Darmstadtium (Kongresszentrum)
Das Darmstadtium (Eigenschreibweise darmstadtium) ist ein Wissenschafts- und Kongresszentrum (WKZ) im Zentrum der Wissenschaftsstadt Darmstadt. Die Namensgebung – in einem Wettbewerb vorgeschlagen von Peter Strehl und Christian Dindorf – wurde angeregt durch den Namen Darmstadtium, den ein in Darmstadt 1994 entdecktes chemisches Element im Jahr 2003 zuerkannt bekam. Diese Verbindung zur Wissenschaft und zugleich als Name für ein Haus erschien dem damaligen Oberbürgermeister Peter Benz ideal für das Kongresszentrum.
Nutzung
Das Darmstadtium ist geeignet für internationale Kongresse und Konferenzen. Gleichzeitig bietet das Haus den Rahmen für Unternehmens- und Produktpräsentationen, repräsentative Empfänge, Messen, Kultur- und Konzertveranstaltungen und andere Events.
Das Darmstadtium ist verkehrsgünstig in Darmstadt gelegen und nur einige Schritte von der Innenstadt entfernt. Auf 18.000 Quadratmetern findet sich hier ein multifunktionales barrierefreies Raumangebot: 21 flexibel kombinierbare Seminar- und Konferenzräume für insgesamt bis zu 1300 Personen, ein zwei- oder dreifach teilbarer großer Saal und ein kleinerer Kongresssaal mit modernster Kommunikations- und Tagungstechnik, sowie lichtdurchflutete Foyerflächen für begleitende Ausstellungen. Der 1.300 m2 große Hauptsaal (teilbar) bietet 1.677 Sitzplätze in Reihenbestuhlung, der kleinere Saal hat auf 650 m² Platz für bis zu 383 Personen. Das Restaurant CALLA[1] bietet Platz für 80 Personen sowie ein Café für 50 Personen. Außerdem gehören eine Dachterrasse mit Platz für 200 Gäste und eine hauseigene Tiefgarage mit 454 Parkplätzen (damit verbunden weitere 2000 Garagenplätze) zum Darmstadtium.
Als Kongresszentrum der Stadt Darmstadt ist das Darmstadtium in sehr vielen Belangen an die Wissenschaft angeknüpft – nicht nur der eigene Name stammt aus dem Periodensystem, sondern auch die Namen der Räume sind größtenteils chemische Elemente, wie unter anderem Helium, Palladium und Xenon (Eigenschreibweisen der Raumnamen klein).
Während der COVID-19-Pandemie wurde im Darmstadtium von Dezember 2020 bis September 2021 ein regionales Impfzentrum betrieben.[2]
IT-Infrastruktur
Das Kongresszentrum in Darmstadt stellt hausweit eine Netzwerktechnik zur Verfügung, wie sie sonst nur Großversorger unterhalten. Dank der Zusammenarbeit mit der TU Darmstadt ist eine Internet-Anbindung mit bis zu 10 Gigabit möglich. Zusätzlich wird ein hochperformanter interner 10 Gbit/s Backbone betrieben, um eine extreme Ausfallsicherheit zu gewährleisten. Das Haus verfügt über 80 Zugangspunkte für drahtlose Internetnutzung (WLAN). Ende 2013 wurde die WLAN Infrastruktur modernisiert und auf den im September 2013 verabschiedeten ac-Standard ausgebaut. Kabellose Übertragungsraten von bis zu 600 Mbit/s werden dann erstmals in einem Kongresszentrum möglich sein. Bis zu 3.000 Besucher können gleichzeitig auf ihrem Laptop mit Höchstgeschwindigkeit online arbeiten. Jeder hat dann permanent eine Datenrate von fünf Megabit pro Sekunde zur Verfügung. Diese Anbindungsqualität besteht auch beim Upload: Aus dem Darmstadtium können weltweit in Echtzeit Live-Übertragungen abgerufen werden. Ein Alleinstellungsmerkmal der Datenanbindung in Europa ist die in direkte Konnektivität zu den bedeutendsten Knotenpunkten wie DE-CIX (Weltweit größter Knoten) und AMS-IX (Größter Transatlantischer Übergabepunkt). Außerdem wurde 2017 auf die „Wave 2“, also die zweite Stufe des ac-Standards aufgerüstet. Seit September 2013 wurde eine beispiellos ausgeführte, technologisch über die bereits bestehende innerhäusliche Mobilfunkversorgung erarbeitete, flächendeckende erstklassige Versorgung der Dienste GSM, UMTS und des derzeit schnellsten Mobilfunkdienst LTE. Erreicht werden diese Spitzentechnologien im darmstadtium durch die enge Zusammenarbeit mit weltweit führenden Unternehmen in der IT-Branche.
Für seine erstklassige digitale Infrastruktur erhielt das Darmstadtium im Jahr 2014 den ersten INCON Digital Infrastructure Award. Weltweit standen unterschiedliche Veranstaltungsstätten im Wettbewerb – für die Jury hat sich das darmstadtium durch seine erstklassige Infrastruktur und kontinuierliche Weiterentwicklung und Verbesserung vor Melbourne und Amsterdam an die internationale Spitze gesetzt.[3]
Nachhaltigkeit
Mit entsprechenden architektonischen Lösungen und einer umfangreichen Nutzung von Erdwärme, Solarenergie und Biomasse sowie dem Bezug von Ökostrom erreicht das Darmstadtium in der Gesamtbilanz eine nahezu vollständige Versorgung des Gebäudes durch erneuerbare Energien. Spezielle Verträge mit der Deutschen Bahn ermöglichen auch eine CO2-neutrale Anreise. Das Gebäude ist „Green Globe“-zertifiziert.[4] Damit verpflichtet sich das Kongresszentrum zu einer umwelt- und sozialverträglichen Wirtschaftsweise. „Green Globe“-Auflagen sind unter anderem Energieeffizienz, Einkauf regionaler Produkte und Dienstleistungen, Mitarbeiterschulungen zu ökologischen Fragen und eine Berücksichtigung von Frauen und Minderheiten auch in Führungspositionen. Mit dem Stromanbieter Entega besteht eine Klimapartnerschaft. Eine EMAS Plus-Zertifizierung ist geplant.
Zudem ist das Darmstadtium das erste DGNB-zertifizierte, nachhaltige Kongresszentrum Deutschlands,[5] Das Darmstadtium unterstützt die Aktion „fairpflichtet“[6] des GCB und EVVC und folgt den Grundsätzen der „nachhaltig handelnden Unternehmer“. Die unvermeidbaren CO2-Emissionen werden darüber hinaus vom lokalen Ökostromanbieter Entega kompensiert. Das Darmstadtium übernimmt Verantwortung und kompensiert alle stationären CO2-Emissionen des Kongresszentrums. 2014 erhielt das Darmstädter Kongresszentrum zudem den ersten Preis im Wettbewerb „Büro und Umwelt“ (Kategorie bis zu 500 Mitarbeiter). Im Mittelpunkt des Wettbewerbs des Bundesdeutschen Arbeitskreises für Umweltbewusstes Management (B.A.U.M. e.V.) steht der schonende Umgang mit Ressourcen im Büroalltag sowie die Beachtung von Umweltaspekten bei der Beschaffung von Büroprodukten.[7]
Bau
Entworfen hat das Gebäude der Wiener Architekt Talik Chalabi. Bauherr des Darmstadtiums sind die Stadt und die Technische Universität Darmstadt. Am 6. Dezember 2007 wurde der östlich gegenüber dem Darmstädter Schloss gelegene Neubau nach fast dreijähriger Bauzeit eröffnet. Das Gebäude (Neokonstruktivismus) besteht aus vier verschachtelten Gebäudeteilen, die kaum rechte Winkel aufweisen. Aus diesem Grunde erhielt das Darmstadtium schnell den Spitznamen „schepp Schachtel“ (= schiefe Schachtel) von den Darmstädtern. Die Außenfassade ist charakterisiert durch weitgehend schräge und spitz zulaufende Glasflächen. Die Gesamtfläche des Gebäudes beträgt 18.000 m2. Das Kongressgebäude hat einen Bruttorauminhalt von zirka 110.000 m3, die zweigeschossige Tiefgarage rund 45.000 m3. Es wurden 43.000 m3 Beton und 7300 t Stahl verbaut. Während der langen Bauzeit war das Darmstadtium Hessens größte öffentliche Baustelle. Die Baugrube hatte eine Tiefe von 16 Metern. Aus ihr wurden etwa 180.000 m3 Erde ausgehoben.
Während der Bauarbeiten entdeckte man im Westen Teile eines historischen Wehrturms. Dieser wurde – wie auch Teile der mittelalterlichen Stadtmauer – in das Darmstadtium integriert und soll einen Kontrast zur modernen Architektur bilden. Nicht nur im Foyer, sondern auch in einzelnen Konferenzräumen ist die Stadtmauer zu sehen.
Seit 2013 wurde im Darmstadtium erneut gebaut: Der wachsende Bedarf an Veranstaltungsräumen hat zur Konsequenz, dass der bisher nicht genutzte „Kleine Saal“ benötigt wird. Als 26. Saal fügt sich auch der Kleine Saal in die Reihe der nach chemischen Elementen benannten Räume im Darmstadtium ein und wird nach dem 26. Element im Periodensystem benannt: ferrum (Eisen). Seit Dezember 2014 steht ferrum als zusätzlicher Veranstaltungsraum mit überwiegend fester Bestuhlung und eigenen Foyerflächen zur Verfügung. Er bietet auf 650 m² in ansteigender Kinobestuhlung mit klappbarem Businesstisch bis zu 390 Personen Platz. Damit ist er eine „Zwischengröße“ – die Konferenzräume fassen maximal 300 Personen, der große Kongresssaal bis zu 1677.
Kosten
Die Baukosten hat vollständig die Stadt Darmstadt getragen, das Land Hessen stellt das Grundstück, die Technische Universität Darmstadt übernimmt eine Belegungsgarantie für ein bestimmtes Kontingent. Die Schlussabrechnung der Baukosten vom September 2010 weist einen Betrag von 90,5 Millionen Euro aus, gegenüber ursprünglich veranschlagten 77 Millionen Euro. In dieser Summe waren der Innenausbau sowie die Kosten für die Fertigstellung eines Kleinen Saales zur Nutzung für Parallelveranstaltungen im Großen Saal noch nicht enthalten.[8]
Zu den laufenden Kosten erklärte Oberbürgermeister Walter Hoffmann kurz vor der Einweihung im Dezember 2007, dass ein jährliches Betriebsdefizit zwischen 2,3 und 3,5 Millionen Euro „politisch gewollt“ sei.[9]
Seit 1. Januar 2011 ist Lars Wöhler als neuer Geschäftsführer eingesetzt, dessen erklärtes Ziel eine Verbesserung der Zusammenarbeit mit Forschung – insbesondere TU Darmstadt – und Unternehmen (Key-Account-Management) ist. Die damit erhoffte Umsatzsteigerung soll den benötigten Zuschuss zu den operativen Kosten auf 1,2 Millionen Euro begrenzen. Im Jahr 2014 wurde erstmals ein Umsatz von über 4 Millionen Euro verzeichnet, der Betriebskostenzuschuss wird stetig gesenkt.
Im Jahr 2014 wurde das Darmstadtium mit dem Ausbau des Kleinen Saals endgültig fertiggestellt. Die Gesamtbaukosten liegen abschließend bei 93,5 Millionen Euro (Ausbau Kleiner Saal unter 4 Millionen Euro).[10]
2018 meldete das Darmstadtium ein weiteres Umsatzplus für das Jahr 2017 und ein erstmals ausgeglichenes operatives Ergebnis. Es wurden knapp 5,5 Mio. Euro Umsatz erzielt, durch die positive Entwicklung konnte 2017 auch ein Konsolidierungsbeitrag von 350.000 Euro an die Stadt Darmstadt geleistet werden, um deren wirtschaftliche Gesamtsituation zu unterstützen.[11]
Kritik
Das Kongresszentrum ist wegen der Bau- und Folgekosten in Darmstadt umstritten. So wird es auch mittelfristig nicht in der Lage sein, kostendeckend zu arbeiten. Der Steuerzahlerbund kritisierte in seinem Schwarzbuch 2008 mangelnde Kostenkontrolle.[12] Die Eröffnung vor dem Abschluss aller Bauarbeiten führte zudem zu vereinzelten Veranstaltungsabsagen und Beschwerden von Künstlern über die Baustellenverhältnisse. Helge Schneider verschob während der Bauarbeiten einen Auftritt kurzfristig,[13] holte diesen Termin aber zehn Monate später nach.
Varia
Im Kongresszentrum befindet sich das restaurierte Original der Darmstadtia.
An den Autobahnen A67 und A5 in der Nähe des Darmstädter Kreuzes stehen seit 2018 Unterrichtungstafeln mit dem Bild des Kongresszentrums Darmstadtium und einer Darstellung des in Darmstadt am GSI Helmholtz-Zentrum entdeckten Elements Darmstadtium.
Das Kongresszentrum diente als einer der Drehorte des 2017 erschienenen Spielfilms Jugend ohne Gott von Regisseur Alain Gsporner.[14]
Weblinks
Einzelnachweise
- Restaurant Calla
- Impfzentrum Darmstadt. (Nicht mehr online verfügbar.) Stadt Darmstadt, archiviert vom Original am 17. August 2021; abgerufen am 25. September 2021.
- INCON-Award 2014. INCON PCO. Abgerufen am 20. März 2017.
- Green Globe Member List. Green Globe Certification, abgerufen am 11. März 2012.
- Erstes DGNB-zertifiziertes, nachhaltiges Kongresszentrum. EVVC, abgerufen am 20. März 2017.
- Nachhaltigkeitskodex der deutschsprachigen Veranstaltungsbranche. In: fairpflichtet.de. Abgerufen am 4. April 2013.
- Klimafreundlicher Tagungsort. In: cebra.biz. Abgerufen am 4. Dezember 2014.
- Kleiner Saal im Darmstadtium bietet großes Potenzial. In: echo-online.de, abgerufen am 16. Januar 2011
- Defizit war „politisch gewollt“. In: Darmstädter Echo, 3. Dezember 2007 (Memento vom 27. Februar 2009 im Internet Archive)
- Ein von Wachstum geprägtes Jahr. In: Darmstadtium.de, 11. Dezember 2014
- Operatives Ergebnis in 2017 erstmals ausgeglichen In: Darmstadtium.de, 17. Mai 2018
- Wissenschafts- und Kongreßzentrum Darmstadt. (Memento vom 14. Oktober 2008 im Internet Archive) In: Schwarzbuch 2008
- Konzertverlegung in Darmstadt auf den 4. November 2008. Archiviert vom Original am 30. April 2008; abgerufen am 12. Mai 2012.
- DarmstadtNews.de: Das darmstadtium als Filmkulisse. In: DarmstadtNews.de. Abgerufen am 11. Oktober 2021 (deutsch).