Diskriminierung von Menschen mit HIV/AIDS
Diskriminierung von Menschen mit HIV/AIDS oder Serophobie bezeichnet Vorurteile, Furcht, soziale Ablehnung und Diskriminierung von Menschen mit HIV/AIDS (PLHIV, people living with HIV/AIDS). Die Diskriminierung ist eine Manifestation von Stigmatisierung; stigmatisierende Einstellungen und Verhaltensweisen können je nach Gesetzgebung eines Landes unter die Rubrik Diskriminierung fallen. HIV steht für human immunodeficiency virus (deutsch: Menschliches Immunschwäche-Virus). Wenn HIV unbehandelt bleibt, kann es zur Krankheit AIDS (acquired immunodeficiency syndrome) führen.[1] HIV/AIDS ist eine Geschlechtskrankheit und kann nicht geheilt werden. Bei richtiger Behandlung kann der Einzelne jedoch genauso lange leben wie ohne die Krankheit.
Diskriminierung aufgrund von HIV/AIDS besteht weltweit und führt zu einer geringen Beteiligung bei HIV-Beratungen und -Tests, zu Identitätskrisen, sozialer Isolation, Einsamkeit, geringem Selbstwertgefühl sowie mangelndem Interesse an der Eindämmung der Krankheit.[2]
Die Stigmatisierung betrifft vor allem Homosexualität, Bisexualität, Promiskuität, Sexarbeit, und intravenösen Drogenkonsum.
In vielen Industriestaaten besteht eine starke Korrelation zwischen HIV/AIDS und männlicher Homosexualität bzw. Bisexualität[3] und die Assoziation korreliert mit dem Niveau von sexuellen Vorurteilen und homophoben Einstellungen.[4][5] Frühere Namen für AIDS waren gay cancer (deutsch: Schwulen-Krebs) und gay related immune deficiency (GRID, deutsch: schwulenbezogene Immunschwäche). In den frühen 1980er Jahren galt HIV/AIDS als „eine Störung, die hauptsächlich männliche Homosexuelle betrifft“.[6]
Beispiele schwerwiegender Diskriminierung sind: Ausschluss von der Bewerbung für einen Arbeitsplatz, Verbot des Kaufs von Wohnraum, zusätzliche Kosten bei der Anmietung von Wohnraum, obligatorische HIV-Tests ohne vorherige Zustimmung oder Sicherstellung der Vertraulichkeit, die Quarantäne von HIV-infizierten Personen und in einigen Fällen der Verlust von Eigentumsrechten, wenn ein Ehepartner stirbt.[7] Die Behindertengesetze der Vereinigten Staaten verbieten HIV/AIDS-Diskriminierung in den Bereichen Wohnen, Beschäftigung, Bildung und Zugang zu Gesundheits- und Sozialdiensten.[8]
Strukturelle Gewalt
Strukturelle Gewalt ist ein wichtiger Faktor bei der Behandlung von Menschen mit AIDS. Paul Farmer argumentiert, dass soziale Faktoren, die das Leben bestimmter Kulturkreise beeinflussen, ihr Infektionsrisiko und ihre Fähigkeit verändern, Zugang zur Behandlung zu erhalten.[9] Der Zugang zur Prophylaxe, der Zugang zur antiretroviralen Therapie sowie die Anfälligkeit für Krankheiten und Unterernährung sind alles Faktoren, die das Gesamtrisiko der Menschen für Krankheiten aufgrund von HIV/AIDS verändern. Dies führt zu einem großen Unterschied in der Krankheitsrate aufgrund von HIV/AIDS in verschiedenen sozialen/kulturellen Gruppen.[10] Farmer vertritt auch die Meinung, dass soziale Interventionen entscheidend sein können, um die Behandlungslücke zwischen diesen Personengruppen zu verringern. Die Aufklärung von Ärzten über die Wechselwirkungen zwischen sozialem Leben und Gesundheitsversorgung würde helfen, die Ungerechtigkeiten im Gesundheitswesen auszugleichen.
Gewalt
Diskriminierung, die gewalttätig ist oder Gewalt droht, hält viele Menschen davon ab, sich auf HIV testen zu lassen, was bei der Heilung des Virus jedoch nicht hilfreich ist.
Gewalt ist ein wichtiger Faktor bei der Behandlung von Menschen mit AIDS. Eine Studie über HIV-positive in Südafrika zeigt, dass von 500 Teilnehmern 16,1 % angaben, körperlich angegriffen zu werden, wobei 57,7 % derjenigen auf intime Partner wie Ehemänner und Ehefrauen zurückzuführen sind. Die verfügbaren Daten zeigen hohe Raten von Probanden, die sich sozial von Freunden und Familie isolieren, sowie die Vermeidung von Behandlungen in Krankenhäusern oder Kliniken aufgrund zunehmender verinnerlichter Ängste.[11] Jede Gewalt gegen HIV-infizierte Personen oder Menschen, die als HIV-infiziert wahrgenommen werden, kann den Behandlungsfortschritt als Reaktion auf die Ausbreitung der Krankheit schwerwiegend beeinträchtigen.
Paul Farmer führt an, dass soziale Faktoren, die das Leben bestimmter Kulturkreise beeinflussen, ihr Infektionsrisiko und ihre Fähigkeit, Zugang zur Behandlung zu erhalten, verändern.[12] Der Zugang zur Prophylaxe, der Zugang zur antiretroviralen Therapie, die Anfälligkeit für Krankheiten und Unterernährung sind alles Faktoren, die das Gesamtrisiko der Menschen für Krankheiten aufgrund von HIV/AIDS verändern. Dies führt zu einem großen Unterschied in der Krankheitsrate durch HIV/AIDS in verschiedenen sozialen und kulturellen Gruppen. Farmer argumentiert auch, dass soziale Interventionen entscheidend sein können, um die Behandlungslücke zwischen diesen Personengruppen zu schließen. Die Aufklärung von Ärzten über die Wechselwirkungen zwischen sozialem Leben und Gesundheitsversorgung würde helfen, die Ungerechtigkeiten im Gesundheitswesen auszugleichen.
Einfluss auf die Gesellschaft
Stigmatisierung
Das HIV/AIDS-Stigma wurde in die folgenden drei Kategorien eingeteilt:
- Instrumentales AIDS-Stigma – ein Spiegelbild der Angst und Befürchtung, die wahrscheinlich mit jeder tödlichen und übertragbaren Krankheit verbunden ist.[13]
- Symbolisches AIDS-Stigma – die Verwendung von HIV/AIDS, um Einstellungen gegenüber den sozialen Gruppen oder Lebensstilen auszudrücken, die als mit der Krankheit verbunden angesehen werden.[13]
- Courtesy AIDS stigma – AIDS-Stigmatisierung von Menschen, die mit dem Thema HIV/AIDS oder HIV-positiven Menschen in Verbindung stehen.[4]
Forschungen in Südafrika, über die Stigmatisierung und Diskriminierung in Gemeinschaften, haben ergeben, dass HIV-Infizierte nicht nur ein hohes Maß an Stigmatisierung erlebt, das sich negativ auf alle Bereiche ihres Lebens auswirkt, sondern auch psychologisch einwirkt. Verinnerlichtes Stigma und Diskriminierung wuchsen in der Studie, aber auch in der gesamten HIV-Gemeinschaft. Viele HIV-positive in Südafrika gaben sich selbst die Schuld für ihre aktuelle Situation.[14]
Stigma, so das Merriam-Webster’s Collegiate Dictionary, ist „eine Reihe von negativen und oft unfairen Überzeugungen, die eine Gesellschaft oder Gruppe von Menschen über etwas hat“ (engl. Original: a set of negative and often unfair beliefs that a society or group of people have about something).[15] Stigma wird oft durch Diskriminierung, gefühllose Handlungen und Fanatismus erzwungen. HIV-Infizierte haben als Reaktion darauf selbstzerstörerische Denkweisen und Bewältigungsfähigkeiten entwickelt, um mit den sozialen Auswirkungen umzugehen, anstatt ihren aktuellen Status zu akzeptieren und Hilfe zu suchen.
HIV-positive haben oft mit Stigmatisierung zu kämpfen, auch wenn dies mit den richtigen Medikamenten eine überschaubare lebenslange Krankheit sein kann. Inzwischen kann eine HIV-positive Person eine intime Beziehung führen, ohne die Krankheit weiterzugeben. Es ist auch möglich, dass eine Mutter, die HIV-positiv ist, HIV nicht an ihr Kind weitergibt.[16] In Entwicklungsländern werden Menschen, die HIV+ sind, bei der Arbeit, in der Schule, in ihrer Gemeinde und sogar in Gesundheitseinrichtungen diskriminiert.[17] Diskriminierung kann auch die Ausbreitung von HIV verstärken, weil weniger Menschen getestet werden wollen.
Gesellschaftliche Beziehungen
In Ländern wie Nigeria ist es demzufolge weniger wahrscheinlich, dass eine Person ihren HIV-Status preisgibt, da die Auswirkungen der Ausgrenzung ihrer Gemeinschaft zu spüren sind. „In den meisten Situationen wird eine HIV-positive Person ihren HIV-Status nicht offenlegen, um soziale Ablehnung zu verhindern, um nicht von der Teilnahme an soziokulturellen Veranstaltungen isoliert zu sein.“ Dies führt zu einem hohen Risiko, die Krankheit an andere weiterzugeben oder die richtige Behandlung zu verzögern. Eine HIV-positive Person – wenn von seiner Gemeinschaft abgeschnitten – kann sich isoliert, einsam, ängstlich, unmotiviert fühlen und mit Identitätsproblemen kämpfen. Die Stigmatisierung fördert die Verbreitung und leugnet die medizinische Erforschung von HIV/AIDS, weil die soziale und medizinische Unterstützung fehlt. Diese Individuen können sich nicht mehr als Teil der Gesellschaft fühlen.
Familie und andere intime Beziehungen spielen eine Rolle bei der Sterblichkeitsrate von PLHIV. Aufgrund der Angst vor Isolation, Unwissenheit, Verleugnung und Diskriminierung werden die Menschen zulassen, dass sich HIV zu AIDS entwickelt und die Lebenserwartung weiter sinkt, weil die Funktion des Immunsystems deutlich beeinträchtigt wurde. Forschung in der Mvelaphanda Primary School in Tembisa, Provinz Gauteng, Südafrika zeigte, viele der Kinder Waisenkinder waren, weil Eltern und/oder Geschwister gestorben waren; manche wurden mit HIV geboren. Eine Umfrage zeigte, dass kein Erfolg zur Bekämpfung der Epidemie eintreten wird, wenn es keine Verhaltensänderung gegenüber HIV/AIDS gibt. In der Mvelaphanda Primary School steigt die Sterblichkeitsrate ihrer Kinder, insbesondere junger Frauen. Diese Frauen sind stärker gefährdet als ihre männlichen Kollegen, da viele von ihnen mit älteren Männern zusammenarbeiten, die verschiedene Partner haben und nicht an Safer-Sex-Praktiken teilnehmen. Ein durch AIDS verursachter Tod wird oft als „Hexerei“ in der Gemeinschaft kommuniziert. Kinder und andere Familienmitglieder neigen dazu, die Wahrheit zu leugnen und werden mit dem Glauben erzogen, dass es HIV und/oder AIDS nicht gibt, und sie fürchten mehr verhext als vom Virus infiziert zu werden.
Neben den familiären Bindungen und intimen Beziehungen ist auch eine spirituelle Beziehung für HIV-positive belastet. Eine Forschungsstudie in der westlichen Region Saudi-Arabiens zeigte, dass die Stigmatisierung tief greifend ist, da der Islam Verhaltensweisen verbietet, die mit Risikofaktoren im Zusammenhang mit der Übertragung von HIV verbunden sind. Dazu gehören Sex vor der Ehe, Homosexualität und intravenöser Drogenkonsum. Personen fürchten sich vor Strafe durch Gott, vor der Identifikation als HIV/AIDS-positiv und vor der Zukunft und dem Tod. HIV-positive erlebten Isolation und mangelnde psychosoziale und emotionale Unterstützung. Als Reaktion auf ihre Erfahrungen akzeptierten viele Teilnehmer ihre Diagnosen als Schicksal und wurden religiöser, wobei sie die Spiritualität als ihre wichtigste Bewältigungsstrategie benutzten.
Siehe auch
Einzelnachweise
- What are HIV and AIDS? (en). In: AVERT, 23. Juni 2015. Abgerufen am 10. April 2018.
- Richard Parker, Peter Aggleton: HIV and AIDS-related stigma and discrimination: a conceptual framework and implications for action. In: Social Science & Medicine. 57, Nr. 1, 1. Juli 2003, ISSN 0277-9536, S. 13–24. doi:10.1016/S0277-9536(02)00304-0.
- Gay and Bisexual Men – HIV by Group – HIV/AIDS (en-us) In: cdc.gov. 27. Februar 2018. Abgerufen am 10. April 2018.
- G.M. Herek (2002).
- G.M. Herek, J.P. Capitanio, K.F. Widaman (2002).
- Lawrence K. Altman: New Homosexual Disorder Worries Health Officials (en). Abgerufen am 10. April 2018.
- HIV Stigma and Discrimination (en). In: AVERT, 20. Juli 2015. Abgerufen am 10. April 2018.
- Civil Rights (en) In: HIV.gov. Abgerufen am 10. April 2018.
- Paul Farmer: Structural Violence and Clinical Medicine.
- Sandra D. Lane: Structural violence and racial disparity in HIV transmission. In: Journal of Health Care for the Poor and Underserved. 15, Nr. 3, August 2004, S. 319–335. doi:10.1353/hpu.2004.0043.
- Monika ML dos Santos, Pieter Kruger, Shaun E Mellors, Gustaaf Wolvaardt, Elna van der Ryst: An exploratory survey measuring stigma and discrimination experienced by people living with HIV/AIDS in South Africa: the People Living with HIV Stigma Index. In: BMC Public Health. 14, Nr. 1, 27. Januar 2014, ISSN 1471-2458. doi:10.1186/1471-2458-14-80.
- Paul Farmer. 2006.
- G.M. Herek (1999).
- M.J. Visser, J.D. Makin, A. Vandormael, K.J. Sikkema, B.W.C. Forsyth: HIV/AIDS Stigma In A South African Community. In: AIDS Care. 21, Nr. 2, Februar 2009. doi:10.1080/09540120801932157.
- Definition of STIGMA (en) In: www.merriam-webster.com. Abgerufen am 10. April 2018.
- Cheryl Roth, Pauline F Hrenchir, Christine J. Pacheco: HIV in Pregnancy.
- Sally Cameron, Jane Wilson, Julian Hows, Rodrigo Pascal, Jaime Todd-Gher, Liz Tremlett, Ann Stevens, John Godwin.