Chikago-Bande

Die Chikago-Bande o​der auch Hans-Albers-Platz-Gruppe (HAP-Gruppe) w​ar neben d​er GMBH u​nd der Nutella-Bande e​ine kleinere Zuhälter- u​nd Drogenhändlerorganisation (Kokain) u​nd gruppierte s​ich um Reinhard „Ringo“ Klemm. Aufgrund i​hrer Nähe z​um Auftragsmörder „Mucki“ Pinzner w​urde die Chikago-Bande a​ls die gefährlichste[1] u​nter den Dreien eingestuft.

Hans-Albers-Platz in der heutigen Zeit
Hans-Albers-Platz Nachtleben

Revier

Das Revier d​er Chikago-Bande erstreckte sich, v​om Millerntor a​us gesehen, südlich d​er Reeperbahn b​is zur Elbe.[2] Nördlichster Punkt w​ar das Palais d’Amour a​uf der Reeperbahn Nr. 142, w​o „Wiener Peter“ Nusser s​eine Hauptaktivitäten hatte. Die Chikago-Bande l​ag im Konflikt m​it der Nutella-Bande u​nd der Gruppe u​m Stefan Hentschel.[1] Ihre Beziehungen z​ur GMBH[1] s​ind unklar.

Geschichte

Das Hauptquartier der Chikago-Bande, die sich in den späten 1970er Jahren bildete, war das ehemalige Eiscafé „Chikago“[1] am Hans-Albers-Platz in Hamburg-St. Pauli. Das „Chikago“ wurde mehrfach umbenannt, unter anderem in „Chicago“, und heißt heute Frieda B. und liegt in der Friedrichstraße 17, welche an den H.-Albers-Platz angrenzt. Der untere Teil wurde als Musikkneipe und Restaurant genutzt, im Obergeschoss war mit 15 Zimmern ein Bordell („Chikago II“) eingerichtet. Das „Chikago“ galt unter anderem als Treffpunkt eines harten Kerns von Zuhältern. Außerdem trafen sich dort in einem separaten Raum jeden Donnerstag Zuhälter aus ganz Deutschland zum Kartenspielen (Poker). 1972 verunglückte der vorherige Betreiber des „Chikago“ „Jonny“ Burger bei einem Autounfall und Reinhard „Ringo“ Klemm stieg ein. Bis Ende der 1970er Jahre betrieb Klemm das Lokal zusammen mit Janny Gakomiros. 1977[3] übernahm er das „Chikago“ allein. In den 1970er Jahren gehörte Uwe „Dakota-Uwe“ Carstens (* 1943 Stralsund; † 1998 Selbstmord bei Pinneberg) zum Umfeld der Chikago-Bande[4]. Eine Zeitlang arbeitete er als Barchef im „Dakota“ auf dem Hans-Albers-Platz[5] und war ein Mitglied der kriminellen „Kegelclub“-Vereinigung. Zu seinen Tätigkeiten gehörten später Bordellbeteiligungen, ein Stundenhotel, sowie Glücksspiel. Mit Beginn der 1980er Jahre[1] stieg die Chikago-Bande in das Kokain-Geschäft ein. Der Drogenhandel brachte eine völlig neue Dimension der Gewalt in den Rotlichtbezirk. So hatten „Wiener Peter“ Nusser[6] und sein Geschäftspartner Gerd „Erzengel“ Gabriel[2], dem unter anderem das Fernfahrer-Bordell „Hammer Deich“ in der Süderstraße[2] gehörte, mehrere Morde an Konkurrenten bei „Mucki“ Pinzner[1] in Auftrag gegeben. Bekannte Opfer waren Jehuda Arzi († 7. Juli 1984), „Bayern-Peter“ Peter Pfeilmaier († 12. September 1984), „Lackschuh-Dieter“ Dietmar Traub († 13. November 1984), sowie „Neger Waldi“ Waldemar Dammer und Ralf Kühne († Ostern 1985).

Reinhard „Ringo“ Klemm

Reinhard „Ringo“ Klemm geboren 1946 in Sachsen, war mit seiner Körpergröße von 1,67 Metern den meisten Zuhältern an Kraft, Masse und körperlicher Ausstrahlung unterlegen und dennoch wurde er der „Pate vom Hans-Albers-Platz“[7] genannt. In den 1970er Jahren soll Klemm zusammen mit „Stotter-Harry“, „Dakota-Uwe“ (Uwe Carstens, die rechte Hand vom Rotlicht-Paten Wilfried „Frieda“ Schulz) und „Tabak-Ilja“ in der Friedrichstraße den italienischen Gangster Sergio di Cola[8] erschlagen haben, nachdem dieser ihnen mehrere Mädchen abgeworben hatte. Eine Straftat, die ihm allerdings nie nachgewiesen werden konnte. 1986 geriet Klemm in die Ermittlungen um die Auftragsmorde von „Mucki“ Pinzner. Ihm wurde von der Staatsanwaltschaft Anstiftung zum Mord vorgeworfen. Am 11. Dezember 1986 stürmt eine Hundertschaft das „Chikago“. Klemm flieht über die Dächer und setzt sich in einer spektakulären Flucht nach Costa Rica ab. Das mittelamerikanische Land[2] war bereits seit einiger Zeit zum Rückzugsort deutscher Zuhälter geworden. Einer von ihnen war Günter Stumme[2], der Besitzer der „Sudfass“-Bordelle in Hamburg und Lübeck, der später auch zum engeren Kreis um „Ringo“ Klemm gehörte. In Costa Rica tätigte Klemm mehrere Investitionen in Immobilien, einer Bananenplantage, baute außerdem seine Drogengeschäfte aus und betrieb mit seinen Partnern eine Bordellkette, die von den BKA-Ermittlern „Schweinefarm“[2] genannt wurde. Klemm wurde schließlich ausgeliefert[9] und in Hamburg vor ein Gericht gestellt. Nach kurzer Haftstrafe eröffnete er das „Chikago“ wieder neu und ließ sich in der Szenekneipe mit Prominenten wie Nina Hagen, Udo Lindenberg oder Jörg Immendorff ablichten.

Bekannte Mitglieder

  • „Ringo“ Klemm († 2021): Betreiber des Clubs "Chikago" am Hans Albers Platz
  • „Neger-Kalle“ Schwensen: 1984 – 1994 Betreiber des „Top Ten“ Clubs
  • Uwe Bolm († 1987): Zuhälter
  • Hans-Joachim „Joe Marx“: Zuhälter und Drogendealer[10]
  • Holger Sass: Zuhälter und Drogendealer
  • „Campari-Bernd“ Bernd Wünsch († 1987): Zuhälter
  • Gerd "Erzengel" Gabriel: Bordellier und Steigenwirt
  • Josef Peter „Wiener Peter“ Nusser – Zuhälter mit zahlreichen Bordellbeteiligungen im Palais d‘Amour

Siehe auch

    Anmerkungen und Einzelnachweise

    1. Die Banden auf St. Pauli 1945-2000
    2. Sex-Geschäfte auf der Schweinefarm. Costa Rica - Fluchtpunkt für Killer Pinzners Kumpane aus St. Pauli Deutsche Bordellbosse haben sich im mittelamerikanischen Costa Rica einen zweiten Markt geschaffen, mit Sexklubs und Rauschgiftgeschäften. Dort wurde jetzt der weltweit gesuchte „Ringo“ Klemm aus Hamburgs St.-Pauli-Milieu verhaftet. Er soll der Drahtzieher in der Affäre um den Killer Werner Pinzner gewesen sein. Der Spiegel. 22. Juni 1987
    3. Machtkämpfe im Milieu: Der Kommissar und der Kiez. Hamburger Abendblatt. 20. Oktober 2012
    4. Dakota-Uwe. Bei meinem Papa lag immer eine Schrotflinte unterm Bett. BILD-Zeitung vom 16. August 2021, S. 13
    5. Hamburger Kiezgröße. Sohn von „Dakota-Uwe“ veröffentlicht Buch über seinen Vater. Hamburger Abendblatt. 9. August 2021
    6. Als rund um die „Ritze“ der Kiezkrieg tobte. Hamburger Abendblatt. 28. Oktober 2015
    7. Hamburgs Milieu-Größen. Sie lebten in Saus und Braus - und dann war die Kohle futsch. Hamburger Morgenpost. 5. Juni 2017
    8. Waldemar Paulsen und Harald Stutte: Meine Davidwache: Geschichten vom Kiez. Rowohlt Taschenbuch. 2012. ISBN 978-349962839-9.
    9. Prozesse. Mal nachdenken. Wieder einmal hat sich die Hamburger Justiz in der Pinzner-Affäre blamiert: Die Auslieferung des Mordverdächtigen „Ringo“ Klemm aus Costa Rica war völkerrechtlich eine Entführung. Der Spiegel. 5. Dezember 1988
    10. Dealer, Lude, Pinzner-Freund: "Joe" Marx (52) Das bittere Ende des Koks-Königs. Hamburger Morgenpost. 7. Dezember 2007
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