Danielle Spera
Danielle Spera (* 10. August 1957 in Wien) ist eine österreichische Kommunikationswissenschafterin und Journalistin. Seit 2010 und noch bis Ende Juni 2022 ist sie Direktorin des Jüdischen Museums Wien.
Leben und Wirken
Danielle Spera wurde 1957 in Wien als Kind einer katholischen Mutter und eines jüdischen Vaters geboren. Sie besuchte eine katholische Privatschule und ist später zum Judentum übergetreten. 1976 schloss sie die Matura ab und begann im selben Jahr das Studium Publizistik und Politikwissenschaften an der Universität Wien. Sie promovierte 1983, mit ihrer Dissertation „Agitation und Propaganda der österreichischen Sozialdemokratie am Beispiel der Wahlen zur konstituierenden Nationalversammlung 1919 und der Wahlen von 1920 bis 1930“. Von 1990 bis 2002 war Spera Lehrbeauftragte am Institut für Publizistik der Universität Wien.
1978 – noch während ihres Studiums – begann Spera beim Österreichischen Rundfunk zu arbeiten. Nach zwei Jahren in der Auslandsredaktion der Zeit im Bild 2 wechselte sie zur Wochenschau, 1983 kehrte sie in die Auslandsredaktion zurück. Es folgten Reisen als Reporterin nach Mittelamerika, Griechenland und Zypern, bevor sie 1987 ORF-Korrespondentin und stellvertretende Leiterin des ORF-Büro in Washington USA wurde. In ihre Korrespondentenzeit fiel die Watch List-Entscheidung gegen den früheren österreichischen Bundespräsidenten Kurt Waldheim. 1988 kehrte sie in die ORF-Zentrale nach Wien zurück und begann die Hauptnachrichtensendung des ORF, die Zeit im Bild 1, zu moderieren. Diese Position bekleidete sie bis Juni 2010. Ihre Moderationspartner waren Horst Friedrich Mayer, Josef Broukal, Martin Traxl und zum Schluss Tarek Leitner. Danielle Spera moderierte auch das Wochenmagazin Brennpunkt und vertretungsweise die Zeit im Bild 2. Von 1985 bis Dezember 2009 war sie Fernsehredakteurssprecherin und TV-Redakteursrätin, zu ihrem Nachfolger wurde Dieter Bornemann gewählt.
Seit 2000 schreibt sie für das jüdische Kulturmagazin Nu, dessen Mitbegründerin sie ist und seit 2018 Herausgeberin des Magazins. 2006–2008 führte Danielle Spera Gespräche mit prominenten Künstlern im Stadttheater Walfischgasse. Im Oktober 2006 trat sie bei Literatur im Nebel mit Salman Rushdie auf. Zudem führte sie Lesungen von Kinderbüchern von Mira Lobe durch.
Nachdem im Herbst 2009 die Leitung des Jüdischen Museums Wien ausgeschrieben worden war, wurde am 29. November 2009 bekannt, dass sie mit 1. Juli 2010 die Leitung übernehmen wird. Sie setzte sich gegen vierzehn andere Kandidaten durch. Sie war auch Wunschkandidatin von Renate Brauner, die für die Wien Holding, die Eigentümerin des Museums, zuständig war.
Durch die Entwicklung eines Leitbilds und eines Ausstellungs- und Sammlungskonzepts gelang es ihr das Museum zu professionalisieren. Beide Museumsstandorte wurden sowohl technisch als auch baulich modernisiert. Durch ihre unermüdliche Arbeit ist das Museum heute State of The Art und wurde national wie international durch viele Preise ausgezeichnet, u. a. 2013 mit dem Österreichischen Museumsgütesiegel[1], 2017 wurde das Museum von „The Culture Trip“ unter die Top 10 Museen in Österreich gereiht und im selben Jahr mit dem „Hans-und-Lea-Grundig-Preis“[2] in Dresden ausgezeichnet; 2018 wählte die New York Times die Ausstellung "Genosse.Jude" In der Kategorie „Global Highlights“ der „Best Art Of 2018“-Kolumne auf Platz 8; 2019 wurde das Museum vom Fachmagazin „Judaica in the Spotlight“ zum besten Jüdischen Museum in Europa gewählt.[3]
Besonders hervorzuheben ist die Neukonzeption der Dauerausstellungen an beiden Museumsstandorten. Die Dauerausstellung „Unsere Stadt!“ im Palais Eskeles zeigt das jüdische Leben in Wien vom 18. Jahrhundert bis heute und erzählt als einziges Museum die österreichische Nachkriegsgeschichte und deren Aufarbeitung. Die Ausstellung wurde 2014 mit dem Museumspreis ausgezeichnet.[4] Die Dauerausstellung „Unsere Stadt im Mittelalter!“ im Museum Judenplatz präsentiert die neuesten Forschungsergebnisse über das jüdische Mittelalter mittels neuer Technologien und thematisiert die Geschichte des Judenplatzes über die Jahrhunderte bis zur Entstehung des Holocaust-Mahnmals von Rachel Whiteread.[5]
Danielle Spera ist auch als Kuratorin erfolgreich, ihre Ausstellungen „Arik Brauer. Alle meine Künste“[6], „Jüdische Genies – Warhols Juden“ und „Die Wiener in China. Fluchtpunkt Shanghai“ zählen zu den erfolgreichsten Ausstellungen im Jüdischen Museum Wien.
Neben der erfolgreichen inhaltlichen Positionierung des Museums wurde unter Speras Leitung eine umfassende Strategie zum digitalen Auftritt des Museums entwickelt, die in der österreichischen Museumslandschaft und international anerkannt ist. Spera setzt einen weiteren Schwerpunkt auf den Dialog zwischen den Kulturen. Mit dem Vermittlungsprogramm, das unter ihrer Leitung ausgebaut wurde, wird auch nicht jüdisches Publikum angesprochen. Durch das breitgefächerte Programm, mit Angeboten für Kinder und Familien, Workshops für Schülerinnen und Schüler, konnte sich das Museum als ein außerschulischer Lernort etablieren.[7] 2015 wurde darüber hinaus ein Programm für Flüchtlinge aus dem Nahen Osten entwickelt. Das Museum trägt so zu einem Abbau von Ressentiments und Antisemitismus bei und erhält dafür national wie internationales Ansehen, das 2018 durch einen Besuch von Prince Charles und Herzogin Camilla gewürdigt wurde.[8]
Am 9. September 2021 wurde bekannt, dass Speras im Juni 2022 auslaufender Vertrag trotz Bewerbung nicht verlängert wird. Nachfolgerin wird Barbara Staudinger.[9]
Neben der Tätigkeit als Direktorin im Jüdischen Museum Wien engagiert sich Danielle Spera in zahlreichen Organisationen und Beiräten, wie dem Programmbeirat von ARTE und im Vorstand des VWI (Wiener Wiesenthal Institut für Holocaust Studien). Von 2013 bis 2018 war sie Präsidentin, danach Vizepräsidentin von ICOM Österreich. Sie konnte der Organisation durch deren Professionalisierung zu einer hohen Sichtbarkeit verhelfen und trug zur Aktualisierung der Museumsdefinition bei, die als internationaler Standard gewertet und als Maßstab für die Ausrichtung der nationalen Museumspolitik und die Gewährung von Subventionen verwendet wird.
Danielle Spera ist seit 1994 mit dem Psychoanalytiker und Nationalratsabgeordneten Martin Engelberg verheiratet und hat drei Kinder, die Töchter Rachel und Deborah sowie Sohn Samuel.
Weitere Tätigkeiten
- seit Februar 2021 Präsidiumsmitglied der Austrian Leading Sights
- November 2013 bis Ende 2019 Präsidentin von ICOM Österreich[10] und seit Ende 2019 Vizepräsidentin, Nachfolgerin Bettina Leidl[11]
- 2013 bis 2018 Mitglied des Universitätsrates der Medizinischen Universität Innsbruck[12]
- seit Dezember 2017 Vorstandsmitglied der Sigmund Freud Gesellschaft
- seit November 2017 Beiratsmitglied im Koordinierungsausschuss für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit
- seit 2013 im Programmbeirat von ARTE[13]
- seit 2011 im Beirat der Nitsch Foundation
- seit 2010 im künstlerisch-wissenschaftlichen Beirat von ORF III[14]
- seit 2010 im Vorstand des VWI (Wiener Wiesenthal Institut für Holocaust Studien)[15]
- seit 2000 Mitbegründerin, Herausgeberin und Autorin bei der jüdischen Zeitschrift NU[16]
- 1990 bis 2002 Lehrbeauftragte am Institut für Publizistik der Universität Wien, Praxis Fernsehjournalismus
- Laudatorin bei Ehrungen (z. B. Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg, Arik Brauer, Anita Ammersfeld)
- Eröffnungs- und Festrednerin bei Kunst- und Kulturereignissen
- Moderations-Coaching und Training diverser Persönlichkeiten
- Moderation von Veranstaltungen
Auszeichnungen
- 1992 und 2007 erhielt sie den österreichischen Fernsehpreis Romy als Beliebteste Moderatorin.
- 2017: Österreichisches Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse[17]
Publikationen (Auswahl)
- 100 x Österreich: Judentum, Amalthea Signum Verlag, Wien 2020, ISBN 978-3-903217-47-8
- Die Zukunft der Erinnerung. Jüdische Museen und die Shoah im 21. Jahrhundert. Wiener Jahrbuch für jüdische Geschichte, Kultur und Museumswesen, Band 12-2019/20 (gemeinsam mit Dr. Astrid Peterle). ISBN 978-3-901398-95-7
- Die Wiener in China. Fluchtpunkt Shanghai. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung. Wien 2020 ISBN 978-3-99050-192-4
- Arik Brauer. Alle meine Künste. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung. Wien 2019. ISBN 978-3-99050-156-6
- Hermann Nitsch. Leben und Arbeit. Brandstätter Verlag, Wien 1999, 2005 und 2018, ISBN 3-85498-434-0.
- Displaced in Österreich. Jüdische Flüchtlinge seit 1945. Wiener Jahrbuch für jüdische Geschichte, Kultur und Museumswesen, Band 11 – 2015/16 (gemeinsam mit Werner Hanak-Lettner). Studienverlag, Wien 2017, ISBN 978-3-7065-5644-6.
- Horowitz. 50 Jahre Menschenbilder. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung. MHM Michael Horowitz Media, Wien 2016, ISBN 978-3-9502889-6-4.
- Wiener Synagogen. Ein Memory. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung (gemeinsam mit Bob Martens, Herbert Peter und Werner Hanak-Lettner). Metroverlag, Wien 2016, ISBN 978-3-99300-266-4.
- Unterwegs mit Victoria Blitz (gemeinsam mit Hannah Landsmann). Metroverlag, Wien 2016, ISBN 978-3-99300-265-7.
- Wiesenthal in Wien. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung. Metroverlag, Wien 2015, ISBN 978-3-901398-79-7.
- Lessing zeigt Lessing. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung. Residenzverlag, Wien 2015, ISBN 978-3-7017-3365-1.
- Maya Zack. The Shabbat Room (gemeinsam mit Dr. Werner Hanak-Lettner). Verlag für moderne Kunst, Wien 2014, ISBN 978-3-86984-519-7.
- Jüdische Museen zwischen gestern und morgen. Reflexionen aus involvierter Außenperspektive. Wiener Jahrbuch für jüdische Geschichte, Kultur und Museumswesen, Band 10-2013/14 (gemeinsam mit Dr. Werner Hanak-Lettner). Studienverlag, Wien 2013, ISBN 978-3-7065-5339-1.
- Unsere Stadt! Jüdisches Wien bis heute. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung. Wien 2013 (gemeinsam mit Dr. Werner Hanak-Lettner). ISBN 978-3-901398-70-4.
- A Good Day. Installation Andrew M. Mezvinsky. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung. Wien 2013. ISBN 978-3-901398-69-8.
- meeting: jedermann. rabinovich revisited. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung. Wien 2013.
- Muzeon. Publikation über das Jüdische Museum Wien. Wien 2012.
- Jüdische Genies. Warhols Juden. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung. Wien 2012.
Textbeiträge (Auswahl)
- Genosse.Jude. Wir wollten nur das Paradies auf Erden. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung. Wien 2017. ISBN 978-3990501108
- Helena Rubinstein. Die Schönheitserfinderin. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung. Wien 2017. ISBN 978-3990501115
- Architecture of an Existential Threat. Buchband zur ‚Ausstellung Bunker! Architektur des Überlebens.‘ Wien 2017. ISBN 978-3903101296
- Kauft bei Juden! Geschichte einer Wiener Geschäftskultur. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung. Wien 2017. ISBN 978-3990500705
- Trude&Elvis. Wien – Memphis – Hollywood. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung. Wien 2017. ISBN 978-3901398827
- Die bessere Hälfte. Jüdische Künstlerinnen vor 1938. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung. Wien 2016. ISBN 978-3993002749
- Stars of David. Der Sound des 20. Jahrhunderts. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung. Wien 2016. ISBN 978-3955651367
- Vom Ankommen und Bleiben. In: Die Presse am Sonntag, 20. März 2016.[18]
- Wege ins Vergnügen. Unterhaltung zwischen Prater und Stadt. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung. Wien 2016. ISBN 978-3993002626
- Die Universität. Eine Kampfzone. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung. Wien 2015. ISBN 978-3711720313
- Transit. Die Iraner in Wien. Fotografien von Christine de Grancy. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung. Wien 2015. ISBN 978-3993002190
- Ringstrasse. Ein jüdischer Boulevard. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung. Wien 2015. ISBN 978-3850029155
- Kosher for … Essen und Tradition im Judentum. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung. Wien 2014. ISBN 978-3993002008
- Von Generation zu Generation. Die neue Haggada von Arik Brauer. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung. Wien 2014. ISBN 978-3850028615
- Alle MESCHUGGE? Jüdischer Witz und Humor. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung. Wien 2013. ISBN 978-3850028257
- Vienna‘s Shooting Girls. Jüdische Fotografinnen aus Wien. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung. Wien 2012. ISBN 978-3993000899
- BIGGER THAN LIFE. 100 Jahre Hollywood. Eine jüdische Erfahrung. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung. Wien 2011. ISBN 978-3865052100
Weblinks
- Literatur von und über Danielle Spera im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Jüdisches Museum Wien – Dr. Danielle Engelberg-Spera (PDF-Datei)
- Danielle Speras letzte „Zeit im Bild“ (Kurzbiographie auf orf.at)
- Danielle Spera nimmt Abschied von der ZiB (Memento vom 11. Juni 2010 im Internet Archive)
Einzelnachweise
- Jüdisches Museum Wien erhält das Österreichische Museumsgütesiegel. Abgerufen am 12. Mai 2021.
- Wir fühlen uns geehrt | Jüdisches Museum Wien. Abgerufen am 12. Mai 2021.
- Jüdisches Museum Wien - Wien Holding. Abgerufen am 12. Mai 2021.
- Presse-Service: Archivmeldung: Jüdisches Museum Wien: Danielle Spera als Direktorin bestätigt. 18. Dezember 2014, abgerufen am 12. Mai 2021.
- Neue Dauerausstellung im Jüdischen Museum Wien ab 15. März 2021. Abgerufen am 12. Mai 2021.
- 144.000 BesucherInnen im Jahr 2019 | Jüdisches Museum Wien. Abgerufen am 12. Mai 2021.
- Vermittlungsteam - Kontakt und Buchung | Jüdisches Museum Wien. Abgerufen am 12. Mai 2021.
- Der Besuch des Ehepaares aus London | Jüdisches Museum Wien. Abgerufen am 12. Mai 2021.
- Staudinger folgt Spera im Jüdischen Museum, ORF.at, 9. September 2021, abgerufen 9. September 2021.
- i-med.ac.at
- Bettina Leidl neue Präsidentin von ICOM Österreich. 9. Dezember 2019, abgerufen am 10. Dezember 2019.
- Danielle Spera neue Präsidentin von ICOM Österreich wien.gv.at, abgerufen am 19. Jänner 2014
- ARTE Organigramm. (PDF) Abgerufen am 19. Januar 2018.
- Sieben neue Mitglieder im ORF-III-Kulturbeirat - der.ORF.at. In: der.ORF.at. (orf.at [abgerufen am 19. Januar 2018]).
- VWI Vorstand. Abgerufen am 19. Januar 2018.
- NU Autoren. Abgerufen am 19. Januar 2018.
- Ehrenkreuz für Spera: "Zeitgeschehen das Gesicht geliehen". Artikel vom 18. Dezember 2017, abgerufen am 18. Dezember 2017.
- Heimat und Geschichte: Vom Ankommen und Bleiben. Abgerufen am 13. Februar 2018.