Centrum für Naturkunde
Das Centrum für Naturkunde (CeNak) wurde 2014 als zentrale Betriebseinheit der Universität Hamburg gegründet. Es umfasste das Zoologische, das Mineralogische und das Geologisch-Paläontologisches Museum sowie die dazugehörigen Sammlungen und Forschungsbereiche. Seit der Zusammenführung mit dem Zoologischen Forschungsmuseum Alexander Koenig (Museum Koenig) in Bonn am 1. Juli 2021, ist es Teil der Leibniz-Gemeinschaft. Als Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels (LIB) agiert es nun an zwei Standorten in Bonn und Hamburg. Kernaufgabe des LIB ist es, gemeinsam standortübergreifend den globalen Biodiversitätswandel zu erforschen und die Erkenntnisse aufklärend in die breite Gesellschaft zu tragen.
Die wissenschaftlichen Sammlungen gehen auf das 1943 im Zweiten Weltkrieg zerstörte Naturhistorische Museum zurück und umfassen zusammen über zehn Millionen naturkundliche Objekte.[1] Sie liefern eine wichtige Grundlage für die am LIB betriebene national und international vernetzte Evolutions- und Biodiversitätsforschung.
Wissenschaftlicher Direktor des Centrums für Naturkunde war seit der Gründung im Oktober 2014 Matthias Glaubrecht. Für die Sammlungen und Forschungslabore ist geplant, in den kommenden Jahren in Hamburg einen Neubau zu schaffen, der mit Ausstellungen einen Dialog für die Naturwissenschaften in der Hansestadt ermöglichen soll.
Geschichte
Das Centrum für Naturkunde (CeNak), insbesondere das Zoologische Museum, geht auf eine Anzahl an naturkundlichen Sammlungen aus dem beginnenden 19. Jahrhundert zurück, die von Hamburger Kauf- und Seeleuten zusammengetragen wurden. Dadurch unterscheidet sich das Hamburger von vielen anderen naturhistorischen Museen, die von regierenden Fürsten- und Königshäusern begründet wurden.[2] Im Jahr 1843 gründete Hamburg mit den Sammlungen des Naturwissenschaftlichen Vereins[3] das Naturhistorische Museum. Ergänzend kamen Teile des Museum für Gegenstände der Natur und Kunst von Peter Friedrich Röding, das bis 1846 bestanden hatte, und des Museum Godeffroy[4] 1885 durch Ankauf hinzu.[5]
Am Steintorwall bekam die Sammlung 1891 ein neues Gebäude. Eigens für das Naturhistorische Museum wurde ein imposanter Hallenbau als eine „Kathedrale der Wissenschaft“[6] errichtet.[7] Das Museum mit seinen 7.100 m² Ausstellungsfläche[8] war zeitweise mit bis zu 165.000 Besuchern im Jahr 1893 das besucherstärkste Deutschlands.[9] Das Museum wurde auch aktiv für Forschungszwecke genutzt.
Im Zweiten Weltkrieg konnten Teile der Sammlung im Juli 1943 evakuiert werden. Zuerst wurde die Alkoholsammlung aufgrund ihrer Brandgefahr in einem nahegelegenen und nicht genutzten U-Bahnhof (Lindenstraße) ausgelagert, während Trockenpräparate, insbesondere der entomologischen Sammlung, und Teile der Bibliothek im Keller des Museums untergebracht wurden.[10] Darunter befand sich auch der Narwalschädel mit zwei Stoßzähnen, der das Wahrzeichen des CeNak wurde. Kurz nach der Evakuierung, am 30. Juli 1943, brannte das Museum bis auf die Außenmauern nieder und mit ihm auch die Exponate der Ausstellung.[11] Nur die ausgelagerten Alkoholpräparate und die Insektensammlung sowie einige weitere gelagerte Stücke blieben erhalten.[12] Nach 25 Jahren hatte die Sammlung ungefähr ihren alten Umfang wieder erreicht. Während dieser Zeit war die Sammlung provisorisch untergebracht, unter anderem in einem umgebauten Hochbunker am Bornplatz. 1969 kamen die Sammlungen in den Besitz der Universität Hamburg und wurden 1974 am heutigen Standort auf dem Campus Martin-Luther-King-Platz, untergebracht.
Aktuelle Situation
Seit längerem wurde die Errichtung eines neuen Naturkundemuseums unter dem Projektnamen „Evolutioneum“ verfolgt. Hierin sollen die Sammlungen mehr Raum und Beachtung finden und stärker mit der Forschung und einer erweiterten und modernisierten Ausstellung verknüpft werden. Das „Evolutioneum“ soll ein Ort der Wissensvermittlung[13] werden, in dem Besucher die Evolution nachvollziehen können und für die den Erhalt der Biodiversität sensibilisiert werden.
Forschung
Das Forschungsprogramm zum Schwerpunkt Biodiversität widmet sich der Erforschung der Evolution sowie Vielfalt der Arten und Lebensräume in den Bereichen Evolutionssystematik, Organischen Strukturen und Funktion und Dynamik von Ökosystemen.
Ein weiterer Schwerpunkt ist die systematische Beobachtung und Erfassung von Arten und Populationen, das sogenannte Biomonitoring, sowohl in marinen als auch terrestrischen Forschungsprojekten.
In insgesamt zwölf Forschungsabteilungen wurde am Centrum für Naturkunde zu den Themen Evolution und Biodiversität geforscht. Die Forschungsabteilungen sind Annelida, Biodiversität der Tiere, Arachnologie, Entomologie, Geologie-Paläontologie, Herpetologie, Ornithologie, Ichthyologie, Malakologie, Mammalogie und Paläoanthropologie, Mineralogie, Wirbellose Tiere.
Sammlungen
Das ehemalige Centrum für Naturkunde (CeNak) zählte insgesamt über zehn Millionen Präparate, die in elf Sammlungen aufbewahrt waren.[14] Aufgrund der historischen Bestände von zum Teil bereits ausgestorbenen Tierarten, besitzt die Sammlung einen sehr hohen Wert für die Evolutions- und Biodiversitätsforschung. Die Sammlungen werden nunmehr am Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels (LIB) erforscht und kuratiert. Das Eigentum an den naturkundlichen Sammlungen verblieb im Umfang des Bestands am 30. Juni 2021 bei der Universität Hamburg.
Zoologische Sammlung
Die meisten Präparate gehören zur zoologischen Sammlung, die wiederum in neun weitere Sammlungen unterteilt ist. Dazu zählt Deutschlands größte Fischsammlung der Abteilung Ichthyologie mit rund 260.000 Objekten und etwa 8.000 Arten[15] sowie die weltweit größte Sammlung von Regenwürmern (Oligochaeta).[16] Die Sammlungen werden international auch von anderen wissenschaftlichen Einrichtungen für Forschungszwecke genutzt.
Mineralogische Sammlung
Mit fast 90.000 Objekten ist die mineralogische Sammlung eine der größten Deutschlands. Sie umfasst Minerale, Edel- und Schmucksteine, sowie Meteoriten, Erze und Gesteine und bildet damit die Grundlage für die universitäre Forschung in diesem Bereich. Hervorzuheben ist die Meteoritensammlung, die unter anderem Objekte vom Mond und vom Mars enthält. Sammlungsschwerpunkte waren Norwegen, Chile und Namibia.[17]
Geologische-Paläontologische Sammlung
Seinen Ursprung hatte die Geologisch-Paläontologische Sammlung des Centrums für Naturkunde der Universität bereits in den Beständen des ehemaligen Naturhistorischen Museums von Hamburg. Ab 1945 gehörte die Sammlung zum „Geologisch-Paläontologischen Institut“ der Universität und ist seit der Gründung des Centrums für Naturkunde 2014 in dessen Bestand übergegangen.[18]
Die Vielzahl der Objekte war von nationaler wie internationaler Bedeutung, da sie umfassende Einblicke in die Flora und Fauna vergangener Erdzeitalter liefern. So umfasst die Bernsteinsammlung rund 6.000 in Harz eingeschlossene Tiere oder Pflanzenreste, die mehrere Millionen Jahre alt sind. Mit ihrer Hilfe können Erkenntnisse über einstige Umwelt- und Klimabedingungen gewonnen werden.[19]
Eine der größten Sammlungen Europas ist die der fossilen Tintenfische.[20]
Daneben geben eiszeitlicher Geschiebe anhand der darin transportierten Sedimente und Fossilien Einblicke in Ausbreitung der Gletscher in Nordeuropa, weshalb sie für die regionale Geologie von großer Bedeutung sind.[21]
Ausstellungen
Das Zoologische Museum ist das größte der drei zum Hamburger Standort des Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels (LIB) gehörenden Museen. 1969 wurde das Mineralogische Museum in der Grindelallee nach temporärer Auslagerung wiedereröffnet. Sechs Jahre später folgte das Geologisch-Paläontologische Museum in der Bundesstraße. 1984 wurde die zoologische Ausstellung mit einem kleinen Teil der Zoologischen Sammlung am Martin-Luther-King-Platz eröffnet. Diese Ausstellung ist in modernisierter Form und mit einem neu gestalteten Eingangsbereich noch immer im Zoologischen Museum zu sehen. Jährlich zählt das Museum etwa 86.000 Besucher.[22]
Zoologisches Museum
In Anlehnung an die Biodiversitäts- und Evolutionsforschung im LIB ist in der Ausstellung der Artenreichtum der Tierwelt unterschiedlicher Regionen der Erde zu sehen. Das Foyer rückt mit der Ausstellung zum „Anthropozän“ die Rolle des Menschen auf der Erde und die Auswirkungen menschlichen Handelns auf die Natur ins Zentrum.[23]
Unter den Exponaten der Dauerausstellung findet sich unter anderem der seltene Schädel eines Narwal-Weibchens mit zwei Stoßzähnen. Im Eingangsbereich wird anhand eines etwa 20 Meter großen Finnwals die Geschichte des Walfangs in Hamburg erzählt. Ein weiteres Kernstück der Ausstellung ist das stadtbekannte Walross Antje, ehemaliges Maskottchen des NDR und zu Lebzeiten Besuchermagnet in Hagenbecks Tierpark.
Die Ausstellung zeigt darüber hinaus viele Präparate großer Säugetiere, wie weitere Walskelette, Paarhufer, Raubkatze und Primaten, eine ornithologische Sammlung und Exponate von Reptilien und Amphibien.
Mineralogisches Museum
In der Ausstellung des Mineralogischen Museums finden sich neben einer Vielzahl von Mineralien auch besondere Meteoriten und Kristalle. Ein Herzstück der Ausstellung ist ein 424 Kilogramm schwerer Meteorit aus Namibia, der bereits 1905 zur Sammlung des damaligen naturhistorischen Museums gehörte.[24] Etwa 1500 Objekte sind im Mineralogischen Museum ausgestellt.[25]
Geologisch-Paläontologisches Museum
Das Geologisch-Paläontologische Museum befindet sich in den Gebäuden des Geomatikums der Universität Hamburg. In der Ausstellung werden neben Ammoniten und Bernsteinen auch Fossilien Jahrmillionen alter Saurier und Skelette eiszeitlicher Tiere gezeigt. Auch die lokale Geologie und bedeutende Fundstellen von Fossilien in Deutschland sind Bestandteil der Ausstellung.
Besondere Ausstellungsstücke sind das Skelett eines etwa 30.000 Jahre alten Höhlenbären, ein versteinerter Ichthyosaurier mit einem Alter von etwa 180 Millionen Jahren und der Abguss eines Riesen-Ammoniten, dessen Durchmesser über zwei Meter beträgt.[26]
Veranstaltungen
Das Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels (LIB) ist neben seiner Forschungstätigkeit Veranstalter, Kooperationspartner und Teilnehmer verschiedener öffentlicher Veranstaltungen. Für den GEO-Tag der Natur beim Langen Tag der StadtNatur Hamburg organisierte das Centrum für Naturkunde (CeNak), nun LIB, seit 2016 Exkursionen und Führungen. Auch bei der Langen Nacht der Museen nahm die Institution teil und öffnet an diesem Abend seine sonst nicht öffentlich zugänglichen Sammlungen für Interessierte.
Weblinks
- Offizielle Webseite des CeNak
- Gesa Gottschalk: Mission Museum: Ein neues Naturkundemuseum für Hamburg. In: Spricht mit mir! GEO, September 2016, abgerufen am 15. Mai 2021.
- Wichtiger Schritt für wissenschaftliche Sammlungen und Hamburger Naturkundemuseum am neuen Leibniz-Institut. Behörde für Wissenschaft, Forschung, Gleichstellung und Bezirke, 9. März 2021, abgerufen am 15. Mai 2021.
- Hamburg bekommt ein neues Naturkundemuseum. In: Newsroom. Universität Hamburg, 26. Juni 2020, abgerufen am 15. Mai 2021.
Einzelnachweise
- Matthias Glaubrecht: HAMBURG: The Centrum für Naturkunde on Its Way Toward Reestablishing a Natural History Museum in Hamburg. Erschienen in: Lothar A. Beck (Hrsg.): Zoological Collections of Germany – The Animal Kingdom in its Amazing Plenty at Museums and Universities, Springer Verlag, 2018, S. 435.
- Matthias Glaubrecht: HAMBURG: The Centrum für Naturkunde on Its Way Toward Reestablishing a Natural History Museum in Hamburg. Erschienen in: Lothar A. Beck (Hrsg.): Zoological Collections of Germany – The Animal Kingdom in its Amazing Plenty at Museums and Universities, Springer Verlag, 2018, S. 436
- „In der Verfassung des naturhistorischen Museums und seine Konsolidierung mit den Sammlungen des naturhistorischen Vereins“, die der erbgesessenen Bürgerschaft am 11. Mai 1843 vorgelegt wurde, ist von einem „naturhistorischen Verein“ die Rede. Der richtige Name muß „Naturwissenschftlicher Verein in Hamburg“ lauten.
- Verkäufer der Teile des Museum Godeffroy war nicht Cesar Godeffroy, sondern Wilhelm Godeffroy, der letzter Eigentümer gewesen ist.
- Susanne Köstering: Ein Museum für Weltnatur, Dölling und Galitz Verlag, 2018, S. 36 ff.
- Susanne Köstering: Ein Museum für Weltnatur, Dölling und Galitz Verlag, 2018, S. 62
- Susanne Köstering: Ein Museum für Weltnatur, Dölling und Galitz Verlag, 2018, S. 54
- Susanne Köstering: Ein Museum für Weltnatur, Dölling und Galitz Verlag, 2018, S. 60
- Susanne Köstering: Ein Museum für Weltnatur, Dölling und Galitz Verlag, 2018, S. 83
- Susanne Köstering: Ein Museum für Weltnatur, Dölling und Galitz Verlag, 2018, S. 227
- Susanne Köstering: Ein Museum für Weltnatur, Dölling und Galitz Verlag, 2018, S. 227–229
- Susanne Köstering: Ein Museum für Weltnatur, Dölling und Galitz Verlag, 2018, S. 231
- Broschüre „Das Centrum für Naturkunde im Aufbruch“, erschienen September 2018, Matthias Glaubrecht, Seite 13
- Susanne Köstering: Ein Museum für Weltnatur, Dölling und Galitz Verlag, 2018, S. 315
- Matthias Glaubrecht: HAMBURG: The Centrum für Naturkunde on Its Way Toward Reestablishing a Natural History Museum in Hamburg. Erschienen in: Lothar A. Beck (Hrsg.): Zoological Collections of Germany – The Animal Kingdom in its Amazing Plenty at Museums and Universities, Springer Verlag, 2018, S. 443 =
- Anna Priebe: An der Universität Hamburg gibt es die weltweit größte Regenwurmsammlung. Newsroom der Universität Hamburg, 27. März 2018, zuletzt abgerufen am 26. Februar 2019
- Präsident der Universität Hamburg: Wissenschaftliche Sammlungen. Universität Hamburg, Oktober 2014, S. 12
- Webseite des Centrum für Naturkunde: Geologische und Paläontologische Sammlung. Centrum für Naturkunde, 7. April 2015, zuletzt abgerufen am 26. Februar 2019
- Webseite des Centrum für Naturkunde: Bernsteinsammlung. Centrum für Naturkunde, 25. Februar 2019, zuletzt abgerufen am 26. Februar 2018
- Präsident der Universität Hamburg: Wissenschaftliche Sammlungen. Universität Hamburg, Oktober 2014, S. 48
- Webseite des Centrum für Naturkunde: Eiszeitliche Geschiebe. Centrum für Naturkunde, 25. Februar 2019, zuletzt abgerufen am 26. Februar 2018
- Webseite des Centrum für Naturkunde: Eiszeitliche Geschiebe. Centrum für Naturkunde, 25. Februar 2019, zuletzt abgerufen am 26. Februar 2018
- Matthias Glaubrecht: Das Centrum für Naturkunde im Aufbruch, Universität Hamburg, September 2018, S. 62
- Webseite des Centrum für Naturkunde: Mineralogisches Museum. Centrum für Naturkunde, 4. Dezember 2018, zuletzt aufgerufen am 26. Februar 2019
- Präsident der Universität Hamburg: Wissenschaftliche Sammlungen. Universität Hamburg, Oktober 2014, S. 25
- Matthias Glaubrecht: Das Centrum für Naturkunde im Aufbruch, Universität Hamburg, September 2018, S. 98 ff.