Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung
Die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung DPR e. V. (abgekürzt: DPR) ist eine 2005 eingerichtete Institution zur Überwachung der Rechnungslegung kapitalmarktorientierter Unternehmen in Deutschland im Staatsauftrag. Sie hat ihren Sitz in Berlin. International tritt die DPR unter dem englischen Namen Financial Reporting Enforcement Panel (FREP) auf. In journalistischen Texten wird sie auch als „Bilanzpolizei“ bezeichnet,[1] sie hat jedoch keine hoheitlichen Befugnisse und ist als privatrechtlicher Verein organisiert.
Aufgaben
Die Einrichtung nahm ihre Arbeit zum 1. Juli 2005 auf. Anlass für die Errichtung der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung war die öffentliche Kritik an fehlenden Prüfungsstrukturen im Zusammenhang mit Bilanzskandalen vorausgegangener Jahre (beispielsweise Flowtex, Comroad).[2] Ihre Aufgaben sind in den §§ 342b bis 342e des HGB beschrieben und bestehen in der Überwachung der Rechnungslegung kapitalmarktorientierter Unternehmen.
Geprüft werden die Jahresabschlüsse und Jahresberichte von Unternehmen, deren Wertpapiere im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 des Wertpapierhandelsgesetzes an einer inländischen Börse zum Handel im amtlichen oder geregelten Markt zugelassen sind.
Die Prüfstelle überprüft, ob der zuletzt festgestellte Jahresabschluss und der zugehörige Lagebericht, oder der zuletzt gebilligte Konzernabschluss und der zugehörige Konzernlagebericht eines Unternehmens in vorstehendem Sinne gesetzlichen Vorschriften, einschließlich der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) oder den sonstigen Rechnungslegungsstandards (IFRS, Handelsgesetzbuch), entspricht.
Die Prüfstelle wird nicht nur bei konkreten Anhaltspunkten für einen Verstoß gegen die Vorschriften zur Rechnungslegung tätig, sondern hat auch ohne besonderen Anlass die Abschlüsse entsprechender Unternehmen stichprobenartig zu prüfen.
Gesetzliche Grundlage für die Arbeit der DPR sind die §§ 342b ff. HGB, die durch das Bilanzkontrollgesetz[3] in das HGB eingefügt wurden und ab 21. Dezember 2004 in Kraft traten. Prüfungen durch eine anerkannte Prüfstelle im Sinne von § 342b Abs. 1 HGB fanden nach Art. 56 EGHGB ab dem 1. Juli 2005 statt. In einer Erhebung der Prüfungswirtschaft zum 5-jährigen Bestehen der Prüfstelle äußerten sich die Mehrzahl der befragten Großunternehmen mit den Prüfpraktiken der DPR zufrieden, wünschten sich aber einen noch schnelleren und kundenseitig ressourcenschonenderen Durchlauf.[4]
Die Kapitalgesellschaften arbeiten im Prinzip auf freiwilliger Basis mit der Prüfstelle zusammen. Sollte sich eine Aktiengesellschaft jedoch weigern, dieser Prüfung zuzustimmen, dann wird die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) tätig. Die Bafin ist berechtigt, mit Zwangsmaßnahmen eine Bilanzprüfung durchzusetzen und eventuelle Fehler in der Bilanz zu korrigieren (§§ 106 ff. Wertpapierhandelsgesetz). Die Bafin kann jedoch auch in Verdachtsfällen nicht eigenständig agieren, sondern ist gesetzlich zur Einschaltung der DPR verpflichtet. Aufgrund von zu wenig Personal (nach FAZ-Informationen war beispielsweise mit dem Fall Wirecard in den 16 Monaten vor Aufdeckung des Betrugsfalls im Wesentlichen nur ein einzelner Mitarbeiter betraut) zogen sich Prüfungen sehr in die Länge und machten so ein schnelles Eingreifen der staatlichen Organe unmöglich.[5]
Die DPR hat 15 Mitarbeiter und ein Jahresbudget von 6 Millionen Euro.[6] Pro Jahr führt die DPR zwischen 130 und 140 Prüfungen bei Unternehmen durch. Eine Prüfung dauert durchschnittlich drei bis sechs Monate, in dieser Zeit müssen im Schnitt zwei bis vier Frageschreiben der DPR beantwortet werden.[4]
Mitglieder
Der Verein wurde am 14. Mai 2004 von 15 Berufs- und Interessenvertretungen gegründet und am 10. September 2004 in das Vereinsregister des Amtsgerichts Charlottenburg eingetragen. Er zählt heute 17 Mitglieder. Die Mitgliedschaft ist auf den Kreis von Berufs- und Interessenvertretungen von Rechnungslegern und Rechnungsleger-Nutzern beschränkt.
Gründungsmitglieder
- Bundesverband der Deutschen Industrie
- Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken
- Bundesverband deutscher Banken
- Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands
- Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz
- Deutscher Genossenschafts- und Raiffeisenverband
- Deutscher Gewerkschaftsbund
- Deutscher Industrie- und Handelskammertag
- Deutscher Sparkassen- und Giroverband
- Deutsches Aktieninstitut
- Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee
- Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft
- Institut der Wirtschaftsprüfer
- Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger
- Wirtschaftsprüferkammer
Später beigetretene Mitglieder
Funktionäre
Gründungspräsident war Prof. Dr. Eberhard Scheffler. Sein Amt wurde von Herbert Meyer, Finanzvorstand der Heidelberger Druckmaschinen AG übernommen. Nachfolger ist seit 2011 der ehemalige Finanzvorstand der Deutschen Post AG, Edgar Ernst. Vorstandsvorsitzender des Trägervereins ist seit 2016 der frühere RWE-Finanzvorstand Rolf Pohlig; Gründungsvorsitzender und Pohligs Vorgänger war Werner Brandt, Finanzvorstand des Softwarekonzerns SAP.
Finanzierung
Die Finanzierung erfolgt auf Grundlage einer Umlage, wobei Mindest- und Höchstbeträge festgesetzt sind. Die Umlage bemisst sich an den Börsenumsätzen des jeweiligen Umlagepflichtigen im Verhältnis zu allen Umlagepflichtigen. Umlagepflichtig sind Unternehmen mit an einem deutschen Markt gehandelten Wertpapieren.
Vertragskündigung
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hatte der DPR im Februar 2019 wegen Ungereimtheiten in der Halbjahresbilanz 2018 des DAX-Unternehmens Wirecard einen Prüfauftrag gegeben. Die komplexe Prüfung habe lange gedauert, unter anderem weil über 16 Monate hinweg im Wesentlichen nur ein Mitarbeiter damit betraut gewesen sei.[7] Nach diesem Versagen im Skandal um betrügerische Bilanzen des insolventen Konzerns[5] kündigte die Bundesregierung Ende Juni 2020 die Zusammenarbeit zum 31. Dezember 2021.[8][9] In dem Kontext wird zum Jahreswechsel 2021 auch DPR-Präsident Edgar Ernst sein Amt niederlegen.[10]
Weblinks
- frep.info – Offizielle Website der DPR
Einzelnachweise
- Bundesregierung will Vertrag mit „Bilanzpolizei“ kündigen. In: Frkf. Allg. Ztg., 28. Juni 2020, abgerufen am selben Tag.
- Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. In: boerse.ard.de, 20. Juni 2017, abgerufen am 28. Juni 2020.
- BGBl. 2004 I S. 3408 (PDF)
- Unternehmen geben DPR-Prüfern gute Noten (Memento vom 13. August 2014 im Internet Archive). PricewaterhouseCoopers, Stand: 2010.
- Marcus Theurer: Finanzaufsicht verschleppte Wirecard-Bilanzprüfung. In: Frkf. Allg. Ztg., 27. Juni 2020, abgerufen am 28. Juni 2020.
- Georg Gietsberg: Die „Bilanzpolizei“ sieht sich als Bauernopfer. In: Frkf. Allg. Ztg., 28. Juni 2020, abgerufen am selben Tag.
- FAZ Nr. 26 vom 228.6.2020, S. 27 / dpa-Bericht Bund kündigt Vertrag mit Bilanzprüfern, General-Anzeiger Bonn, 29. Juni 2020, S. 8.
- https://www.wiwo.de/deutsche-pruefstelle-fuer-rechnungslegung-bilanzpolizei-dpr-wehrt-sich-gegen-vorwuerfe-im-wirecard-skandal/25969010.html
- https://www.frep.info/struktur_der_dpr/rechtliche_grundlagen/anerkennungsvertrag.php
- Neuer Rücktritt im Wirecard-Skandal: Präsident der „Bilanzpolizei“ DPR geht, handelsblatt.com vom 24. Februar 2021