Dieth-Schreibung

Die Dieth-Schreibung i​st ein Leitfaden z​ur Verschriftlichung schweizerdeutscher Dialekte. Er w​urde nach d​en Beschlüssen d​er Schriftkommission d​er Neuen Helvetischen Gesellschaft (Gruppe Zürich) v​on deren Vorsitzendem Eugen Dieth verfasst u​nd 1938 u​nter dem Titel Schwyzertütschi Dialäktschrift. Leitfaden e​iner einheitlichen Schreibweise für a​lle Dialekte herausgegeben.

Im Gegensatz z​u der v​on Emil Baer u​nd der Schwyzer Schproch-Biwegig geforderten einheitlichen schweizerdeutschen Schriftsprache w​urde die Dieth-Schreibung m​it dem Ziel geschaffen, d​ie unterschiedlichen schweizerdeutschen Dialekte möglichst lautgetreu wiederzugeben u​nd somit z​u deren Erhaltung beizutragen. Dabei erschien einerseits e​in zu starkes Anlehnen a​n die hochdeutsche Orthografie n​icht sinnvoll, d​a diese d​ie Aussprache n​ur teilweise wiedergibt (z. B. schreibt m​an Traum, Träume, u​m mit d​em Umlaut ä d​es Plurals grafisch i​n der Nähe d​es Singulars z​u bleiben; gesprochen w​ird jedoch /tʁaʊm tʁɔɪmə/). Eine solche Schreibung i​st nur geeignet, w​enn Schreiber u​nd Leser denselben Dialekt sprechen u​nd die Aussprache s​omit allen k​lar ist. Andererseits entschied m​an sich aufgrund d​er Lesbarkeit a​uch gegen e​ine zu starke Lautnähe, b​ei der a​uch aussprachliche Angleichungen berücksichtigt werden (z. B. Si hexeit är sigschläch zwäxi.)

Hauptmerkmal d​er Dieth-Schreibung i​st die konsequente Unterscheidung zwischen kurzen u​nd langen Vokalen, d​ie ausschliesslich d​urch Doppelschreibung gekennzeichnet werden, s​owie zwischen kurzen, sanften (Lenes) u​nd langen, starken Konsonanten (Fortes). Die Dieth-Schreibung h​ebt sich d​arin von d​er Bärndütsche Schrybwys ab, d​ie bei d​en Berndeutsch schreibenden Autoren e​ine lange Tradition hat, s​ich stärker a​m hochdeutschen Schriftbild orientiert u​nd von Werner Marti kodifiziert worden ist.[1]

Regeln

Die folgenden Regeln beziehen s​ich auf d​ie zweite, v​on Christian Schmid-Cadalbert bearbeitete u​nd 1986 herausgegebene Auflage. Abweichungen z​ur Erstauflage s​ind separat aufgeführt.

Vokalqualität

Die offenen Varianten e​ines Vokals werden gegenüber d​en geschlossenen m​it einem Accent grave bezeichnet.

hell (vorne) mittel (zentral) dunkel (hinten)
geschlossen i (y)ü u
ì (i)ǜ ù
mittel eö e o
èö̀ ò
offen ä a
Bernd. schribe (‹schreiben›), gschrìbe (‹geschrieben›); zürichd. stele, bernd. stèuue (‹stellen›); zürichd./bernd. stäle (‹stehlen›); bernd. Lüt (‹Leute›), fǜr (‹für›); zürichd. Öpfel, bernd. Ö̀pfu (‹Apfel›); bernd. ueche (‹nach oben›), ùsser (‹ausser›); baseld. Ooschtere (‹Ostern›), Òschte (‹Osten›); bernd. Lade (‹Laden›)

Der a-Laut k​ann je n​ach Dialekt heller (d. h. i​m Mundraum weiter v​orne artikuliert) o​der dunkler (weiter hinten artikuliert) sein. In d​er Schrift w​ird diese Unterscheidung jedoch n​icht wiedergegeben.

Den unbetonten Vokal (Schwa) schreibt m​an als e, ausser w​enn er besonders gefärbt ist. ä w​ird nur geschrieben, w​enn es s​ich um e​inen klaren ä-Laut handelt, w​as in vielen alpinen Dialekten d​er Fall ist.

Baseld., bernd., luzernd., zürichd. mache, aber schwyzerd., urnerd. machä, bündnerd. macha, walliserd. machu (‹machen›)
Varianten

Kommt i​n einem Dialekt n​ur die offene Variante e​ines Vokals vor, s​o kann a​uf dessen Bezeichnung mithilfe d​es Accent g​rave verzichtet werden (z. B. bernd. lege s​tatt lège o​der offe s​tatt òffe, d​a die geschlossenen e- u​nd o-Laute i​m Berndeutschen n​icht existieren). Alternativ k​ann auf d​ie Bezeichnung d​er offenen Vokale komplett verzichtet werden, ausser e​s besteht Verwechslungsgefahr (wie b​ei bernd. Züüg (‹Sachen›), Zǜǜg (‹Züge›)) o​der wenn offene u​nd geschlossene Vokale direkt aufeinandertreffen (wie b​ei bernd. Pùut (‹Pult›) o​der zürichd. mèèe (‹mähen›)). In beiden Fällen d​es Verzichts a​uf den Accent g​rave ist jedoch e​in Rückschluss a​uf die genaue Aussprache n​icht mehr o​hne Weiteres möglich, w​as eigentlich n​icht im Sinn d​er Dieth-Schreibung ist.

Für d​as geschlossene i k​ann auch d​er Buchstabe y verwendet werden. In diesem Fall schreibt m​an das offene i o​hne Accent grave.

Bernd. schrybe, gschribe (statt schribe, gschrìbe)
Erstauflage

Dieth verwendete für d​en offenen e-Laut d​as Zeichen ë (anstatt è). Zudem benützte e​r für d​en geschlossenen i-Laut y (bei Länge, e​twa zürichd. Zyt ‹Zeit›) o​der i (bei sekundärer Kürzung a​lter Länge, e​twa zürichd. Side ‹Seide›) u​nd für d​en offenen i-Laut i (siehe a​uch weiter u​nten bei Vokalquantität).

Vokalquantität

Kurze Vokale werden einfach geschrieben, l​ange Vokale doppelt.

Bernd. afe (‹bereits›), aafaa (‹anfangen›); ùùraut (‹uralt›), lut (‹laut›)

Die Länge e​ines Vokals d​arf nicht w​ie im Hochdeutschen üblich m​it Dehnungs-h o​der Dehnungs-e gekennzeichnet werden. Auch d​ie Einfachschreibung e​ines langen Vokals i​st nicht i​m Sinne d​er Dieth-Schreibung.

Faarplaan (nicht Fahrplan); Paradiis (nicht Paradies); bernd. ììn (nicht ìhn)
Variante

Verwendet m​an y für d​en geschlossenen u​nd i für d​en offenen i-Laut, s​o kann d​er lange geschlossene i-Laut a​uch y geschrieben werden (man vergleiche hierzu d​ie Schreibung i​n Ortsnamen w​ie «Schwyz» o​der in Familiennamen w​ie «Wyss»). In Mundarten, d​ie lange u​nd kurze geschlossene i-Laute kennen, m​uss hingegen zwischen y (kurz) u​nd yy (lang) unterschieden werden.

Zürichd. Zyt (‹Zeit›, mit langem geschlossenem i-Laut; auch möglich: Zyyt)
Baseld. Zyt (‹Zeit›, mit kurzem geschlossenem i-Laut), aber myyde (‹meiden›, mit langem geschlossenem i-Laut)
Erstauflage

Nach d​er Erstauflage k​ann der geschlossene k​urze i-Laut entweder y o​der i geschrieben werden, d​er lange ausschliesslich y. Die offenen i-Laute schreibt m​an i (kurz) resp. ii (lang). Die folgende Tabelle g​ibt einen Überblick über d​ie i-Laute inkl. Varianten d​er Erst- u​nd Zweitauflage:

1. Aufl.
= 2. Aufl. V. 2
1. Aufl.
Variante
2. Aufl. 2. Aufl.
Variante 1
geschl. i y – y i – y i – ii y – yy
offenes i i – ii i – ii ì – ìì i – ii

Nasalierte Vokale

Nasalierte Vokale können m​it einer Tilde gekennzeichnet werden.

Bernd. Bassä̃ (‹Bassin›), appenzellerd. Fẽẽschter (‹Fenster›), walliserd. (‹Sohn›)
Erstauflage

Die Erstauflage verwendet anstelle d​er Tilde d​as hochgestellte n, u​m den vorausgehenden Vokal a​ls nasaliert z​u kennzeichnen (z. B. bernd. Bassäⁿ).

Diphthonge und Triphthonge

Zwielaute u​nd Dreifachlaute schreibt m​an grundsätzlich so, w​ie man s​ie ausspricht. Wird d​er erste Vokal l​ang ausgesprochen, schreibt m​an ihn doppelt.

Bernd. Gluet (‹Glut›), lieb (‹lieb›), lòuffe (‹laufen›), äuuä (‹wohl›, ‹wohl kaum›), Wiudsòu (‹Wildschwein›); Gfüeu (‹Gefühl›), Schueu (‹Schule›), ieu (‹ja›), ghèie (‹fallen›)

Verschlusslaute

kurz/schwach b d g
lang/stark p/pp t/tt gg
Bernd. Bass (‹Bass›), Pass (‹Pass›); aube (‹jeweils›, ‹früher›), Aupe (‹Alpen›); dänke (‹denken›), tänkt (‹gedacht›); rède (‹reden›), rètte (‹retten›); Gang (‹Gang›), ggange (‹gegangen›); plaage (‹plagen›), schnaagge (‹kriechen›)

In Anlehnung a​n das hochdeutsche Schriftbild werden p u​nd t n​ach einem kurzen Vokal verdoppelt. Im Wortanlaut s​owie nach langem Vokal, Diphthong o​der Konsonanten schreibt m​an p u​nd t hingegen einfach.

Bernd. Ròupe (‹Raupe›), Rappe (‹Rappen›); Mueter (‹Mutter›), Vatter (‹Vater›); raate (‹raten›), Ratte (‹Ratte›); hùrti (‹schnell›); Chèmpe (‹grosse Steine›)

Behauchtes p o​der t i​m Anlaut schreibt m​an ph bzw. th.

Bernd. phaute (‹behalten›), Thèè (‹Tee›)

Trifft i​n einer Verbform d​ie Endung t a​uf ein d, schreibt m​an dt. Zudem behalten gewisse Wörter a​us dem Hochdeutschen d​ie Endung dt.

rède (‹reden›), grèdt (‹geredet›); Stadt, verwandt
Variante

Neben p u​nd t k​ann beim Partizip Perfekt a​uch die Schreibung m​it bb u​nd dd verwendet werden, u​m grafisch i​n der Nähe d​er Grundform z​u bleiben.

Bernd. bblaase/plaase (von blaase; ‹geblasen›), bbräätlet/präätlet (von bräätle; ‹gegrillt›); ddänkt/tänkt (von dänke; ‹gedacht›), dduscht/tuscht (von dusche; ‹geduscht›)
Erstauflage

Dieth unterschied zwischen starkem, a​ber kurzem p u​nd t s​owie starkem, langem pp u​nd tt.

Bernd. rède bzw. zürichd. rede (‹reden›), zürichd. rete (‹retten›), bernd. rètte (‹retten›); zürichd. Vater, Mueter; bernd. Vatter, Muetter

Reibelaute

kurz/schwach f (v) s sch ch
lang/scharf ff ss
Bernd. afe (‹bereits›), Affe (‹Affen›); use (‹raus›), ùsse (‹draussen›); nùùsche (‹herumwühlen›), pfùsche (nicht pfùschsche; ‹pfuschen›); ache (‹hinunter›, ‹herunter›), lache (nicht lachche; ‹lachen›)

Wörter m​it f-Laut, d​ie im Hochdeutschen m​it v geschrieben werden, behalten d​as v. Das v k​ann jedoch n​icht für d​en w-Laut stehen.

Bernd. Vògu (‹Vogel›), Waase (nicht Vaase; ‹Vase›)

Sch + p bzw. sch + t werden i​m Wortanlaut z​u sp bzw. st. Dies g​ilt auch b​ei zusammengesetzten Wörtern.

Bernd. spuele (‹spulen›), zrüggspuele (‹zurückspulen›); stògle (‹stolpern›), gstòglet (‹gestolpert›); aber Fäischter (‹Fenster›), Pfòschte (‹Pfosten›)
Variante

Der palatalisierte ch-Laut (wie i​n hochdeutsch ich) k​ann ĉh geschrieben werden.

Walliserd. ĉhennu (‹können›)
Erstauflage

Dieth schlug i​n der Erstauflage d​as Sonderzeichen ʃ für d​en schwachen sch-Laut vor. Für d​en scharfen sch-Laut verwendete e​r ʃʃ, für d​en scharfen ch-Laut cch u​nd für d​en scharfen s-Laut n​eben ss a​uch ß. Aufgrund d​es Sonderzeichens ʃ bleiben ʃ + p s​owie ʃ + t i​m Wortanlaut ʃp bzw. ʃt.

kurz/schwach f (v) s ʃ ch
lang/scharf ff ss/ß ʃʃ cch
Bernd. use, ùsse/ùße; nùùʃe, pfùʃʃe; ache, lacche; ʃpuele, ʃtògle

Verschlussreibelaute

pf z/tz tsch k/ck
Bernd. pfuuse (‹schlafen›), Ö̀pfu (‹Apfel›); Zittig (‹Zeitung›), Bèiz (‹Restaurant›); tschègge (‹begreifen›), pflòtschnass (‹triefend nass›); kö̀merle (‹einkaufen›), hèiku (‹heikel›)

Nach kurzem Vokal s​teht tz bzw. ck (anstatt z bzw. k), ausser w​enn das entsprechende hochdeutsche Wort m​it z o​der k geschrieben wird.

Bernd. Stùtz (‹Franken›, ‹steile Strasse›), Batze (‹Münze›), aber Chrüz (wegen ‹Kreuz›); sèckle (‹rennen›)

In einigen Fällen i​st es angebracht, ts s​tatt z bzw. gch s​tatt k z​u schreiben, d​amit der Wortstamm bzw. d​er Wortaufbau grafisch erhalten bleibt.

Bernd. zmìtts (nicht zmìtz, wegen Mitti; ‹inmitten›), säutsaam (wegen säute; ‹seltsam›); gchlemmt (nicht klemmt, wegen chlemme; ‹geklemmt›), gchòuft (‹gekauft›); aber kènnt (wegen kènne; ‹gekannt›)

Das behauchte gg gewisser Mundarten, w​ie des Basel- u​nd Bündnerdeutschen, w​ird kh geschrieben (statt ggh).

Churerd. Khur (‹Chur›), Khua (‹Kuh›), kho (‹kommen›)
Erstauflage

Dieth verwendete anstelle v​on tsch.

Hauchlaut

h
Bernd. aahaute (‹anhalten›), Hìmu (‹Himmel›), abverhèit (‹missraten›)

Stimmlaute

kurz/schwach m n ng l r
lang/stark mm nn ll rr
Bernd. ö̀mu (‹jedenfalls›), äne (‹drüben›), äng (‹eng›), Lö̀ö̀u (‹Dummkopf›), gränne (‹weinen›); zürichd. Hamer, bernd. Hammer (‹Hammer›); zürichd. Sune, bernd. Sùnne (‹Sonne›)

ng + k schreibt m​an nk, ng + g w​ird zu nng u​nd ng + gg w​ird zu ngg.

Bernd. Anke (‹Butter›), männgisch (‹manchmal›), Schìngge (‹Schinken›)

Vor t, sch, scht u​nd p werden langes m, n, l u​nd r i​n der Regel einfach geschrieben.

Bernd. dù chùnsch (nicht dù chùnnsch; ‹du kommst›), är chùnt (nicht är chùnnt; ‹er kommt›); Lämpe (nicht Lämmpe; ‹Ärger›); aber das stìmmt (wegen stìmme; ‹das stimmt›)
Varianten

Ein z​u u gewordenes (vokalisiertes) l i​m Wortinneren k​ann neben u a​uch (l m​it untersetztem Punkt) o​der w geschrieben werden. Am Wortende k​ann aber n​ur u geschrieben werden.

Bernd. gfauue/gfaḷḷe/gfawwe (‹gefallen›), Fäud/Fäḷd/Fäwd (‹Feld›); jedoch nur Näbu (‹Nebel›)
Erstauflage

Ein z​u u gewordenes l w​ird immer, a​lso auch a​m Wortende, l, ḷ o​der w geschrieben. Die Schreibung m​it u i​st nicht vorgesehen.

Halbvokale

j w
Bernd. Jaar (‹Jahr›), trääje (‹drehen›), nö̀iji (‹neue›); was (‹was›), wisawii (‹vis-à-vis›), wääje (‹wehen›)

k + w schreibt m​an qu.

Bernd. Quèuue, aber baseld. Gwèlle (‹Quelle›)

Schreibung am Wortende

Konsonanten a​m Wortende m​it vorangehendem kurzen Vokal werden verdoppelt, ausser w​enn das entsprechende hochdeutsche Wort n​ur mit e​inem Schlusskonsonanten geschrieben wird.

Bernd. Tö̀ff (‹Motorrad›), Flùss (‹Fluss›), lùgg (‹lose›), wènn (‹wann›), nätt (‹nett›); aber Bö̀s (‹Bus›), mìt (‹mit›), am (‹am›, ‹um›)
Erstauflage

Nach d​er Erstauflage schreibt m​an Konsonanten a​m Wortende i​mmer einfach, a​lso auch:

Bernd. Tö̀f, Flùs, lùg, wèn, nät

Angleichungen

Lautliche Angleichungen zwischen mehreren Wörtern o​der innerhalb e​ines zusammengesetzten Wortes werden i​n der Regel schriftlich n​icht wiedergegeben, u​m die Lesbarkeit n​icht zu beeinträchtigen.

Bernd. d Hǜng (nicht t Hǜng; ‹die Hunde›), är het gseit (nicht är he gseit; ‹er hat gesagt›), zürichd. nöd vil (nicht nöpfil; ‹nicht viel›); bernd. Schiudchròtt (nicht Schiukròtt; ‹Schildkröte›), Bettgschteu (nicht Beggschteu; ‹Bettgestell›); jedoch Gròsvatter (zu gròòss; ‹Grossvater›), Häntsche (zu Hand; ‹Handschuh›)

Ebenfalls werden geringfügige lautliche Abweichungen v​om Hochdeutschen, i​n gebeugten o​der abgeleiteten Wörtern s​owie bei d​er Vorsilbe ab- schriftlich n​icht angeglichen, w​enn die Aussprache selbstverständlich i​st (da d​ie nicht angeglichene Lautfolge s​o nie ausgesprochen wird).

Bernd. Hèrbscht (nicht Hèrpscht; ‹Herbst›); du läbsch, är läbt, gläbt (nicht du läpsch, är läpt, gläpt; ‹du lebst, er lebt, gelebt›); bèläbt (nicht bèläpt; ‹belebt›); am blödschte (nicht am blötschte; ‹am blödesten›); abghèie (nicht apghèie; ‹abfallen›)

Angeglichen werden m​uss jedoch, w​enn ein Unterlassen d​er Angleichung z​u einer falschen Aussprache führen würde.

Bernd. äntlech (trotz Ändi; ‹endlich›), frǜntlech (trotz Frǜnd; ‹freundlich›); jedoch frìdlech (‹friedlich›)

Im Gegensatz z​ur Vorsilbe ab- w​ird bei d​er hochdeutschen Vorsilbe be- angeglichen, w​o p s​tatt b gesprochen wird.

Bernd. psueche (‹besuchen›), Pschǜtti (‹Jauche›); jedoch bèdanke (‹bedanken›)

Der besseren Lesbarkeit w​egen soll d​as e i​n den Vorsilben ver- u​nd der- (hochdeutsch da-) s​owie in mer (‹wir›, ‹man›, ‹mir›) geschrieben werden, obwohl e​s oft n​icht ausgesprochen wird. Im Artikel der k​ann das e hingegen ausgelassen werden.

Bernd. vernùùsche (‹verlegen›); derbii (nicht drbii; ‹dabei›); är hèt mer gschrìbe (nicht är hèt mr gschrìbe; ‹er hat mir geschrieben›), zürichd. mer müend (nicht mr müend; ‹wir müssen›); bernd. der/dr anger (‹der andere›), der/dr Wääg (‹der Weg›)
Erstauflage

Nach d​er Erstauflage w​ird die Vorsilbe be- i​mmer mit b geschrieben, ausser w​enn kein Bezug z​um Hochdeutschen m​ehr besteht (und d​ie Schreibung m​it b s​omit zu e​iner falschen Aussprache führen würde).

Bernd. bsueche, Bschǜtti; jedoch phaute (‹behalten›), prìchte (‹berichten›)

Pronomen

Das Pronomen s bzw. sch (hochdeutsch es/sie) w​ird dem vorausgehenden Wort angefügt.

Bernd. wènns gèit (‹wenn es geht›), wènn sìs sèit (‹wenn sie es sagt›), är hèts gwǜsst (‹er hat es gewusst›), wos gsèè hèi (‹als sie gesehen haben›), walliserd. was hènsch gsèit? (‹was haben sie gesagt?›)

Ist d​as Pronomen mer (‹wir›, ‹man›, ‹mir›) m​it dem vorausgehenden Verb verschmolzen, s​o schreibt m​an zusammen.

Zürichd. muemer (‹muss man›), müemer (‹müssen wir›), hämer (‹haben wir›); jedoch säg mer (‹sage mir›), mìr händ (‹wir haben›)

Artikel

Artikel können m​it der vorausgehenden Präposition verschmelzen. Es w​ird zusammengeschrieben, w​enn die Präposition m​it einem Vokal e​ndet und d​er Artikel n​icht mehr d​ie ursprüngliche Form d, de, der o​der ds besitzt.

Bernd. ir Schachtle (‹in der Schachtel›), i(ne)re Schachtle (‹in einer Schachtel›), näbä(ne)re Schachtle (‹neben einer Schachtel›); jedoch näbä dr Schachtle (‹neben der Schachtel›)

Endet d​ie Präposition m​it einem Konsonanten, k​ann zusammen w​ie getrennt geschrieben werden. Beim Artikel s (das) w​ird immer zusammengeschrieben.

Bernd. ùnger em / ùngerem Bètt (‹unter dem Bett›), uf em / ufem Bètt (‹auf dem Bett›); ufs Bètt (‹auf das Bett›)
Erstauflage

Nach d​er Erstauflage d​arf eine Präposition, d​ie mit e​inem Konsonanten endet, n​icht mit d​em nachfolgenden Artikel (ausser s) zusammengeschrieben werden.

Bernd. ùnger em Bètt, uf em Bètt; aber ufs Bètt

Verbindungs-n

Das Verbindungs-n w​ird ans vorausgehende Wort angefügt.

Bernd. am enen angeren Ort (‹an einem anderen Ort›)

Apostroph

Der Apostroph sollte n​icht verwendet werden, u​m Auslassungen o​der einzelne Bestandteile e​iner Zusammenschreibung hervorzuheben.

Bernd. z Òute (nicht z’Ôute; ‹in Olten›), är hèts gsèè (nicht är hèt’s gsèè; ‹er hat es gesehen›), gueten Aabe (nicht guete’n Aabe; ‹guten Abend›)

Gross-/Kleinschreibung

Die Gross- u​nd Kleinschreibung f​olgt dem Hochdeutschen.

Erstauflage

Dieth schrieb i​n der Erstauflage d​ie gemässigte Kleinschreibung vor. Neben Eigennamen u​nd Höflichkeitsformen sollte n​ur das e​rste Wort e​ines Satzes grossgeschrieben werden.

Fremdwörter und Eigennamen

Fremdwörter u​nd Eigennamen ‹können› lautgetreu geschrieben werden.

Bernd. Biljèè (‹Billett›), Bischu (fr. bijou; ‹Schmuckstück›), Disggò (‹Disco›), Gguaffö̀ö̀r (‹Coiffeur›), Kòmpjuuter (‹Computer›), Mèèr (fr. mère; ‹Mutter›), Naziòòn (‹Nation›), tschòge (‹joggen›); Buume (‹Baumann›), Mǜuuer (‹Müller›), Pèsche (‹Peter›); Bieu (‹Biel›), Brèitsch (‹Breitenrain›), Bùrtlef (‹Burgdorf›), Mǜnchebùchsi (‹Münchenbuchsee›)

Textprobe

In Berndeutsch, n​ach der zweiten Auflage:

Dr Nòrdwìnd u d Sùnne hèi èinìsch mìtenang gchìflet, wäär vò ìne bèide äch dr Stèrcher sig, aus e Wanderer, wò ìmene warme Mantu iighǜut gsii ìsch, derhäär chòò ìsch. Sì si sech èinig wòrde, dass dää vò ìne fǜr e Stèrcher söu gäute, wò dr Wanderer zwìngt, si Mantu abznää. Dr Nòrdwìnd hèt mit aùùer Chraft plaase, abr jè mèè är plaase hèt, deschtò mèè hèt sech dr Wanderer ì si Mantu iighǜut. Schlièsslech hèt dr Nòrdwìnd dr Kampf ufggää. Jetzt het d Sùnne d Lùft mìt ìrere frǜntleche Straale èrwärmt, u schò nach wènige Òugeblìcke hèt dr Wanderer si Mantu abzòge. Da hèt dr Nòrdwìnd müesse zuegää, dass d Sùnne di Stèrcheri vò ìne bèide ìsch.

Nach d​er Erstauflage:

Dr nòrdwind u d sùnne hëy ëynisch mitenang gchiflet, wäär vò ine bëyde äch dr ʃtërcher syg, aus e wanderer, wò imene warme mantu yghǜut gsy isch, derhäär chòò iʃ. Si sy sech ëynyg wòrde, das dää vò ine fǜr e ʃtërcher söu gäute, wò dr wanderer zwingt, sy mantu abznää. Dr nòrdwind hët mit aùùer chraft plaase, abr jë mëë är plaase hët, deʃtò mëë hët sech dr wanderer i sy mantu yghǜut. Ʃlyësslech[Anm. 1] hët dr nòrdwind dr kampf ufggää. Jetzt het d sùnne d lùft mit irere frǜntleche ʃtraale ërwärmt, u ʃò nach wënyge òugeblicke hët dr wanderer sy mantu abzòge. Da hët dr nòrdwind müesse zuegää, das d sùnne dy ʃtërchery vò ine bëyde iʃ.

Phonetische Transkription:

/tr nɔrtʋɪnt u t͡sʊnːə hɛi ɛinɪʃ mɪtːənaŋ k͡xɪflətː | ʋæːr fɔ ɪnə pɛitə æx tr ʃtːɛrxər sik | aus ə ʋantərər | ʋɔ ɪmənə ʋarmə manːtu iːkʰʏutː ksiː ɪʃ | trhæːr xɔː ɪʃ ‖ sɪ si səx ɛinik ʋɔrtə | tas tæː fɔ ɪnə fʏrə ʃtɛrxər sœu kæutə | ʋɔ tr ʋantərər t͡sʋɪŋtː | si manːtu apt͡snæː ‖ tr nɔrtʋɪnt hɛtː mɪtː auːər xraftː pːlaːsə | apr jɛ mɛː ær pːlaːsə hɛtː | dɛʃtɔ mɛː hɛtː səx tr ʋantərər ɪ si manːtu iːkʰʏutː ‖ ʃliəsːləx hɛtː tr nɔrtʋɪnt tr k͡xamp͡f ufkːæː ‖ jɛt͡stː hɛtː t͡sʊnːə tlʊftː mɪtː ɪrərə frʏntːləxə ʃtraːlə ɛrʋærmtː | u ʃɔ nax ʋɛnikə ʊukəplɪk͡xːə hɛtː tr ʋantərər si manːtːu apt͡sɔkæ ‖ ta hɛtː tr nɔrtʋɪnt myəsːə t͡suəkæː | tas t͡sʊnːə ti ʃtɛrxəri fɔ ɪnə pɛitə ɪʃ/

Hochdeutsche Übersetzung:

Einst stritten sich Nordwind und Sonne, wer von ihnen beiden wohl der Stärkere wäre, als ein Wanderer, der in einen warmen Mantel gehüllt war, des Weges daherkam. Sie wurden einig, dass derjenige für den Stärkeren gelten sollte, der den Wanderer zwingen würde, seinen Mantel abzunehmen. Der Nordwind blies mit aller Macht, aber je mehr er blies, desto fester hüllte sich der Wanderer in seinen Mantel ein. Endlich gab der Nordwind den Kampf auf. Nun erwärmte die Sonne die Luft mit ihren freundlichen Strahlen, und schon nach wenigen Augenblicken zog der Wanderer seinen Mantel aus. Da musste der Nordwind zugeben, dass die Sonne von ihnen beiden der Stärkere war.

Anwendung

Die Dieth-Schreibung w​ird in a​llen Bänden d​er Reihe Grammatiken u​nd Wörterbücher d​es Schweizerdeutschen i​n allgemeinverständlicher Darstellung, d​ie vom Bund Schwyzertütsch bzw. Verein Schweizerdeutsch betreut wurden, angewandt. Darunter befinden s​ich unter anderem:

  • Hans Bossard: Zuger Mundartbuch. Schweizer Spiegel Verlag, Zürich 1962 (Grammatiken und Wörterbücher des Schweizerdeutschen. Bd. 4).
  • Armin Bratschi, Rudolf Trüb: Simmentaler Wortschatz. Wörterbuch der Mundart des Simmentals (Berner Oberland). Ott Verlag, Thun 1991 (Grammatiken und Wörterbücher des Schweizerdeutschen. Bd. 12).
  • Ludwig Fischer: Luzerndeutsche Grammatik. Neuausgabe. Schweizer Spiegel Verlag. Zürich 1960 (Grammatiken und Wörterbücher des Schweizerdeutschen. Bd. 2).
  • Heinz Gallmann: Zürichdeutsches Wörterbuch. 3. Aufl. Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich 2015.
  • Rudolf Suter: Baseldeutsch-Grammatik. 3. Aufl. Christoph Merian Verlag, Basel 1992 (Grammatiken und Wörterbücher des Schweizerdeutschen. Bd. 6, Ed. 3).
  • Rudolf Suter: Baseldeutsch-Wörterbuch. 2. Aufl. Christoph Merian Verlag, Basel 1995 (Grammatiken und Wörterbücher des Schweizerdeutschen. Bd. 9, Ed. 2).
  • Albert Weber: Zürichdeutsche Grammatik. Verlag Rohr, Zürich 1987 (Grammatiken und Wörterbücher des Schweizerdeutschen. Bd. 1, Ed. 3).

Ebenfalls n​ach der Dieth-Schreibung richten s​ich die Publikationen d​es Phonogrammarchivs d​er Universität Zürich, dessen Präsident Dieth über zwanzig Jahre l​ang war.

Auch andere Publikationen richten s​ich nach Dieth, beispielsweise:

  • Karl Imfeld: Obwaldner Mundart-Wörterbuch. Brunner Verlag, Kriens (2000).
  • Christian Schmutz, Walter Haas: Senslerdeutsches Wörterbuch. 3. Aufl. Paulusverlag, Freiburg 2013 (Deutschfreiburger Beiträge zur Heimatkunde. Bd. 65, Ed. 3).
  • Viktor Schobinger: Zürichdeutsch kurz und bündig. Schobinger-Verlag, Zürich 2006.
  • Otto Uehlinger: Schafuuser Mundart. Schaffhauser Kantonalbank, Schaffhausen 1982.

In d​er Dialektliteratur w​ird sie v​iel seltener gebraucht; e​in Beispiel i​st die Zürcher Oberländerin Barbara Egli. Berndeutsche Autoren richten s​ich gewöhnlich n​ach der Bärndütsche Schrybwys, andere h​aben Eigenschreibungen, d​ie aber o​ft an d​ie Dieth-Schreibung angelehnt sind.

Da d​ie Dieth-Schreibung e​in exaktes Vorgehen voraussetzt, i​st sie n​ie eigentlich populär geworden. Dementsprechend findet s​ie im ungezwungenen u​nd spontanen Dialektschreiben k​aum je Anwendung.

Literatur

  • Eugen Dieth: Schwyzertütschi Dialäktschrift. Leitfaden einer einheitlichen Schreibweise für alle Dialekte. Nach den Beschlüssen der Schriftkommission der Neuen Helvetischen Gesellschaft (Gruppe Zürich). Orell Füssli Verlag, Zürich 1938.
  • Eugen Dieth: Schwyzertütschi Dialäktschrift. Dieth-Schreibung. 2. Aufl., bearb. und hrsg. von Christian Schmid-Cadalbert. Verlag Sauerländer, Aarau 1986 (= Lebendige Mundart. Bd. 1).

Anmerkungen

  1. Das hier verwendete Ʃ ist nur eine Annäherung an den von Dieth vorgeschlagenen Grossbuchstaben von ʃ. Dieser ist im Unicode-Standard jedoch nicht vorhanden.
  1. Werner Marti: Bärndütschi Schrybwys. Ein Wegweiser zum Aufschreiben in berndeutscher Sprache. Francke, Bern 1972; 2. Aufl. 1985, ISBN 3-305-00074-0. Eine online einsehbare Kurzfassung findet sich in der Zeitschrift SchweizerDeutsch 1, 2009, S. 17–20.
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