Budgetrecht
Als Budgetrecht bezeichnet man das Recht des Parlaments einer Gebietskörperschaft, den Haushaltsplan der betreffenden Gebietskörperschaft, in der Regel für das folgende Kalenderjahr, festzulegen. Das Budgetrecht wird auch Etatrecht genannt.
Bei dem Budgetrecht handelt es sich um eine Kernkompetenz der Legislative als ein wesentliches Element im System der Gewaltenteilung. Durch das Budgetrecht erhalten vom Volk gewählte Abgeordnete die Möglichkeit, die Aktivitäten der Exekutive zu steuern, indem sie dieser die für ihre Arbeit erforderlichen Mittel zuweisen oder auch (im Rahmen des von der Verfassung her Zulässigen) verweigern können.
Funktion im Kontext der Gewaltenteilung
Kontrolle und Steuerung der Exekutive
Eine historisch bedeutsame Rolle spielte das Budgetrecht bereits im Kontext der Amerikanischen Revolution (ab 1763). Die Siedler in den britischen Kolonien in Nordamerika bemängelten ihre fehlende Repräsentation im britischen Unterhaus. Unter dem Schlachtruf: "No taxation without representation" erklärten die damals dreizehn Staaten der neu gegründeten USA ihre Unabhängigkeit von der britischen Monarchie. Der Spruch betont die Wichtigkeit des Rechts der Steuerzahler, entweder selbst oder über von ihnen gewählte Volksvertreter über sie belastende Steuern mitzubestimmen, als Element der Volksherrschaft. Bereits 1628 bestimmte die britische Petition of Right, dass das Parlament das Recht habe, über die Art und die Höhe von Steuern verbindliche Beschlüsse zu fassen, was als elementarer Bestandteil des englischen Konstitutionalismus gilt.[1]
Eine ähnlich wichtige Rolle spielte die Verfügungsgewalt über den Staatshaushalt in der Französischen Revolution. Das chronisch gewordene strukturelle Defizit des französischen Staatshaushalts machte 1789 die Einberufung der Generalstände erforderlich, die seit 1614 nicht mehr einberufen worden waren. Denn am 16. Juli 1787 hatte das Parlament von Paris erklärt, dass nur die Generalstände legitimiert seien, neue Steuern zu erheben. Aus den Generalständen ging die erste Nationalversammlung Frankreichs hervor. Dem Budgetrecht der vom Bürgertum dominierten französischen Nationalversammlung kommt auch insofern eine besondere Bedeutung zu, als vor der Französischen Revolution Adelige von der Pflicht zur Zahlung von Steuern befreit waren, was mit dem Prinzip der Gleichheit vor dem Gesetz nicht vereinbar ist.
Auch heute noch spielt das Budgetrecht eine zentrale Rolle im System der Gewaltenteilung. Insbesondere in präsidentiellen Regierungssystemen, in denen Abgeordnete nicht die Möglichkeit haben, einen vom Volk direkt gewählten Staatspräsidenten abzuwählen, der zugleich die Spitze der Exekutive bildet, ist die Möglichkeit, staatliche Finanzströme zu erzeugen und zu steuern, ein zentrales Machtinstrument der Legislative.
Abwehr von Zahlungsverpflichtungen des Staates durch Gerichte
In der Gegenwart spielt die Frage eine zentrale Rolle, inwieweit das Parlament gezwungen werden kann, Haushaltsansätze für bestimmte Aufgaben zu schaffen und Ausgaben in einer bestimmten Mindesthöhe zu beschließen. Insbesondere stellt sich die Frage, ob Einzelne oder Institutionen unter Berufung auf (angebliche) Teilhaberechte die Erbringung bestimmter staatlicher Leistungen gerichtlich erzwingen können. Ebenso stellt sich die Frage, ob Gerichte berechtigt sind, die Exekutive zu Leistungen zu verpflichten, für die es (noch) keine Haushaltsansätze (in ausreichender Höhe) gibt.
Zahlungsverpflichtungen auf der Grundlage individueller Teilhaberechte
In Deutschland ist es unstrittig, dass jeder, der sich hier legal aufhält, im Prinzip einen Anspruch darauf hat, ein Leben oberhalb seines Existenzminimums führen zu können. Aus diesem Grund darf das Existenzminimum bei der Einkommensteuer nicht versteuert werden, und Bedürftige haben im Rahmen des Subsidiaritätsprinzips einen Anspruch auf staatliche Sozialtransfers, sofern sie sich nicht selbst aus ihrer Notlage befreien können oder andere Personen und/oder Institutionen zu Zahlungen verpflichtet sind, die ihren Unterhalt sichern.
Laut einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 1972[2] unterliegt die Pflicht des Staates, Ausgaben zu tätigen, dem „Vorbehalt des Möglichen im Sinne dessen, was der Einzelne vernünftigerweise von der Gesellschaft verlangen kann“, d. h., dass im Rahmen der o. g. Einschränkungen durch das Sozialstaatsgebot niemand staatliche oder kommunale Instanzen zum Beschluss von Haushaltsansätzen zwingen kann, die die zur Entscheidung befugten Gremien für unangebracht oder für zu hoch halten; es sei denn, es gäbe entsprechende Rechtsvorschriften, die aber, sofern es sich um „eigene“ Vorschriften handelt (also z. B. im Fall eines Landeshaushalts um Landesrecht), vom Gesetzgeber geändert werden können. Anlass für das o. g. Urteil des Bundesverfassungsgerichts waren Verfassungsbeschwerden von Studierwilligen mit Hochschulzugangsberechtigung, die die Auffassung vertraten, der Staat müsse mehr Studienplätze schaffen und dürfe sie nicht von der sofortigen Aufnahme eines Studiums in ihrem Wunschfach ausschließen. Im Prinzip sollen, so das Gericht, nicht klagefreudige Individuen bestimmen, wie viel Geld der Staat für bestimmte Aufgaben ausgibt, sondern die gewählten Volksvertreter.
Verursachung von Kosten für den Staat durch richterliche Anordnungen
Ein Beispiel dafür, dass der deutsche Gesetzgeber sich vor Zuweisungen zusätzlicher Aufgaben für die Exekutive durch Gerichte und damit vor zusätzlichen Ausgaben schützt, ist eine Änderung im Achten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII). Laut § 36a SGB VIII haben seit 1990 Familiengerichte nicht mehr das Recht, Jugendämtern Weisungen zu erteilen, die vom Steuerzahler zu finanzierende zusätzliche Kosten verursachen.
Ermessensspielräume der Volksvertreter in der politischen Praxis
Kommunen
Tatsächlich ist der finanzielle Spielraum der meisten Kommunen in Deutschland gering, da ihnen durch Bundes- und Landesrecht eine Vielzahl von Pflichtaufgaben zugewiesen wurden. Insbesondere fehlen vielen Kommunen die finanziellen Mittel zur Gewährung freiwilliger Leistungen. Diese Kommunen können oft nur Pflichtaufgaben finanzieren.
Länder
Der Niedersächsische Landtag gibt im Hinblick auf seinen finanziellen Spielraum zu bedenken: „Allerdings stehen gut vier Fünftel der im Landeshaushalt ausgewiesenen Ausgaben von vornherein fest, weil sie für Löhne, Gehälter und (bundes-)rechtlich verbindliche Sachausgaben eingeplant werden müssen. Nur das restliche Fünftel steht wirklich zur Debatte und kann in den parlamentarischen Beratungen umgeschichtet werden.“[3] Die bevorstehende Welle der Pensionierung von Landesbeamten wird voraussichtlich in Verbindung mit der „Schuldenbremse“ den finanziellen Spielraum der meisten Länder verringern.[4]
Einzelnachweise
- vgl. Peter Leyland: The Constitution of the United Kingdom – A Contextual Analysis. Portland: Hart Publishing 2007, S. 20.
- BVerfGE 33, 303 [333]
- Niedersächsischer Landtag: Das Budgetrecht des Landtags.
- Stefan von Borstel / Martin Greive / Dorothea Siems: Länder brechen unter Beamten-Pensionen zusammen. Die Welt. 7. September 2013