Ehren-Wanderpreis für deutsche Männergesangvereine
Der Ehren-Wanderpreis für Deutsche Männergesangvereine, allgemein als Kaiserkette bezeichnet,[1] wurde durch Kaiser Wilhelm II. durch Erlass vom 27. Januar 1895 gestiftet. Vom Minister für geistliche etc. Angelegenheiten[2] erwartete Wilhelm II. Vorschläge über die Veranstaltung des Wettbewerbes und die Verleihung des Ehrenpreises mit dem Hinweis, dass der Wanderpreis „bei einem etwa jährlich zu veranstaltendem Wettstreite deutscher Männergesangvereine dem … Sieger für die beste Leistung auf diesem Gebiete zuerkannt werden soll.“[3] Die Gestaltung des Preises war als Kette vorgesehen: „Der Preis soll in Form eines Kleinodes aus edlem Metall hergestellt und bei feierlichen Gelegenheiten um den Hals getragen werden.“[4]
In einem weiteren Erlass an Bord seiner Yacht Hohenzollern in Travemünde vom 2. Juli 1898 teilte Wilhelm II. dem zuständigen Minister mit, „dass der erste Gesangwettstreit im Sommer 1899 in Cassel stattfindet“.[5] Am 28. Dezember 1898 legte der Kaiser als Zeitraum für den „ersten Wettstreit deutscher Männergesangvereine“ den 26. und 27. Mai 1899 fest. Er berief den Oberpräsidenten von Hessen-Nassau zum „Vorsitzenden der Ortscommision in Cassel“ und ernannte zugleich die 51 Mitglieder dieser Kommission, die ihm „Vorschläge … über die Gestaltung des Festes“ zu unterbreiten hatte.[6] Der Kommission gehörten der Oberbürgermeister, der Vizebürgermeister, ein Kapellmeister, ein Musikdirektor, der Stadtverordneten-Vorsteher Stadträte, der Polizeipräsident, Architekten, Verwaltungsbeamte, Ärzte, Juristen Kaufleute, Handwerksmeister und weitere Honoratioren der Stadt Kassel an. Die Berufung der Preisrichter behielt sich Wilhelm II. ebenfalls vor. Er ernannte die Preisrichter aus einem Kreis von Fachleuten, darunter Musikprofessoren, Musikdirektoren und Kapellmeister.
Den Entwurf für den Ehrenwanderpreis, auch Kaiserpreis genannt, fertigte Professor Anton Seder in Strassburg an und die Ausführung der Kette erfolgte im Atelier des Hofgoldschmiedes Theodor Heiden in München.[7] Für die Durchführung des Wettbewerbs wurden von Anfang an detaillierte Bestimmungen erlassen und in dem jeweiligen Festbuch in der geltenden Fassung[8] veröffentlicht. Aufgrund der gewonnenen Erfahrungen wurden die „Bestimmungen über die Ausführung des Wettstreites Deutscher Männergesangverein …“ von ursprünglich 11 auf 14 Regelungen bis zu den letztmals in Frankfurt am Main im Jahre 1913 durchgeführten Gesangswettbewerben erweitert.
Die Kaiserkette gewannen im Wechsel der Kölner Männer-Gesang-Verein (1899 und 1909) und der Berliner Lehrergesangverein unter der Leitung von Felix Schmidt (1903 und 1913).[9]
Als Wanderpreis wurde die Kaiserkette zwischen den Wettbewerben jeweils in der Stadt des siegreichen Chores verwahrt. In der Nacht vom 20. auf den 21. Juni 1912 wurde sie aus der Kölner Eigelsteintorburg entwendet. Die Täter wurden gefasst, allerdings hatten sie die Kette zerstört, um sie zu Geld zu machen. So musste der Kölner Männer-Gesang-Verein auf Veranlassung des Kaisers eine neue Kette anfertigen lassen. Da die ursprünglichen Modelle noch vorhanden waren, konnte Theodor Heiden eine genaue Replik anfertigen.[10] Der peinliche Verlust war ein beliebtes Thema im Kölner Karneval 1913. De fotte Kaiserkett wurde noch 1973 Thema eines WDR-Hörspiels in kölscher Mundart.[11]
Durch den Ersten Weltkrieg und die Revolution 1918 fand nach 1913 kein Wettbewerb mehr statt. Die Auszeichnung blieb im Besitz des Berliner Lehrer-Gesangvereins, der sie 1913 gewonnen hatte[12]; sie ging jedoch in den Wirren der unmittelbaren Nachkriegszeit 1945 verloren.[13]
Einzelnachweise
- Detailgenaue Abbildung z. B. In: Festbuch zum 2. Gesang-Wettstreit, Frankfurt a. M., 1903, S. 24f. und auf einer zeitgenössischen Ansichtskarte mit der Bildunterschrift: "Die gestohlene Kaiserkette", die nach dem Diebstahl des Originals in Köln im Jahre 1912 vom dort ansässigen Verlag Johannes Böttger unter Nr. 12933 herausgegeben wurde: Digitalisat
- Aufgaben: Preußisches Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten, siehe unter diesem Stichwort bei Wikipedia
- Festbuch zum I. Gesang-Wettstreit (Kassel 1899) S. 8
- Allerhöchster Elass vom 27. Januar 1895 In: Festbuch zum I. Gesang-Wettstreit Deutscher Männergesangvereine (Kassel 1899) S. 8
- Allerhöchster Erlass vom 2. Juli 1898 In: Festbuch zum I. Gesangwettstreit, S. 9
- Allerhöchster Erlass vom 28. Dezember 1898 In: Festbuch zum I. Gesangwettstreit, S. 14ff.
- Festbuch zum II. Gesang-Wettstreit (Frankfurt a. M. 1903), S. 25
- Abgedruckt In: Festbuch zum I. Gesang-Wettstreit (Kassel 1899), S. 8–10, Bestimmungen in der Fassung vom 27. Januar 1895; Festbuch zum II. Gesang-Wettstreit (Frankfurt a. M. 1903), S. 10–12, Abänderungen vom 4. Juni 1902 S. 14f; Festbuch zum III. Gesangwettstreit (Frankfurt a. M 1909) S. 8–10; Offizielles Festbuch zum IV. Wettstreit Deutscher Männergesangvereine um den von Sr. Majestät dem Kaiser und König gestifteten Wanderpreis vom 5. bis 8. Mai 1913 Frankfurt am Main S. 6–9, Verleger und Herausgeber: Der vereinigte Musik- und Presseausschuss. Druck des Textes: August Osterrieth. Herstellung des Umschlags: Klimschs Druckerei J. Maubach & Co. Zeichnung der Text-Illustrationen: Architekt Ludwig Grüning. Entwurf der Umschlagzeichnung: Kunstmaler Otto Linnemann. Sämtlich Frankfurt a. M.
- 75 Jahre Berliner Lehrer-Gesangverein 1887 - 1962. von Schulrat Berthold Feige. Hrsg.: BERLINER LEHRER-GESANG-VEREIN E.V. (Berlin 1962), Kapitel „Gründung und Aufstieg“ (nach der Titelseite unnummeriert S. 3f.); Nachfolger: Berliner Lehrerchor (BLGV)
- Deutsche Goldschmiede-Zeitung 15 (1912), S. 207
- De fotte Kaiserkett in der Hórspiel-Datenbank, abgerufen am 22. April 2021
- Die Kaiserkette des Berliner Lehrergesangvereins, in: Die Stimme: Centralblatt für Stimm- und Tonbildung 1921, S. 190
- www.berliner-lehrerchor.de, abgerufen am 22. April 2021
Literatur
- Tilo Wahl: Im Liede stark – deutsch bis ins Mark. Der Ehren-Wanderpreis für Deutsche Männergesangsvereine. In: Orden und Ehrenzeichen. Das Magazin für Freunde der Phaleristik, Hrsg.: Deutsche Gesellschaft für Ordenskunde, Heft 119, 21. Jahrgang, Gäufelden 2019. ISSN 1438-3772.