Dematerialisierung
Dematerialisierung ist eine Strategie mit dem Ziel, die Stoffströme stark zu reduzieren, die durch menschliches Handeln, vor allem durch wirtschaftliche Tätigkeit, verursacht werden. Dazu soll der Material- und Energieverbrauch des sozio-ökonomischen Systems stark verringert werden. Das dahinter stehende Ziel ist die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse bei gleichzeitiger Reduzierung der Umweltbelastungen in absoluten Zahlen.[1][2] Darüber hinaus gibt es den Begriff in der Wirtschaft und im Wertpapierrecht.
Notwendigkeit der Dematerialisierung
Vertreter der Dematerialisierung begründen die Notwendigkeit einer Verringerung der Stoffströme mit zwei Überlegungen:[3]
- Bisher nutzten rund 20 % der Erdbevölkerung 80 % der Ressourcen und der damit verbundenen Stoffströme. Für 80 % der Bevölkerung standen lange Zeit 20 % der Stoffströme zur Verfügung. Durch das starke Wirtschaftswachstum einiger Schwellenländer im Zuge der nachholenden Entwicklung nehmen die Stoffströme global gesehen seit einigen Jahren stark zu.
- Die ökologischen Folgen dieser umfangreichen und zunehmenden Stoffströme sind entweder negativ (z. B. Ozonloch, Klimawandel, Versteppung) oder unbekannt. Daher verlangt das Vorsorgeprinzip eine Stoffstromreduktion, um eine Überbelastung der ökologischen Systeme (z. B. Grundwasser, Böden) auszuschließen.
Dematerialisierung bedeutet für die Umweltpolitik einen Paradigmenwechsel, weil dabei der Schwerpunkt von der Outputseite der Volkswirtschaft (Emissionen und Abfälle und deren Umweltwirkungen) auf die Inputseite (Produktionsfaktoren) verschoben wird.
Das Konzept der Dematerialisierung wurde in den 1990er Jahren zuerst durch Friedrich Schmidt-Bleek konkretisiert. Schmidt-Bleek plädiert für eine Dematerialisierung um den Faktor 10: Die Stoffströme müssten sich global gesehen um rund die Hälfte reduzieren, um wieder ein nachhaltiges Niveau zu erreichen. Für industrialisierte Staaten wie Deutschland bedeute dies eine Reduktion um den Faktor 10, also auf etwa 10 % der derzeitigen Stoffströme.[4][5] Zur Bewertung und Umsetzung von Dematerialisierungsvorhaben entwickelten Schmidt-Bleek und andere ab 1992 das MIPS-Konzept.
Wirtschaft und Wertpapierrecht
Als Dematerialisierung wird in der Wirtschaft und im Wertpapierrecht der Trend von der klassischen Papierform eines Trägermediums zu digitalen Daten bezeichnet. Beispiele sind die Verwendung von Buchgeld anstatt Bargeld, die Einführung von Kryptowährungen oder die Einführung von elektronischen Wertpapieren anstelle von Wertpapierurkunden. Bei allen wird die Papierform als Trägermedium für Finanzinstrumente abgelöst (dematerialisiert) durch digitale Formen.[6] Das Gesetz über elektronische Wertpapiere (eWpG) vom Juni 2021 ermöglicht den Wertpapierhandel mit völlig urkundenlosen Finanzinstrumenten, indem es deren Übergabe durch Eintragung im Wertpapierregister nach § 4 Abs. 4 eWpG ersetzt.[7]
Literatur
- Literatur über Dematerialisierung im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
Einzelnachweise
- Sustainable Europe Research Institute (SERI): Integrating Policies
- Factor 10 Institute: Begriffe: Dematerialisierung. 2008. Abgerufen am 2. Juli 2014
- Lexikon der Nachhaltigkeit: Dematerialisierung. SERI/Aachener Stiftung, 10. April 2014. Abgerufen am 2. Juli 2014
- Friedrich Schmidt-Bleek: Wieviel Umwelt braucht der Mensch. Faktor 10 – das Maß für ökologisches Wirtschaften. dtv, München 1997, ISBN 978-3-423-30580-8.
- Factor 10 Institute: Begriffe: Faktor 10. 2008. Abgerufen am 2. Juli 2014
- Adam Reining, Lexikon der Außenwirtschaft, 2003, S. 99
- BT-Drs. 19/26925 vom 24. Februar 2021, Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von elektronischen Wertpapieren, S. 39