Eisenbahnunfall von Weinheim
Der Eisenbahnunfall von Weinheim am 23. September 1848 wurde durch eine Sabotage von Revolutionären an der Main-Neckar-Bahn verursacht. Dies ist der älteste in Deutschland dokumentierte Anschlag auf eine Eisenbahn.
Ausgangslage
Der September-Aufstand in Frankfurt, in dem sich nationalistisch-demokratische Kräfte erhoben, wurde am 18. September 1848 sehr schnell von Militär niedergeschlagen, das von der Bundesfestung Mainz und aus Darmstadt in kürzester Zeit mit der Bahn nach Frankfurt gebracht worden war – die Revolutionäre hatten es versäumt, die Bahnstrecken zu blockieren.[1]
Am 21. September 1848 war der Revolutionär Gustav Struve mit 50 Mann aus dem schweizerischen Basel in das badische Lörrach gezogen und hatte dort vom Balkon des Rathauses aus die Deutsche Republik ausgerufen.
Mit etwa 4000 Freischärlern zog er weiter Richtung Karlsruhe, kam jedoch nur bis Staufen, wo 800 großherzoglich-badische Soldaten die Freischärler am 24. September 1848 im Gefecht um Staufen schlugen, womit die Aktion gescheitert war.
Sabotage
Um zu verhindern, dass hessische Truppen mit der Eisenbahn dem badischen Militär, das gegen Struve und seine Freischärler eingesetzt wurde, schnell zu Hilfe eilen konnten, lösten in der Nacht des 23. September 1848 Revolutionäre aus dem Odenwald in der Nähe der Stelle, an der die Main-Neckar-Bahn bei Weinheim die hessisch-badische Grenze querte, Kleineisen an den Schwellen und untergruben ein Gleisjoch.[2] Beteiligt waren daran auch Nicolaus Schaab aus Reisen mit drei seiner Söhne.[3]
Unfallhergang und Folgen
Zwei Lokomotiven, die einen Leerzug zogen, entgleisten auf den gelockerten Schienen und stürzten vom Bahndamm. Das Zugpersonal kam mit dem Leben davon,[4] es entstand erheblicher Sachschaden.[5]
Nicolaus Schaab und zwei seiner am Anschlag beteiligten Söhne wurden im Großherzogtum Hessen festgenommen und ein Strafverfahren gegen sie wegen Betheiligung an der Zerstörung der Main-Neckar-Eisenbahn, in hochverrätherischer Absicht eingeleitet. Der dritte Sohn, Georg Adam Schaab, entzog sich der Verhaftung durch Flucht.[6] Ende Mai 1849 befanden sich die Verhafteten weiterhin in Untersuchungshaft. Wohl Ende 1849[7] wurden der Vater zu sechs Jahren Zuchthaus, die Söhne zu Gefängnisstrafen durch ein Geschworenengericht[Anm. 1] verurteilt.[8]
Weitere Beteiligte wurden in Baden festgenommen. Diese wurden jedoch im Zuge der Revolution von 1848 im Großherzogtum Baden befreit und die Ermittlungsakten von den Revolutionären verbrannt.[9]
Wissenswert
Eine Reproduktion der Zeichnung zum Unfallbericht wurde in der Dauerausstellung des Verkehrsmuseums Nürnberg präsentiert.
Der geflohene Georg Adam Schaab, „ohne besonderes Gewerbe“, 1849 war er 20[10] oder 22[11] Jahre alt, griff in Ober-Laudenbach am 24. Mai 1849 den Direktor der Regierungskommission des Regierungsbezirks Heppenheim, Christian Prinz, zunächst verbal wegen der Inhaftierung seines Vaters und seiner Brüder an.[12] Anschließend soll er einer derjenigen gewesen sein, die auf den Direktor der Regierungskommission schossen.[13] Der Direktor der Regierungskommission wurde tödlich getroffen. Das Attentat löste das Ober-Laudenbacher Gefecht aus. Georg Adam Schaab gelang die Flucht – letztendlich in die USA.[14]
Literatur
- Anklage-Akt des Staats-Anwaltes am Criminalsenate des Großherzoglich Hessischen Hofgerichts der Provinz Starkenburg, auf Grund des Verweisungsurteils des genannten Gerichtshofes vom 11. und 12. April 1851, gegen Dr. Ferdinand von Löhr, praktischer Arzt aus Worms, und acht und achtzig Consorten, wegen der mit den Volksversammlungen zu Erbach und Oberlaudenbach zusammenhängenden Verbrechen, bestehend in Hoch- und Landesverrath, Aufruhr Todtschlag, Erpressung, Widersetzung, Gewaltthätigkeit und Drohung. Darmstadt 1851.
- Eckhart G. Franz, Peter Fleck, Fritz Kallenberg: Großherzogtum Hessen (1800) 1806–1918. In: Walter Heinemeyer, Helmut Berding, Peter Moraw, Hans Philippi (Hg.): Handbuch der Hessischen Geschichte. Band 4.2: Hessen im Deutschen Bund und im neuen Deutschen Reich (1806) 1815–1945. Die hessischen Staaten bis 1945 = Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen 63. Elwert. Marburg 2003. ISBN 3-7708-1238-7
- Michael Wettengel: Die Revolution 1848/49 im Rhein-Main-Raum. Politische Vereine und Revolutionsalltag im Großherzogtum Hessen, Herzogtum Nassau und in der freien Stadt Frankfurt = Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Nassau 49. Historische Kommission für Nassau, Wiesbaden 1989.
- Thomas Wunschel: Aus niederen Gründen – Sabotage und Attentate als Unfallursache. In: Martin Weltner: Bahn-Katastrophen. Folgenschwere Zugunfälle und ihre Ursachen. München 2008, ISBN 978-3-7654-7096-7, S. 132–135.
Anmerkungen
- Das muss aufgrund damaliger Zuständigkeitsregeln das Strafgericht am Hofgericht Darmstadt gewesen sein.
Einzelnachweise
- Wettengel, S. 272.
- Wettengel, S. 273; Franz/Fleck/Kallenberg: Großherzogtum Hessen, S. 820.
- Anklage-Akt, S. 27, 30.
- Wunschel, S. 132.
- Wettengel, S. 273.
- Anklage-Akt, S. 69.
- Anklage-Akt, S. 69.
- Anklage-Akt, S. 27, 69.
- Anklage-Akt, S. 69.
- Anklage-Akt, S. 69.
- Anklage-Akt, S. IV.
- Anklage-Akt, S. 27.
- Anklage-Akt, S. IV, 69, 82.
- Werner Horneff: Volksversammlung am 24. Mai 1849 in Ober-Laudenbach. In: Geschichtsblätter Kreis Bergstraße 32 (1999), S. 161–170 (168).