Belagerung von Prag (1648)
Die Belagerung von Prag fand zwischen dem 25. Juli und dem 1. November 1648 statt. Sie gilt neben der Schlacht bei Dachau (5. Oktober) als letzte militärische Auseinandersetzung des Dreißigjährigen Kriegs.
Vorgeschichte
Der schwedische Befehlshaber Carl Gustav Wrangel sandte im Juni 1648 ein starkes Korps unter General Hans Christoph von Königsmarck über die Oberpfalz nach Böhmen. Obwohl die Friedensverhandlungen mit dem Kaiser in Münster schon weit gediehen waren, versuchte Feldmarschall Wrangel noch immer militärische Erfolge zu erzwingen. Das vereinigte kaiserlich-bayrische Heer hatte sich nach Verlusten in der Schlacht bei Zusmarshausen am 17. Mai gegen zahlenmäßig überlegene Schweden und Franzosen bis an den Inn zurückgezogen, um sich mit Truppen aus Böhmen zu verstärken und den schwedischen Vormarsch in Bayern zu stoppen. Die Verteidigung in Böhmen war davon geschwächt worden.
Nacheinander gelang den Schweden unter Königsmarck die widerstandslose Einnahme kleinerer Städte in Westböhmen wie Klattau und Bischofteinitz. Nach mehrtägiger Belagerung ergab sich am 2. Juli auch Falkenau, worauf Königsmarck zunächst in die Oberpfalz zurückging, um am 22. Juli plötzlich mit etwa 2500 Reitern bei Pilsen aufzutauchen. Die Schweden ignorierten die gut befestigte Stadt und die kaiserliche Garnison unter Jan van der Croon, die ihrerseits zu schwach war, um den Schweden im Feld entgegenzutreten. Königsmarck nahm in Bela an der Grenze zur Oberpfalz 600 dort zurückgelassene Fußsoldaten auf, zog am 24. Juli nach Rakonitz, wo er seine Artillerie zurückließ und die Fußsoldaten auf die Zugpferde setzte.[2]
Verlauf
In der Nacht vom 25. auf den 26. Juli erreichten die Schweden vom Westen her Prag und griffen mit Hilfe des kaiserlichen Kriegsinvaliden und Überläufers Ernst Odowalsky eine schwach bewachte Stelle der Stadtmauer nahe dem Strahover Tor an. Dort konnten die Schweden die Mauer erklettern, die Wachen überwältigen und das Tor öffnen. Die eindringenden Schweden eroberten bis zum Morgen die Prager Burg und die Prager Kleinseite auf dem linken Ufer der Moldau.[1]
Die Altstadt auf dem Ostufer jenseits der Karlsbrücke wurde von dem Geschützlärm und dem über die Brücke geflüchteten Fähnrich des die Stadtbesatzung bildenden Regiments Waldstein gewarnt. Der kaiserliche Befehlshaber Rudolf von Colloredo entkam mit einem Fischerkahn in die Altstadt. Der Altstädter Bürgermeister Mikuláš Turek von Rosenthal und der Neustädter Wachtmeister Václav Augustin Kavka riefen Bürgermilizen ein, die am frühen Morgen den Altstädter Brückenturm besetzten, das Brückentor wurde von ihnen gesperrt und mit einem Bollwerk verschanzt. Colloredo ließ die Milizen die Schützeninsel in der Moldau besetzen und die Neustädter Stadttore sichern, während Königsmarck seinen Soldaten eine dreitägige Plünderung auf der Kleinseite erlaubte, der 100 bis 200 Bürger zum Opfer gefallen sein sollen.[3]
Königsmarck nahm sein Quartier auf dem Hradschin und ließ die im dortigen Zeughaus erbeuteten Geschütze gegen die Altstadt einsetzen. Am 27. Juli erreichte kaiserliche Verstärkung unter General Puchheim Prag, kurz bevor auch die Schweden am 30. Juli durch General Wittenberg verstärkt wurden.[1] Schwedische Angriffe auf die Stadtteile rechts der Moldau scheiterten am 3. August unter Wittenberg von Osten her und kurz darauf unter Königsmarck über die Karlsbrücke. Wittenberg zog wieder von der Stadt ab, um die südliche Umgebung Prags zu plündern, was den Kaiserlichen Zeit gab, die Stadt mit Proviant zu versorgen und ihre Verteidigungen auszubauen. Die Handwerker der Stadt verstärkten unter der Leitung des kaiserlichen Generalwachtmeisters Innocentio Conti die Befestigungen der Alt- und Neustadt. Alle Schichten der Stadt beteiligten sich an der Verteidigung und bildeten Kompanien, die Prager Juden als ständige Brandwache, die Studenten in einer Freikompanie und die Adligen in einer eigenen Schwadron. Sogar die Geistlichen bildeten drei Freiwilligenzüge, vor allem aus Ordensleuten.[3]
Wittenberg nahm im Süden Böhmens im August Tábor und im September Krumau ein, von letzterem aus versuchte er weitestgehend erfolglos, in Oberösterreich einen Bauernaufstand anzuzetteln. Auf dem Rückweg in Richtung Prag überraschte er am 24. September bei Frauenberg eine kleine kaiserliche Streitmacht unter Puchheim, der nach Budweis unterwegs war, um von dort Verstärkungen nach Prag zu führen. Bevor Puchheim sich mit dem von Budweis aus zur Beobachtung Wittenbergs geschickten Siegmund Myslik von Hirschau vereinen konnte, wurde er von Wittenberg angegriffen, gefangengenommen, nach Prag gebracht und dort an Königsmarck übergeben.[3]
Am 4. Oktober trafen westlich der Stadt beträchtliche schwedische Verstärkungen unter dem als Thronfolger gehandelten Pfalzgraf Karl Gustav ein, der den Oberbefehl der Belagerungstruppen übernahm. Mit einer Behelfsbrücke rückte er über die Moldau und bezog dort ein Lager vor den Stadtmauern.[1] Zwischen dem 11. und dem 13. Oktober beschossen die Schweden massiv die Stadtmauern und unternahmen einen ersten Sturmangriff, der von den Pragern abgewehrt wurde. Am Neutor starben dabei zahlreiche Schweden durch eine von den Verteidigern ausgelöste Explosion unter einem Turm, aber auch die Prager verloren insgesamt über 180 Soldaten und Bürger. Am 14. Oktober kam es zu Verhandlungen, bei der die Prager dem schwedischen Befehlshaber Karl Gustav Neutralität zwischen beiden Moldauseiten anboten, was dieser in Erwartung einer baldigen Kapitulation der Stadt ablehnte.[3]
In den nächsten Wochen wurde zwischen beiden Seiten ein reger Minenkrieg geführt, dem am frühen Morgen des 25. Oktober der nächste Generalsturm der Schweden folgte. Wieder richtete sich der Angriff vor allem auf das Neutor und den nahegelegenen Kornspeicher. Durch den hartnäckigen Widerstand der Prager Soldaten und der Studentenkompanie blieben fast 800 Schweden tot oder verwundet. Die Schweden konnten in den nächsten Tagen eine Bresche in die Stadtbefestigung schlagen, an der sie bis zum 30. Oktober mit zahlreichen Angriffen einen Durchbruch versuchten. Am 30. Oktober forderte der Pfalzgraf die Stadt zur Kapitulation auf, was Colloredo seine Trompeter damit beantworten ließ, dass der kaiserliche Befehlshaber nicht in der Stadt sei. In den nächsten Tagen zogen sich die schwedischen Truppen zurück und hoben die Belagerung auf[3], nachdem sich kaiserliche Entsatztruppen unter Martin Maximilian von der Goltz genähert[4] und die ersten Nachrichten über den bereits am 24. Oktober unterzeichneten Westfälischen Frieden bestätigt hatten.[3]
Am 4. November trafen die kaiserlichen Entsatztruppen in Prag ein, am 29. November wurde ein endgültiger Waffenstillstand vereinbart. Die Prager verloren während der Belagerung 219 Mann sowie 475 Verwundete. Die Schweden verzeichneten nach Pufendorf 500 Gefallene und 700 Verwundete, nach Prager Schätzungen verloren sie dagegen mehrere tausend Mann. Auf der Kleinseite blieb zunächst eine schwedische Garnison liegen, die erst am 30. September 1649 endgültig abzog.[3]
Die Schweden nahmen beim Abzug bedeutende Kunstschätze mit, die sich bis heute in Stockholm befinden (Prager Kunstraub).
Literatur
- Beda Dudik: Schweden in Böhmen und Mähren 1640–1650(Wien, 1879) Nachdruck des Originals, Paderborn 2015, Digitalisat bei Google Books
- Johann Sporschil: Der dreißigjährige Krieg, George Westermann Verlag, Braunschweig 1843, S. 695–698.
- Johann Sporschil: Geschichte des Entstehens, des Wachsthums und der Größe der österreichischen Monarchie, Band 5, Friedrich Volckmar Verlag, Leipzig 1846, S. 130–135.
- Zdeněk Hojda: Der Kampf um Prag 1648 und das Ende des Dreißigjährigen Krieges. In: Klaus Bußmann, Heinz Schilling (Hrsg.): 1648: Krieg und Frieden in Europa. Band 1. Münster 1998, ISBN 3-88789-127-9, S. 403–412 (online).
Weblinks
Einzelnachweise
- Ernst Höfer: Das Ende des Dreißigjährigen Krieges. Strategie und Kriegsbild. Böhlau, Köln/ Weimar/ Wien 1997, ISBN 3-412-04297-8, S. 216–220.
- Ernst Höfer: Das Ende des Dreißigjährigen Krieges. Strategie und Kriegsbild. Böhlau, Köln/ Weimar/ Wien 1997, ISBN 3-412-04297-8, S. 215–216.
- Zdeněk Hojda: Der Kampf um Prag 1648 und das Ende des Dreißigjährigen Krieges. In: Klaus Bußmann, Heinz Schilling (Hrsg.): 1648: Krieg und Frieden in Europa. Band 1. Münster 1998, ISBN 3-88789-127-9, S. 403–412 (online).
- Bernd Warlich: Goltz, Martin Maximilian Freiherr von der In: Der Dreißigjährige Krieg in Selbstzeugnissen, Chroniken und Berichten; abgerufen am 7. April 2021