffen, den spanischen Batterien und Kanonenbooten auf der anderen. Nach weniger als einer halben Stunde stellte die Formidable ihr Feuer ein, und die Pompée schwang herum, so dass sie wehrlos mit ihrem Bug zur Formidable lag, und eröffnete mit der Steuerbordbreitseite das Feuer auf die Batterie San Iago und die dort liegenden spanischen Kanonenboote. Dabei wehrten sich die spanischen Verteidiger nach Kräften und hielten das Feuer aufrecht.
Um 9 Uhr 15 erreichte die Caesar den Schauplatz des Gefechtes, und Konteradmiral Saumarez ließ das Signal zum Ankern setzen. Die Caesar warf ihren Anker voraus der Audacious und eröffnete das Feuer auf die Desaix. Fünf Minuten später ankerte die Hannibal. Lediglich die Spencer konnte nicht näher kommen, da sie kaum vorankam; sie blieb außerhalb des eigentlichen Gefechtsgebietes und wurde von den spanischen Batterien als Ziel aufgefasst.
Kurz nach 10 Uhr vormittags erhielt die Hannibal den Befehl, zur Unterstützung der Pompée die Formidable anzugreifen. Sie kappte daraufhin ihr Ankertau und versuchte, Kurs auf die Formidable zu nehmen. Dabei lief sie gegen 11 Uhr, in Rufweite der Formidable, auf Grund. In dieser Situation verteilte sie ihr Geschützfeuer: Die vorderen Geschütze feuerten auf die Formidable, die übrigen nahmen das Fort Torre del Almirante, die Batterie von San-Iago und die Kanonenboote unter Beschuss. Gleichzeitig versuchte die Besatzung, ihr Schiff wieder flott zu machen.
Die britischen Linienschiffe versuchten derweil, näher an die französischen Linienschiffe herankommen. Daraufhin erteilte Konteradmiral Linois den Befehl, die Anker zu kappen und die Schiffe auf den Strand zu setzen. Die Indomptable strandete nordöstlich der Isla Verda, die Desaix lief direkt vor der Stadt auf den Strand. Die Formidable trieb mit ihrer Backbordseite auf den Strand zu.
Saumarez suchte nun aus dieser Situation Vorteil zu ziehen. Er gab ebenfalls den Befehl, die Anker zu kappen. Audacious, Venerable und Caesar näherten sich der Indomptable, warfen neue Anker und feuerten auf das französische Linienschiff. Kurz vor Mittag segelte die Audacious zwischen der Caesar und der Indomptable hindurch. Die Spencer, die noch weit draußen war, beschoss die spanischen Kanonenboote und die Isla Verda. Indessen wurden von den gestrandeten französischen Linienschiffen Teile ihrer Besatzungen zu den spanischen Küstenbatterien als Verstärkung geschickt.
Die schwer beschädigte Pompée musste von allen verfügbaren britischen Ruderbooten aus dem Gefechtsgebiet und nach Gibraltar geschleppt werden. Die Audacious, die die Indomptable unter Feuer hielt, und die Caesar wurden von der Isla Verda mit großem Erfolg beschossen. Kurzzeitig überlegte Konteradmiral Saumarez, die Isla Verda mit einem Landungskommando zu erobern, doch standen dazu keine Boote zur Verfügung. Gegen 13 Uhr 30 befahl Saumarez schließlich den Abbruch des Gefechtes. Die vier noch manövrierfähigen britischen Linienschiffe lichteten Anker und segelten aus der Bucht. Die spanischen Geschütze feuerten Brandgeschosse auf die abziehenden britischen Schiffe, wodurch an Bord der Caesar und der Spencer kleinere Brände entstanden.
Die Hannibal blieb allein in der Bucht von Algeciras gestrandet zurück. Vormast und Großmast waren bereits weggeschossen. Das Feuer der spanischen Küstenbatterien und Kanonenboote konzentrierte sich nun auf das manövrierunfähige Schiff. Gegen 14 Uhr strich die Hannibal die Flagge. Das Feuer wurde eingestellt. Zu diesem Zeitpunkt waren viele Kanonen an Bord der Hannibal aus den Lafetten geworfen und unbrauchbar.
Ergebnis
Das britische Geschwader verzeichnete insgesamt 121 Gefallene, 240 Verwundete und 14 Vermisste. Über die Verluste Frankreichs und Spaniens sind keine verlässlichen Zahlen vorhanden. Nach verschiedenen Quellen wurden bis zu 306 Soldaten getötet und bis zu 500 verwundet. Auch die Kommandanten der französischen Schiffe Formidable und Indomptable, Moncousu und Lalonde, waren gefallen. Takelage und Rümpfe aller französischen Schiffe wurden beschädigt. Fünf spanische Kanonenboote waren versenkt und zwei schwer beschädigt worden. Auch die Befestigungsanlagen an Land nahmen Schaden durch das Kanonenfeuer der britischen Schiffe.
Nach Verhandlungen am 7. Juli 1801 wurden Capt. Ferris und seine Offiziere auf Ehrenwort beurlaubt. Auch die verwundeten Seeleute der Hannibal wurden nach Gibraltar gebracht. Ebenso wurden Commander Lord Cochrane und seine Offiziere von der HMS Speedy nach Gibraltar beurlaubt. Capt. Ferris wurde am 1. September 1801 von einem Admiralitätsgericht wegen des Verlustes der Hannibal freigesprochen.
Belletristische Rezeption
Die Schlacht sowie das anschließende zweite Gefecht wurden von Patrick O’Brian in seinem Roman „Kurs auf Spaniens Küste“ verarbeitet.
Literatur
- William James. Naval History of Great Britain. Volume III. London 1837. S. 111–122. (Google-Books, PDF)
- Alfred Thayer Mahan. The Influence of Sea Power upon History. – New York: Little, Brown & Co, 1890 (Neuausgabe der 5. Auflage von 1894: Dover Publications, 1987. ISBN 0-486-25509-3) online, englisch
- Jason R. Musteen. The Battles of Algeciras and the Gut of Gibraltar: French Victory and Saumarez’s Revenge, 1801. In: Becoming Nelson’s Refuge and Wellington’s Rock: The Ascendancy of Gibraltar During the Age of Napoleon (1793–1815). S. 53–86. (PDF; 5,7 MB)