Deinocheirus
Deinocheirus ist eine Gattung von Dinosauriern aus der Gruppe der Theropoda, von der lange Zeit nur zwei riesige Vordergliedmaßen, der Schultergürtel und einige wenige andere Knochen bekannt waren, die 1965 von einer polnisch-mongolischen Expedition entdeckt und 1970 beschrieben wurden. Die fossilen Überreste von Deinocheirus wurden in der Nemegt-Formation in der mongolischen Provinz Ömnö-Gobi-Aimag entdeckt und 1970 von den Paläontologen Halszka Osmólska und Ewa Roniewicz erstbeschrieben. Der Name leitet sich von den griechischen Wörtern deinos (‚schrecklich‘) und cheir (‚Hand‘) ab. Typusart und einzig bekannte Art ist Deinocheirus mirificus.[2]
Deinocheirus | ||||||||||||
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Lebendrekonstruktion von Deinocheirus basierend auf Yuong-Nam Lee et al. (2014).[1][An 2] | ||||||||||||
Zeitliches Auftreten | ||||||||||||
Unteres Maastrichtium (Oberkreide)[1] | ||||||||||||
72 bis 69,9 Mio. Jahre | ||||||||||||
Fundorte | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Deinocheirus | ||||||||||||
Osmólska & Roniewicz, 1970 |
Die Funde werden in die späte Oberkreide (Unteres Maastrichtium) auf ein Alter von 72 bis 69 Millionen Jahre datiert. Repliken der fossilen Arme sind zurzeit im American Museum of Natural History, New York, im Natural History Museum, London, dem Dinosaur Museum in Utah und dem Paläontologischen Museum der Universität von Oslo ausgestellt. Weitere Fossilien der Gattung wurden 2006 und 2009 gefunden und 2014 beschrieben. Mit ihrer Hilfe konnte das äußere Erscheinungsbild von Deinocheirus geklärt werden.[1]
Merkmale
Die Vordergliedmaßen des Holotyps (ZPal MgD-I/6) sind rund 2,4 Meter lang, allein der Oberarmknochen misst 94 Zentimeter. Die drei Mittelhandknochen sind annähernd gleich lang (21 bis 24 Zentimeter), die drei Finger tragen große, gebogene Krallen, die vorne zugespitzt sind. Die Arme zeigen einige Ähnlichkeiten mit den Ornithomimosauria, wie etwa die ungefähr gleiche Länge der Mittelhandknochen oder der verkleinerte Deltopectoralkamm am Oberarm. Hingegen sind im Gegensatz zu diesen Dinosauriern die Elle und Speiche nicht zusammengedrückt und auch das Schulterblatt unterscheidet sich.[3]
Die weiteren Funde aus den 2000er Jahren sind wesentlich vollständiger. Das Exemplar mit der Katalognummer MPC-D 100/127 ist ein nahezu vollständiges Skelett. Es fehlen lediglich der rechte Vorderarm, die mittleren Rückenwirbel und zahlreiche Schwanzwirbel. MPC-D100/128 besteht aus Teilen der Wirbelsäule (die Halswirbel fehlen), Teilen des Beckens (dem Darmbein (Ilium) und einem teilweise erhaltenen Sitzbein (Ischium)) und dem linken Hinterbein. Sie zeigen, dass Deinocheirus eine Länge von elf Metern, eine Standhöhe von vier Metern und ein Gewicht von über sechs Tonnen erreichte. Er war damit der größte und schwerste bekannte Vertreter der Ornithomimosauriden. Das Maul war zahnlos, die für Ornithomimosauriden ungewöhnlich lange Schnauze war lang und breit. Die Schnauze war vorn nach unten gebogen und von oben gesehen vorne entenschnabelartig verbreitert, ähnlich wie bei den nicht näher verwandten Hadrosauriern. Die Schnauzenspitze trug beim lebenden Tier wahrscheinlich einen Hornschnabel. Der Unterkiefer war wesentlich höher als der Oberkiefer und könnte einer massigen Zunge Raum geboten haben. Da die Ansatzstellen der Kiefermuskeln für einen so großen Schädel relativ klein waren, war die Beißkraft von Deinocheirus eher gering. Die zehn Halswirbel waren lang und abgeflacht. Nach hinten werden sie zunehmend kürzer und mehr trapezförmig. Dies führte dazu, dass der Hals beim lebenden Tier S-förmig gebogen war. Die Rückenwirbel wiesen lange Dornfortsätze auf und stützten, ähnlich wie bei Spinosaurus und Ouranosaurus, ein Rückensegel oder einen Höcker wie bei einem Kamel. Die größten Dornfortsätze waren 8,5-mal höher als der Wirbelkörper. Ein kompliziertes System von Bändern zwischen den Dornfortsätzen diente wahrscheinlich dazu, nach der Funktionsweise einer Schrägseilbrücke, den schweren Körper zu tragen. Aus demselben Grund war das Becken hypertrophiert. Ischium und Pubis waren gleich lang. Die Hinterbeine waren relativ kurz und trugen verkürzte Zehen, deren Spitzen hufähnlich verbreitert waren. Der Oberschenkelknochen war länger als das Schienbein. Wie bei Vögeln waren die Schlüsselbeine zu einem U-förmigen Knochen, dem Gabelbein (Furcula), verwachsen. Alle Wirbel mit Ausnahme des Atlas und der letzten Schwanzwirbel und die Dornfortsätze der sechs Kreuzbeinwirbel waren pneumatisiert (hohl und mit Luft gefüllt). Der Schwanz endete in einem aus zwei zusammengewachsenen Wirbeln gebildeten Pygostyl, an dem möglicherweise Schwanzfedern saßen, ähnlich wie bei den Therizino- und Oviraptorosauriden. Pygostyl und Furcula waren bisher bei Ornithomimosauriden unbekannt. Die Größe und möglicherweise die Färbung des Rückensegels und die Schwanzfedern könnten der Kommunikation mit Artgenossen (intraspezifische Kommunikation) und dem Imponierverhalten gedient haben.[1]
Lebensweise
Im Bauchbereich von MPC-D 100/127 wurden mehr als 1400 Gastrolithen (⌀ 8 bis 87 mm) und Knochen sowie Schuppen von Fischen gefunden. Die langen Vordergliedmaßen mit den starken Krallen konnten wahrscheinlich auch zum Ausgraben und Sammeln von Pflanzen gedient haben. Somit war Deinocheirus ein Allesfresser, der in einer feuchten, durch mäandrierende Flussarme geprägten Umgebung lebte. Die kurzen Hinterbeine zeigen, dass er sich nur relativ langsam bewegen konnte und schwerfällig war. Die breiten Füße verhinderten ein Einsinken in den feuchten Boden. Der Gigantismus von Deinocheirus könnte einen gewissen Schutz vor Fleischfressern wie Tarbosaurus geboten haben.[1] Fragmentierte Einzelknochen und Gastralia, die dem Holotypexemplar zugeordnet werden, weisen aber Bissspuren auf, die wahrscheinlich von Tarbosaurus stammen.[4]
Systematik
Wie schon von den Autoren der Erstbeschreibung vermutet, gehört Deinocheirus zu den Ornithomimosauria, den „Vogelnachahmerechsen“, die häufig mit Laufvögeln verglichen und auch „Straußendinosaurier“ genannt werden. Zusammen mit seiner Schwestergattung Garudimimus und Beishanlong, beide ebenfalls aus Asien, bildet Deinocheirus die Familie Deinocheiridae, die die Schwestergruppe der Ornithomimidae ist.[1]
Das folgende Kladogramm zeigt die systematische Stellung von Deinocheirus innerhalb der Ornithomimosauria.[1]
Ornithomimosauria |
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Anmerkung
- Die volle Befiederung in dieser Rekonstruktionszeichnung ist spekulativ. Anzeichen für eine daunenartige Befiederung gibt es bisher innerhalb der Ornithomimosauria nur bei Ornithomimus. In der Arbeit von Yuong-Nam Lee und Kollegen ist eine Rekonstruktionszeichnung abgebildet, bei der Deinocheirus nur an den Unterseiten der Arme, auf dem Kopf und am Schwanzende befiedert ist. Aber auch das ist spekulativ.
- Die volle Befiederung in dieser Rekonstruktionszeichnung ist spekulativ. Anzeichen für eine daunenartige Befiederung gibt es bisher innerhalb der Ornithomimosauria nur bei Ornithomimus. In der Arbeit von Yuong-Nam Lee und Kollegen ist eine Rekonstruktionszeichnung abgebildet, bei der Deinocheirus nur an den Unterseiten der Arme, auf dem Kopf und am Schwanzende befiedert ist. Aber auch das ist spekulativ.
Einzelnachweise
- Yuong-Nam Lee, Rinchen Barsbold, Philip J. Currie, Yoshitsugu Kobayashi, Hang-Jae Lee, Pascal Godefroit, François Escuillié and Tsogtbaatar Chinzorig. 2014. Resolving the Long-standing Enigmas of A Giant Oornithomimosaur Deinocheirus mirificus. Nature. Oktober 2014, doi:10.1038/nature13874
- Halszka Osmólska, Ewa Roniewicz: Deinocheiridae, a new family of theropod dinosaurs. In: Palaeontologia Polonica. Bd. 21, 1970, ISSN 0078-8562, S. 5–19, Digitalisat (PDF; 1,5 MB)
- Peter J. Makovicky, Yoshitsugu Kobayashi, Philip J. Currie: Ornithomimosauria. In: David B. Weishampel, Peter Dodson, Halszka Osmólska (Hrsg.): The Dinosauria. 2nd edition. University of California Press, Berkeley CA u. a. 2004, ISBN 0-520-24209-2, S. 137–150.
- Bell, P. R.; Currie, Philip J.; Lee, Yuong-Nam (2012). Tyrannosaur feeding traces on Deinocheirus (Theropoda: ?Ornithomimosauria) remains from the Nemegt Formation (Late Cretaceous), Mongolia. Cretaceous Research 37 (2012): 186–190. doi:10.1016/j.cretres.2012.03.018