Epsilontik
Die Epsilontik ist ein Begriff aus der Analysis. Sie wird verwendet, um Begriffe wie Grenzwert oder Stetigkeit mathematisch exakt zu formulieren. Die Bezeichnung leitet sich von dem griechischen Buchstaben Epsilon ab, der für eine (kleine) positive reelle Zahl steht. Zentraler Begriff in der Epsilontik ist die -Umgebung, also das offene Intervall um eine reelle Zahl a.
Anwendungen
Die Epsilontik wird zum Beispiel bei den folgenden Definitionen verwendet:
Historisches
Die Epsilontik geht auf Karl Weierstraß zurück, der erstmals die -Umgebungen zur Definition des Grenzwerts eingeführt hat.[1] Hatte man vorher intuitiv mit Bewegungsvorstellungen argumentiert – "strebt gegen" oder "wird beliebig klein" – so stellte nun die Epsilontik den Grenzwertbegriff auf ein stabiles mathematisches Fundament, das exakte Definitionen und Beweisführungen ermöglicht. Dies war ein wichtiger Beitrag für die gesamte Analysis, für die der Grenzwertbegriff von zentraler Bedeutung ist.
Beispiel
Das Vorgehen mit Hilfe der Epsilontik soll am Beispiel der Definition für die Konvergenz einer Zahlenfolge und einem entsprechenden Beweis für eine konkrete Folge gezeigt werden.
Definition
Eine Folge reeller Zahlen konvergiert gegen den Grenzwert , wenn es zu jeder Zahl mit eine Zahl gibt, so dass für jeden Index gilt: .
Oder in den beiden gebräuchlichen Quantoren-Schreibweisen:
Eine Folge reeller Zahlen konvergiert genau dann gegen den Grenzwert , wenn
1 | ||||
2 | ||||
zu lesen als: | Für alle Epsilon größer null | existiert ein , für das gilt, dass | für alle gilt: | Betrag von fn minus g ist kleiner als Epsilon. |
Das bedeutet, dass es für jede noch so kleine positive Zahl einen Index gibt – der im Allgemeinen von abhängt – so dass alle weiteren Folgenglieder in der -Umgebung des Grenzwertes liegen.
Satz
Die Folge konvergiert gegen den Grenzwert .
Beweis
Es sei > 0, d. h. eine -Umgebung des Grenzwertes wird vorgegeben. Der Ausdruck
soll nun für kleiner als werden. Dies wir erreicht, wenn man so wählt, dass ist. Denn dann ist für alle
- .
Verallgemeinerungen
Der Begriff der -Umgebung einer Zahl auf der Zahlengeraden, kann auf die kreisförmige offene Umgebung in der Ebene, die kugelförmige im Raum oder allgemein zum Begriff der -Umgebung in metrischen Räumen verallgemeiner werden.
Eine weitere Verallgemeinerung stellt der Begriff der offenen Menge in einem topologischen Raum dar.
Anmerkungen
- Vereinzelt wird der Begriff Epsilontik auch leicht abwertend verwendet, etwa wenn der Routinecharakter von Beweisen betont werden soll.[2]
- „Sei “ ist ein Witz, über den – wenn überhaupt – nur Mathematiker lachen können. Er beruht darauf, dass Beweise mit Hilfe der Epsilontik meist mit dem Satz „Sei “ beginnen.
Siehe auch
Einzelnachweise
- Harro Heuser: Lehrbuch der Analysis. Teil 2. B. G. Teubner, Stuttgart 1990, ISBN 3-519-42222-0, S. 696 f.
- Epsilontik. In: Guido Walz (Hrsg.): Lexikon der Mathematik. 1. Auflage. Spektrum Akademischer Verlag, Mannheim/Heidelberg 2000, ISBN 3-8274-0439-8.
Literatur
- K. Endl / W. Luh: Analysis. Band 1. Akademische Verlagsgesellschaft, 1972, ISBN 3-400-00185-6.
- K. Endl / W. Luh: Analysis. Band 2. Akademische Verlagsgesellschaft, 1973, ISBN 3-400-00206-2.
- B. v. Querenburg: Mengentheoretische Topologie. Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York, 1976, ISBN 3-540-06417-6.