Casa del Balilla (Forlì)
Das ehemalige Casa del Balilla „Arnaldo Mussolini“, ehemals auch Palazzo Gioventù Italiana del Littorio (GIL), ist ein Mehrzweckgebäude in Forlì in der italienischen Region Emilia-Romagna. Es liegt in der damaligen Viale Benito Mussolini 4 (heute Viale della Libertà 4). Vom Opera Nazionale Balilla war es als Sport- und Kultureinrichtung zur ideologischen Erziehung der Jugend gedacht.[1]
Beschreibung
Das Gebäude, das vom Architekten Cesare Valle entworfen wurde, entstand in den Jahren 1933–1935 auf einem großen Gelände der Stadt, das für Schulen und Sportplätze gedacht war. Es bestand aus drei Hauptblöcken: Dem Kinotheater, dem Gymnastikraum und dem Schwimmbad. Letzteres wurde nach dem Zweiten Weltkrieg teilweise abgerissen und ebenfalls in einen Gymnastikraum verwandelt.
Der Gymnastikraum und das ehemalige Schwimmbad sind symmetrisch auf den beiden Seiten eines quadratischen Innenhofes angeordnet, der über eine Vorhalle mit einem 20.000 m² großen Sportplatz hinter dem Gebäude verbunden ist. Der für die Kultur reservierte Teil, in dem ein Kinotheater mit 800 Plätzen, ein Versammlungssaal und die Bibliothek mit angeschlossenem Lesesaal untergebracht sind, wird von einem 30 Meter hohen Turm überragt, in dessen Inneres ursprünglich eine Votivkapelle für Arnaldo Mussolini ausfüllte und an seiner Spitze den Text des Eides der Gioventù Italiana del Littorio eingraviert hatte:[3]
„Nel nome di Dio e dell’Italia giuro di eseguire gli ordini del Duce e di servire con tutte le mie forze e se è necessario col mio sangue la causa della rivoluzione fascista.“[4]
(dt.: „Im Namen Gottes und Italiens schwöre ich, die Anweisungen des Duce auszuführen und mit all meiner Kraft und, wenn nötig, mit meinem Blut der revolutionären, faschistischen Sache zu dienen.“)
In dem Mehrzweckgebäude sind weiterhin Sporteinrichtungen und ein Kino untergebracht und es war auch ein Sitz der Universität Bologna, obwohl es im Laufe der Jahre langsam verfiel. 2010 leitete die Stadt Forlì einen vollständigen Umbau ein, wobei aber das originale Aussehen erhalten bleiben sollte. Nach einem internationalen Wettbewerb erhielt das Studio Valle Progettazioni in Rom, das 1957 von den Söhnen des ursprünglichen Architekten des Gebäudes gegründet worden war, den Zuschlag für die Restaurierung und konservative Sanierung des Casa del Balilla.[5]
Die „Nichtrestaurierung“ des Eides an der Casa del Balilla
Der Turm über dem Gebäude zeigt noch Spuren der faschistischen Eidesformel, die als historisches Zeugnis auch nach der Restaurierung 2010 erhalten wurden. Ursprünglich hatte man vor, den Turm gänzlich neu zu streichen und auszulöschen, was von der Eidesformel erhalten geblieben war, aber später wurde entschieden, dass der Abdruck des Eides als historisches Zeugnis erhalten bleiben sollte, aber die Marmorbuchstaben, die nach dem Fall des Faschismus zerstört worden waren, nicht wiederhergestellt werden sollten, weil auch diese Zerstörung ein historisches Zeugnis sei, das erhalten werden müsse.[6][7]
Unterschiedliche Ansichten
Der Architekt Marcello Piacentini definiert das Gebäude als „perfektes und unerreichtes Beispiel eines Sitzes des Opera Nazionale Balilla“, während sein Berufskollege Giuseppe Pagano es als „wichtigstes Werk des italienischen Rationalismus“ klassifiziert.[1]
Angelegentlich der konservativen Restaurierung wiederholte die Stadt durch ihren Kulturassessor, dass der Komplex „Ex G.I.L.“ das Gebäude sei, das vielleicht mehr als jedes andere die Architektur dieser Zeit symbolisiert.[7]
ATRIUM
Die Associazione della Rotta Culturale Europea Atrium (ATRIUM), die am 15. Juni 2013 gegründet wurde, hast ihren Sitz in der Nähe des ehemaligen Casa del Balilla. ATRIUM hat das Ziel, das architektonische und immaterielle Erbe der Regime des 20. Jahrhunderts zu untersuchen und zu verwalten. An dem Projekt, das die italienische Stadt Forlì anführt, sind 18 verschiedene Körperschaften und Institutionen (Universität, Ministerien, Nicht-Regierungsorganisationen, örtliche Verwaltungen) und 11 europäische Länder (Italien, Slowenien, Bulgarien, Ungarn, Slowakei, Rumänien, Kroatien, Albanien, Bosnien-Herzegowina, Serbien und Griechenland) beteiligt.[8]
Einzelnachweise
- Chiara Magalini: 33 - Forlì - Casa del Balilla. Direzione regionale per i Beni Culturali e Paesaggistici dell’Emilia-Romagna. 2007. Abgerufen am 11. März 2021.
- Studio Valle Progettazione: Lavori di restauro e risanamento conservativo edificio ex G.I.L. Casa Stadio, Forlì. Abgerufen am 6. April 2009.
- Casa dello Sport „Adriano Casadei“, poi ex G.I.L.. In: Turismo forlivese. Emilia Romagna Turismo. Abgerufen am 11. März 2021.
- Gioventù Italiana del Littorio – PNF (Ausweis Nr. 905888) – Text des Eides auf der Rückseite. Cemir.it. 1939. Abgerufen am 11. März 2021.
- Lavori di restauro e risanamento conservativo edificio ex G.I.L. Casa Stadio, Forlì. Europaconcorsi. 6. April 2009. Archiviert vom Original am 5. September 2013. Abgerufen am 11. März 2021.
- Alla scoperta della ‘Forlì del duce’: visita a viale della Libertà. In: ForlìToday. 6. Juni 2012. Abgerufen am 11. März 2021.
- Ex Gil, resteranno le tracce del giuramenti di fedeltà dei Balilla. In: ForlìToday. 10. November 2012. Abgerufen am 11. März 2021.
- Nasce l’Associazione della Rotta Culturale Atrium. In: ForlìToday. 17. Juni 2013. Abgerufen am 11. März 2021.
Quellen
- U. Tramonti: Le radici del razionalismo in Romagna. Itinerari nel comprensorio Forlivese. Forlì 2005. S. 28–29.
- L. Prati, U. Tramonti (Herausgeber): La città progettata: Forlì, Predappio, Castrocaro. Urbanistica e architettura fra le due guerre. Forlì 1999. S. 174–177.
- Luca Guardgili: Riflessioni sul recupero strutturale degli edifici del razionalismo italiano. La Casa del Balilla di Forlì. Universität Bologna. Dezember 2012. Abgerufen am 11. März 2021.