Deutsche Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek in Frankfurt am Main (vor allem umgangssprachlich abgekürzt: DB) war eine Vorgängereinrichtung der Deutschen Nationalbibliothek (DNB). Sie war von 1947 bis 1990 das westdeutsche Pendant zu der 1912 gegründeten Deutschen Bücherei in Leipzig mit dem Auftrag, deutsches Schriftgut zu sammeln und die Nationalbibliografie herauszugeben. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands wurden 1990 die Deutsche Bibliothek und die Deutsche Bücherei zu einer gemeinsamen Einrichtung unter der Benennung „Die Deutsche Bibliothek“ zusammengefasst. Seit 2006 lautet deren Bezeichnung „Deutsche Nationalbibliothek“ und Frankfurt ist ein Standort. Dieser wird allerdings weiterhin als Deutsche Bibliothek bezeichnet.[1]
Im Jahr 2006 lagerten vom damaligen Gesamtbestand der Deutschen Nationalbibliothek von 22,2 Millionen Einheiten etwa 8,3 Millionen in Frankfurt am Main.[2] Ende des Jahres 2011 waren von insgesamt rund 27 Millionen Medienexemplaren 10 Millionen in Frankfurt archiviert.[3]
Geschichte
Nach der Teilung Deutschlands infolge des Zweiten Weltkriegs wurde in den westlichen Besatzungszonen bei den Buchhändlern der Ruf nach einem Ersatz für die in der sowjetischen Zone liegende Deutsche Bücherei laut. Die amerikanische Militärregierung gab im September 1946 ihre Zustimmung zur Errichtung einer Präsenzbibliothek. Zuvor auch als Deutsche Bücherei des Westens bezeichnet, nahm die Deutsche Bibliothek im November 1946 in Frankfurt am Main ihre Arbeit auf. Genau wie 1913 die Deutsche Bücherei wurde auch die Deutsche Bibliothek vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels gegründet. Juristisch war sie ab 1947 eine Einrichtung des Buchhandels und der Stadt Frankfurt am Main. Die Stadt Frankfurt am Main hatte die Bibliothek an die Städtische und Universitätsbibliothek unter Leitung von Hanns Wilhelm Eppelsheimer angegliedert.[4] Anfangs war die Bibliothek nur für die amerikanische und britische Zone zuständig und im Rothschildpalais am Untermainkai und seinem Nachbargebäude, dem Manskopfschen Haus, untergebracht. Stichtag für den Sammlungsbeginn war der 8. Mai 1945.[3] Die Räumlichkeiten stellte die Stadt Frankfurt am Main, die Kosten trug der Börsenverein des Deutschen Buchhandels. Eine unzureichende Finanzierung, die unter anderem im Herbst 1949 Überlegungen an eine Übergabe an die Universität Köln, dem Gründungssitz der DFG, zur Folge hatte, führte schließlich 1952 zu einer Umwandlung der Deutschen Bibliothek in eine Stiftung des öffentlichen Rechts. Die Stadt Frankfurt und das Land Hessen traten als die Stifter auf, die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesinnenministerium, das als einen wesentlichen Auftrag den Schutz der Gesellschaft vor kommunistischen Einflüssen sah, und der Börsenverein als Beiträger.[5]:S. 331 Jeder Träger war 1952 mit 60.000 DM (der Bund mit 65.000 DM) jährlich an der Finanzierung der Bibliothek beteiligt. Im Jahr 1954 waren die Beiträge um 71 Prozent höher. Der Börsenverein verkleinerte ab 1956 seine Beiträge.[5]:S. 337 Platzprobleme erforderten schon 1953 die Verteilung der Bestände auf drei Standorte in der Stadt.[4] 1959 zog die Deutsche Bibliothek mit 480.000 Einheiten in einen Neubau in der Zeppelinallee.[5]:S. 494 Kurt Köster wurde neuer Direktor. Die Einweihung des Neubaus war am 24. April 1959 in Anwesenheit des Bundespräsidenten Theodor Heuss.[6] 1961 hatte die Bibliothek 143 Planstellen.
Der Börsenverein schloss von 1963 an alle Mitglieder, die keine Exemplare an die Deutsche Bibliothek ablieferten, aus dem Verein aus. Zusätzlich erfolgte eine kostenlose Belieferung durch die Verlage in der Deutschen Demokratischen Republik. 1965 hatte die Bibliothek eine Million Medieneinheiten. 1969 beschloss der Bundestag das „Gesetz über die Deutsche Bibliothek“, die damit bundesunmittelbare Anstalt des öffentlichen Rechts wurde und der Rechtsaufsicht des Bundesinnenministeriums unterstand. Die Stifter, der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, das Land Hessen und die Stadt Frankfurt am Main, hatten sich zurückgezogen und die Bundesrepublik Deutschland wurde alleiniger Unterhaltsträger. Die Ablieferungspflicht (Pflichtexemplar) wurde damit gesetzlich festgelegt, das heißt, von jeder in Deutschland erschienenen Veröffentlichung mussten der Deutschen Bibliothek zwei Exemplare zur Archivierung übergeben werden. 1970 wurde der Deutschen Bibliothek das Deutsche Musikarchiv in Berlin angegliedert und 1976 wurde Günther Pflug neuer Generaldirektor. Im Jahr 1971 hatte die Deutsche Bibliothek einen Gesamtbestand von rund 1,5 Millionen Bänden[7] und 270 Planstellen, der Maximalwert vor der Vereinigung mit der Deutschen Bücherei war 1981 mit 331 Stellen erreicht.[5]:S. 592 Mitte der 1980er Jahre begann der Aufbau eines Onlinekataloges.[5]:S. 593 Die beiden Bibliotheken in Frankfurt und Leipzig gaben bis 1990 weitgehend identische Nationalbibliografien heraus. 1966 begann die Deutsche Bibliothek unter Leitung des stellvertretenden Generaldirektors Rudolf Blum ihre Bibliografie mit Hilfe der EDV zu erstellen und konnte so die langen Bearbeitungszeiten, mit einem deutlich kleineren Personalaufwand als die Deutsche Bücherei, verkleinern und vor dem Leipziger Pendant erscheinen.[5]:S. 667
Im Einigungsvertrag wurde 1990 die Zusammenführung der Deutschen Bücherei mit der Deutschen Bibliothek (einschließlich des Deutschen Musikarchivs in Berlin) zur DDB (Die Deutsche Bibliothek) mit Sitz in Frankfurt geregelt. Die Deutsche Bibliothek hatte zu diesem Zeitpunkt zusammen mit dem Musikarchiv 4,5 Millionen Medieneinheiten.[8] Anfang der 1980er Jahre umfassten die Bestände mehr als drei Millionen Bände und Ausweichmagazine waren erforderlich. Sieben Jahre nach der Wiedervereinigung und nach fünf Jahren Bauzeit wurde am 14. Mai 1997 in Frankfurt ein neues Bibliotheksgebäude eingeweiht und mit rund 6 Millionen Medieneinheiten bezogen.
Gebäude
Neubau 1959
Den 1959 eingeweihten Neubau entwarfen die Architekten Alois Giefer und Hermann Mäckler im Stil der Nachkriegsmoderne. Die Bibliotheksgebäude kosteten 2,5 Millionen DM und wurden vom Bund finanziert.[5]:S. 494 Sie bestanden aus einem zweistöckigen Verwaltungstrakt mit einer mittig angeordneten gläsernen Eingangsfront, der später um ein Geschoss aufgestockt wurde, und einem Magazinturm mit Lesesälen in den beiden unteren Geschossen, der 1968[9] auf 55 Meter Höhe aufgestockt wurde. Im Jahr 1971 wurde die Bibliothek um ein 10-geschossiges Verwaltungsgebäude erweitert.[7]
Der Gebäudekomplex wurde nach dem Auszug im Jahr 1997 durch die Universität Frankfurt am Main genutzt. 2004 folgte der Verkauf der Immobilie an die Kreditanstalt für Wiederaufbau, die das Ensemble, bestehend aus zwei Magazintürmen, einem Verwaltungstrakt und einer Tiefgarage, für den Bau der Westarkade abbrechen ließ.
Neubau 1997
Einen 1981 ausgeschriebenen Architekturwettbewerb gewannen die Stuttgarter Architekten Mete Arat, Hans-Dieter Kaiser und Gisela Kaiser 1984. Sie erhielten 1985 auch den Planungsauftrag. Die Planungen wurden aufgrund der Wende zeitweise gestoppt.[3] Der 1997 eröffnete Bibliotheksneubau kostete 250 Millionen DM. Das Bauwerk in der Adickesallee 1 hat eine Hauptnutzfläche von 47.000 Quadratmetern. In seinen drei unterirdischen Geschossen ist eine klimatisierte Magazinfläche von etwa 31.000 Quadratmetern für 18 Millionen Medien vorhanden. Der Magazinraum ist bis in die 2040er-Jahre ausreichend.[10] Die Magazinflächen können optional um 10.000 Quadratmeter Fläche der Tiefgarage vergrößert werden. Die unterirdischen Etagen liegen im Grundwasser und sind als Weiße Wanne mit einer zusätzlichen Außenabdichtung ausgebildet, deren Bodenplatte mit einer Schicht von 70.000 Tonnen Eisenerz gegen Auftrieb gesichert[11] und in die eine zweite, innenbelüftete Betonwanne eingebaut ist. 2001 erfolgte eine Nachrüstung der Lesesäle mit einer Belüftungsanlage. Für die Möglichkeit eines späteren Erweiterungsbaus wurde gegenüber der Bibliothek an der Adickesallee ein Grundstück gesichert. Insgesamt gibt es 333 Lesesaalplätze (Stand:2021).[12]
Vor der Bibliothek steht eine Backsteinkolonade (1996) von Per Kirkeby. In der Mitte der Eingangshalle befindet sich die Skulptur „Armalamor“ (1994) von Georg Baselitz und im Treppenhaus zur Tiefgarage die Installation „Flügel“ von Ilya Kabakov.
Literatur
- Christian Rau: »Nationalbibliothek im geteilten Land«. Die Deutsche Bücherei 1945–1990. Wallstein Verlag, Göttingen 2018, ISBN 978-3-8353-3199-0. Online: urn:nbn:de:101:1-2020060409532263435358.
- Bernd Hettlage: Deutsche Nationalbibliothek Frankfurt am Main. In: Die neuen Architekturführer Nr. 181, Stadtwandel Verlag, Berlin 2012, ISBN 978-3-86711-190-4.
Weblinks
Einzelnachweise
- § 1 DNBG
- Michaela Michel: Die Deutsche Nationalbibliothek im Überblick. Homepage der Deutschen Nationalbibliothek, Online-Ressource, abgerufen am 14. Oktober 2006
- Bernd Hettlage: Deutsche Nationalbibliothek Frankfurt am Main. In: Die neuen Architekturführer Nr. 181, Stadtwandel Verlag, Berlin 2012, ISBN 978-3-86711-190-4.
- Christian Rau: Bibliotheksgeschichte als Zeitgeschichte:Die Deutsche Bibliothek seit 1946. In: Dialog mit Bibliotheken. Band 30, Nr. 2, 2018, DNB 1168258715, S. 15–26, urn:nbn:de:101-2018091409.
- Christian Rau: »Nationalbibliothek im geteilten Land«. Die Deutsche Bücherei 1945–1990. Wallstein Verlag, Göttingen 2018, ISBN 978-3-8353-3199-0.
- Einweihung des Neubaus der Deutschen Bibliothek in Frankfurt, 24. April 1959. Zeitgeschichte in Hessen. (Stand: 20. Februar 2019). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
- Hf: Frankfurt, Deutsche Bibliothek. In: Bibliotheksdienst,Nachrichten, Band 4, Heft 5, 1970, S. 194. https://doi-org.wikipedialibrary.idm.oclc.org/10.1515/bd.1970.4.5.189
- Ute Schwens und Jörg Räuber: Aus Zwei mach Eins. In: Dialog mit Bibliotheken 2015/2. S. 10
- frankfurt.de: Chronik des Westends
- Ute Schwens: 1997 bis 2017 – 20 Jahre Adickesallee 1. In: Dialog mit Bibliotheken. Band 29, Nr. 1, 2017, S. 61.
- Florian Balke: Doppelt sammeln hält besser. In: faz.net, 24. März 2012
- dnb.de: Gebäude und Kongresszentrum