Die Karbidfabrik
Die Karbidfabrik ist ein Dokumentarfilm des DEFA-Studios für Dokumentarfilme von Heinz Brinkmann aus dem Jahr 1988.
Film | |
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Originaltitel | Die Karbidfabrik |
Produktionsland | DDR |
Originalsprache | Deutsch |
Erscheinungsjahr | 1989 |
Länge | 25 Minuten |
Stab | |
Regie | Heinz Brinkmann |
Drehbuch | Heinz Brinkmann |
Produktion | DEFA-Studio für Dokumentarfilme |
Kamera | Jürgen Hoffmann |
Schnitt | Karin Schöning |
Handlung
Im Kombinat VEB Chemische Werke Buna in Schkopau will das Filmteam im Oktober 1987 die Arbeiter kennenlernen, die in einer 50 Jahre alten Fabrik beschäftigt sind. Hier wird bei Temperaturen um 2000 Grad Celsius aus Kohle und Kalkstein Karbid geschmolzen. Das ist ein Grundstoff für Kunststoff, Chemiefasern und Autoreifen. Weil Erdöl in den 1960er und 1970er Jahren der wichtigste Rohstoff für die chemische Industrie wurde, dachte man, dass man die Anlagen zur Karbidherstellung auf Verschleiß fahren könne und nichts mehr zu investieren brauche. Inzwischen gibt es eine neue Konzeption zur Karbidproduktion über das Jahr 2000 hinaus. So ist bereits ein neuer Ofen geplant, der 150 Millionen Mark kostet und auch durch den für 1993 geplanten Einbau eines Filters, soll eine spürbare Verbesserung der Umweltbelastungen erreicht werden. Siegfried Richter, der Abteilungsleiter für die Karbidproduktion erläutert die strategische Entscheidung, weiterhin mit Karbid statt mit Erdöl bestimmte chemische Produkte herzustellen. Die Karbidproduktion ist mit einheimischen Rohstoffen möglich und spart somit viel Geld für die sonst erforderlichen Importe und auch die Abhängigkeit von anderen Lieferanten ist dadurch nicht mehr gegeben. Den entscheidenden Stellen ist aber klar, dass diese Entscheidung ökonomisch nicht sinnvoll ist.
Durch Sprüche wie „Wer einen Sommer im Karbid durchhält, der bleibt“ und „Wir sind schon froh, wenn wir am Abend gesund vom Arbeitsplatz nach Hause zu kommen“ sind die Filmleute neugierig geworden. Wer sind die Männer, die unter diesen Bedingungen hinter der grauen Fassade arbeiten? In der Vergangenheit kamen die Arbeiter aus unterschiedlichen Berufen in die Karbidfabrik. Franz Aszakis ist bereits über 20 Jahre hier beschäftigt, ein gelernter Schmied, der auch schon zur See gefahren ist. Mit einer großen Offenheit, in unbeschwerter Erzählweise sprechen die Beschäftigten über Missstände, über mangelnde Investitionen und über die Zukunftsaussichten in Form neuer Technologien. Nach Meinung eines Arbeiters ist die körperliche Anstrengung nicht mehr das Schlimmste, sondern die Hitze. Doch auch vieles Organisatorisches wird bemängelt, so die Planung, das Ofengeld bei Reparaturen zu erhöhen, was aber nicht eingehalten wurde, auch die Herabsetzung des Rentenalters auf 60 Jahre für die Ofenarbeiter ist im Sande verlaufen und die Versorgung mit Vitaminen, wie Bananen, Apfelsinen, Kirschen und anderen Obstsorten reduzierte sich seit zwei Jahren auf das Verteilen von Rabarbersaft. Viele der jungen Leute die in der Produktion als Helfer anfangen, sind der Meinung, dass sie nicht zum Arbeiten dort sind, sondern zum Geldverdienen, wofür Franz Aszakis kein Verständnis aufbringt, denn wer Geld verdienen will, muss auch eine Leistung dafür erbringen. Einige von den Arbeitern stellen ihre kritischen Fragen in den Parteiversammlungen der SED und verlangen eine Aufklärung über mangelhafte Informationen, was die betrieblichen Belange betrifft, denn viele sind der Meinung, dass man heute zwar zum Mond fliegen kann jedoch in ihrem Betrieb ändert sich nichts.
Produktion und Veröffentlichung
Für die Dramaturgie war Reinhard Kraetzer verantwortlich.
Die Karbidfabrik wurde von der künstlerischen Arbeitsgemeinschaft Kinobox unter dem Arbeitstitel Carbidarbeiter auf ORWO-Color gedreht und hatte Mitte Oktober 1988 seine Uraufführung während des 11. Nationalen Festivals Dokumentar- und Kurzfilm der DDR für Kino und Fernsehen in Neubrandenburg:[1] Die erste nachweisbare Ausstrahlung im Fernsehen erfolgte am 7. November 1989 im 2. Programm des Fernsehens der DDR.[2]
Kritik
Volker Müller schrieb im Neuen Deutschland:[1]
„Im Gedächtnis bleibt auch Heinz Brinkmanns Film ‚Die Karbidfabrik‘, achtungsvolle, einprägsam gestaltete Bilder von Arbeitern, die unter schweren Bedingungen einer überalterten Anlage das volkswirtschaftlich Notwendige tun mit Vitalität. Betriebsverbundenheit, Würde.“
In der Neuen Zeit schrieb Matthias Schlegel:[3]
„Nicht als Helden werden sie gezeichnet, die dort im Ruß stehen, eher als ‚gewöhnliche‘ Menschen mit Ausdauer und Kraft, mit Wünschen und Vorstellungen. Und unversehens führt der Streifen zur ethischen Gretchenfrage: Was ist aus ökonomischen Zwängen heraus dem Menschen zumutbar, was ist ökologisch verantwortbar? Die Schöpfer des Films wollen (können?) sie nicht beantworten, aber sie wollen das Nachdenken darüber provozieren, wohl wissend, daß Kompromisse auch zum Leben im Sozialismus gehören, daß wissenschaftlich-technisch und ökonomisch Machbares dem ergonomisch und ökologisch Wünschenswerten in der Regel noch hinterherlaufen, daß zwischen Anspruch und Realität in Bezug auf die Arbeitsbedingungen noch immer Lücken klaffen, auch in einer Gesellschaft, die das Wohl des Menschen ins Zentrum ihres Strebens stellt. Und sie wollen dafür sensibilisieren, die Grenzen des Notwendigen und des Verantwortbaren immer aufs neue ins Auge fassen.“
Weblinks
- Die Karbidfabrik bei filmportal.de
- Die Karbidfabrik bei der DEFA-Stiftung
- Ralf Schenk über die Probleme bei der Freigabe des Film in der Berliner Zeitung
Einzelnachweise
- Neues Deutschland vom 18. Oktober 1988, S. 6
- Berliner Zeitung vom 2. November 1989, S. 9
- Neue Zeit vom 5. Juli 1989, S. 4