Chemiedidaktik
Chemiedidaktik ist die Didaktik für die Chemie. Als Fachdidaktik stellt sie die Lehre dar, wie Chemieunterricht inhaltlich sowie methodisch-systematisch so erteilt werden kann, dass die Schülerinnen und Schüler möglichst motiviert und effektiv in das Grundwissen der Chemie eingeführt werden. Neben den Methoden des Unterrichtens im Fach Chemie werden daher auch sinnvolle Inhalte des Grundwissens der Chemie möglichst logisch verknüpft und motivierend und lernzielorientiert präsentiert (vgl. Artikel Didaktische Reduktion und Chemieunterricht).
Chemiedidaktik wird einerseits während des Studiums an Universitäten bzw. Hochschulen, andererseits in der zweiten Phase der Lehrerausbildung (Referendariat) im Fachseminar an Lehrer- bzw. Studienseminaren vermittelt.
Der Friedrich-Stromeyer-Preis, der Heinrich-Roessler-Preis und der Heinz-Schmidkunz-Preis der Gesellschaft Deutscher Chemiker werden auf der jährlichen Tagung der Fachgruppe Chemieunterricht (FGCU) für die Chemiedidaktik verliehen. Mehr an Lehrkräfte richtet sich der Lehrerverband MNU, der Deutsche Verein zur Förderung des MINT-Unterrichts.
Die „fachdidaktische Landkarte der Chemie“ gibt Auskunft über Standorte und Schwerpunkte der fachdidaktischen Forschung und Lehre in Deutschland und angrenzenden Gebieten.[1]
Themen der Chemiedidaktik
Geschichte
Die Genese des Schulfaches Chemie ist eng mit der Entwicklung der Realschulen und Realgymnasien sowie der Landwirtschaftsschulen verknüpft. Rudolf Arendt (Didaktik und Methodik des Chemieunterrichts, 1895) aus Leipzig gilt als der Begründer der Chemiedidaktik. Er und der Hildesheimer Ferdinand Wilbrand[2] haben das Verdienst, den Chemieunterricht in Schulen von der Stoffsystematik der Hochschulen befreit zu haben. Im späten 19. Jahrhundert entstanden drei Ansätze, die bis heute vorhanden sind:
- der stoffsystematische Ansatz: Die bekannten Stoffe und Stoffklassen werden nach dem Vorbild der universitären Lehre in fester Reihenfolge behandelt. (Baenitz)[3]
- der synthetische Ansatz: Vom Einfachen zum Komplexeren fortschreitend, wird die Chemische Reaktion als didaktische Leitlinie genutzt. (Arendt)
- der analytische Ansatz: In Themenkreisen werden kompliziertere Vorgänge in einfachere Faktoren zerlegt. (Wilbrand)[4]
Erste Ansätze einer naturwissenschaftlich-chemisch orientierten Fachdidaktik gehen u. a. auf die Pädagogen Martin Wagenschein und Georg Kerschensteiner (Wesen und Wert naturwissenschaftlichen Unterrichts, 1913) zurück. Im NS-Staat wurde überwiegend eine deskriptive Stoffchemie betrieben. Nach 1945 wurde der Wert des Experimentes erhöht und erstmals 1962 vom Schweizer Hans Rudolf Christen ein Struktur-Eigenschaftskonzept beschrieben. Erst etwa seit 1970 mit dem Ausbau der Hochschulen und der Naturwissenschaften sowie dem Aufkommen der Fachdidaktiken wurden chemiedidaktische Professuren eingerichtet.
Schwerpunkte
Als „Berufswissenschaft“ der Chemielehrkräfte weist die Chemiedidaktik nach Pfeifer, Häusler, Lutz u. a.[5] folgende Schwerpunkte auf:
- Ziele und Inhalte des Chemieunterrichts (allgemein und bezogen auf die jeweils konkrete Schulform von der Grundschule und Sekundarstufe I und II bis hin zur Berufsschule oder der Universität)
- Umsetzung fachlicher Inhalte auf das jeweilige Niveau der Lernenden und die Kenntnis der hierfür notwendigen Bedingungen (didaktische Reduktion, Elementarisierung)
- Darbietung fachlicher Inhalte in verständlicher, zeitgemäßer und interessanter Aufbereitung (Methodik der Chemiedidaktik)
- Kenntnis der Vermittlungsformen und Planung, Durchführung und Auswertung des Chemieunterrichts für bestimmte Adressatengruppen (inkl. Überprüfung der Lernergebnisse, Lernerfolgskontrolle)
- Herstellung und Beachtung der Arbeitssicherheit und Unfallverhütungsvorschriften im Chemieunterricht (Experimente planen, durchführen und auswerten, sicherer Umgang mit Laborgeräten und Chemikalien/Gefahrstoffen im Klassenraum ebenso wie im Chemielabor)
- Wissenschaftliche Evaluation der Nationalen Bildungsstandards für den mittleren und höheren Schulabschluss
Fachdidaktische Einzelaspekte und -inhalte
Einzelne Aspekte und Inhalte der Chemiedidaktik sind dementsprechend:
- Die Geschichte des Chemieunterrichts
- Das Verhältnis von Lebenswirklichkeit und Fachwissenschaft zum Unterricht im Fach Chemie
- Die Fachsprache im Chemieunterricht (inkl. Benennung von Stoffgruppen und Erstellung von chemische Formeln und Reaktionsgleichungen)
- Erkenntniswege und -gewinnung unter Einbeziehung der Wissenschaftspropädeutik
- problemorientierte Verfahren (z. B. forschend-entwickelnder Unterricht)
- Konzeptionen, Kompetenzen und Lernziele im Chemieunterricht
- Logik, Artikulation, Induktion/Deduktion, empirisches Verfahren, Entdecken und Erschließen der Grundgesetze der Chemie z. B. durch Experimente / Schulversuche
- Prinzipien der Stoffauswahl und -anordnung (inkl. didaktischer Reduktion / Elementarisierung: Gesetze, Regeln, Erfahrungswerte)
- Unterrichtsverfahren, Planung, Durchführung und Analyse (inkl. Bewerten) des Unterrichts
- Motivation und Veranschaulichung durch Experimente (z. B. Schauversuche wie das Demonstrations-Experiment „Bellender Hund“)
- Computeranwendungen und weitere Medien im Chemieunterricht (z. B. Modelle, Arbeitstransparente, Chemielehrbuch)
- Schulstufen- und Schulart-Orientierung von Chemieunterricht
- Beispiele von Unterrichtsreihen für verschiedene Jahrgangsstufen und Schulformen
- Umgang mit chemiespezifischen Lernerfolgsüberprüfungen (z. B. Klausuren, Übungen, Tests) und Abschlussprüfungen (z. B. Abitur)
- geschlechtsspezifische Unterschiede in der Motivation für das Fach[6]
Literatur
- Johann Norrenberg: Geschichte des naturwissenschaftlichen Unterrichts, 1904
- Siegfried Nöding, Fritz Flohr: Methodik, Didaktik und Praxis des Chemieunterrichts, Quelle & Meyer, Heidelberg 1979 ISBN 3-494-00936-8
- Irene Strube, R. Stolz, H. Remane: Geschichte der Chemie: Ein Überblick von den Anfängen bis zur Gegenwart, 2. Auflage, Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1988 (Hinweise zum Chemieunterricht der Schulen)
- Norbert Just: Geschichte und Wissenschaftsstruktur der Chemiedidaktik: Interaktion zwischen allgemeiner Didaktik und Fachdidaktik - dargestellt an der historischen Entwicklung der Fachdidaktik Chemie in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts. Dissertation Duisburg (1988), Essen 1989
- Norbert Just/ H.-J. Schmidt (Hrsg.): Grundlinien deutscher Chemiedidaktik, Beiträge zum ersten gesamtdeutschen Sommersymposium (Naturwissenschaften und Unterricht - Didaktik im Gespräch), Westarp, Essen 1992
- H.-J. Becker et al.: Fachdidaktik Chemie, 2. Auflage, Aulis-Verlag, 1992, ISBN 3-7614-1409-9
- Trendberichte zur Chemiedidaktik. In: Nachrichten aus der Chemie, Wiley, 2004–2010, jeweils Heft 3
- Heinz Schmidkunz: Die chemiedidaktische Forschung in Deutschland. Ein Überblick. In: H. Bayrhuber u. a. (Hrsg.): Lehr- und Lernforschung in den Fachdidaktiken. Studien-Verlag, Innsbruck 2001, S. 47–54
- Sommer, Katrin/ Wambach-Laicher, Judith/ Pfeifer, Peter: Konkrete Fachdidaktik Chemie, Friedrich-Verlag 2018 ISBN 978-3-7614-2969-3
Fachdidaktische Zeitschriften
- Chemkon (auch: Chemie konkret)
- Chemie in unserer Zeit (ChiuZ)
- Nachrichten aus der Chemie (NadC)
- Naturwissenschaften im Unterricht - Chemie
- Praxis der Naturwissenschaften – Chemie in der Schule (eingestellt)
Siehe auch
Einzelnachweise
- Fachdidaktik Chemie - Interaktive Landkarte der Chemiedidaktik. Abgerufen am 2. November 2019.
- 1840–1914, Professor und Direktor der Landwirtschaftsschule Hildesheim
- Carl Baenitz, 1837-–1913, Lehrer in Königsberg/Pr., verfasste Der naturwissenschaftliche Unterricht in Bürger-, Mittel- und höheren Töchterschulen, Berlin 1869
- Just hat das späte 19. Jahrhundert bearbeitet. online
- Pfeifer, Peter; Häusler, Karl; Lutz, Bernd: Konkrete Fachdidaktik Chemie. Oldenbourg, 2002, ISBN 978-3-637-82842-1.
- H. J. Becker: Chemie – ein unbeliebtes Schulfach. In: MNU. Band 31, 1978, S. 455.