Bach-Blütentherapie
Die Bach-Blütentherapie (sprich: [ˈbætʃ]-Blütentherapie, ) ist ein in den 1930er Jahren von dem britischen Arzt Edward Bach () (1886–1936) begründetes und nach ihm benanntes alternativmedizinisches Verfahren ohne nachgewiesene pharmakologische Wirksamkeit. Laut Bachs zentraler These beruhe jede körperliche Krankheit auf einer seelischen Gleichgewichtsstörung.[1] Die Ursache dieser Störung sah er in einem Konflikt zwischen der unsterblichen Seele und der Persönlichkeit, und eine Heilung könne nur durch eine Harmonisierung auf dieser geistig-seelischen Ebene bewirkt werden.[2] Bach beschrieb zunächst neunzehn Gemütszustände, erweiterte das Repertoire dann aber auf „38 disharmonische Seelenzustände der menschlichen Natur“. Diesen ordnete er Blüten und Pflanzenteile zu, die er in Wasser legte oder kochte und die so ihre „Schwingungen“ an das Wasser übertragen sollten. Aus diesen Urtinkturen wurden anschließend durch starke Verdünnung die sogenannten Blütenessenzen hergestellt.[3]
Mehrere randomisierte kontrollierte Studien lieferten keine Hinweise auf eine tatsächliche pharmakologische oder medizinische Wirksamkeit der Bach-Blütentherapie,[4] aus wissenschaftlicher Sicht wird sie als unplausibel eingestuft.[5] Die ihr zugrunde liegenden Konzepte gelten als pseudowissenschaftlich.[6]
Geschichte
Bach entwickelte seine Therapie in den 1930er Jahren. Als Anhänger der Lehren von Carl Gustav Jung wählte er die Pflanzen nach eigenen Angaben „intuitiv“ danach aus, welche „positiven archetypischen Seelenkonzepte“ sie verkörpern. Nach seinem Tod 1936 verschwand die Therapie zunächst in der Bedeutungslosigkeit.
Ende der 1970er Jahre wurde die Bach-Blütentherapie dann wieder durch den Esoterikjournalisten Wulfing von Rohr vertreten und in der Folge von der Hamburger Heilpraktikerin Mechthild Scheffer vermarktet. Weitere Popularitätsschübe erfuhr sie im deutschsprachigen Raum seit Mitte der 1980er Jahre durch Berichte in der Boulevard- und Regenbogenpresse und durch eine Vorstellung in drei aufeinanderfolgenden Ausgaben der damals sehr populären Sat.1-Talkshow Schreinemakers Live im Juni 1995.[7] In den Tagen nach der Ausstrahlung der Sendungen stieg die Nachfrage nach Bach-Blütenessenzen in Apotheken auf das Drei- bis Zehnfache an. Das Dr. Edward Bach Center in Hamburg verzeichnete nach eigenen Angaben statt der zuvor üblichen 1000 Anfragen nach der Ausstrahlung der Sendungen 80.000 schriftliche Anfragen pro Monat.[8]
Essenzen
Bach ordnete den von ihm postulierten negativen Seelenzuständen, die für alle Leiden und Krankheiten verantwortlich sein sollen, jeweils eine „Essenz“ zu, die eine „Harmonisierung“ fördern soll. Traditionell tragen die nummerierten Essenzen englische Namen und sind unterschiedlichen Anwendungsgebieten zugeordnet. Im Gegensatz zum Simile-Prinzip in der Homöopathie sollen diese Essenzen als positiver Gegenpol eine Harmonisierung negativer Seelenzustände direkt bewirken. Kritiker führen an, dass der moralisierende Charakter dieses Konzeptes seelischen Druck auf Erkrankte ausüben kann, da das eigene, persönliche Verhalten als ursächlich für Krankheiten angesehen wird.[10]
Die Bach-Blütentherapie wird üblicherweise nicht zur Phytotherapie (Pflanzenheilkunde) gezählt. Die verwendeten Pflanzenteile sind in der Regel keine bekannten Heilpflanzen und wurden von Edward Bach auch nicht als solche ausgewählt.[11]
In den vergangenen Jahren sind zahlreiche „neue Essenzen“ auf dem Markt erschienen, die sich bezüglich ihrer Herstellung an die Bach-Blüten anlehnen, allerdings nicht im Kanon von Bach enthalten sind.
Systematik
Bach postulierte 37 Essenzen aus 37 Blüten und eine Essenz aus Fels-Quellwasser (Rock Water) ohne Zugabe von Blüten. Zusätzlich bestimmte er eine Kombination aus fünf Essenzen, die er als Notfalltropfen („Rescue Remedy“) für akute Belastungssituationen empfahl. Die 38 Essenzen unterteilte er in sieben Gruppen, die er jeweils bestimmten Gemütszuständen zuordnete (Niedergeschlagenheit, Angst, fehlendes Interesse an der Gegenwart, Einsamkeit, übertriebene Sorge um Andere, Überempfindlichkeit und Unsicherheit). Die Essenzen sollten bei der Überwindung dieser Gemütszustände helfen. Beispiele für einzelne verwendete Blüten sind Gemeiner Odermennig (Agrimony), Lärche (Larch), Ackersenf (Mustard), Weinrebe (Vine) oder Heckenrose (Wild Rose). Der Gemeine Odermennig soll bei Angst vor Konflikten, bei Unehrlichkeit oder Überspielen persönlicher Probleme mit Verdrängung sowie bei Verspannungen und Verkrampfungen eingesetzt werden. Die Lärche hingegen helfe bei Minderwertigkeitsgefühlen, Schüchternheit und Zaghaftigkeit. Die Heckenrose helfe bei Personen, die an Antriebslosigkeit, Resignation und „krankhafter Schicksalsergebenheit“ litten.[5][12]
Herstellung
Die einzelnen Blüten werden heute noch an den ehemals von Bach festgesetzten Standorten gesammelt und nach den von Bach beschriebenen Potenzierungsmethoden rituell verarbeitet. Bei der Sonnenmethode werden die Blüten etwa drei bis vier Stunden lang in eine mit Wasser gefüllte Schale gelegt und diese in die Sonne gestellt, bei der Kochmethode werden die Pflanzenteile eine halbe Stunde in Wasser erhitzt. Die letztere Methode wird für holziges Pflanzenmaterial oder bei Pflanzen angewendet, die zu einer sonnenarmen Jahreszeit blühen. Laut Bach sollen die Pflanzen ihre „Schwingungen“ als „heilende Energie“ an das Wasser abgeben. Das Wasser wird anschließend mit einem gleich großen Anteil Alkohol als Konservierungsmittel versetzt. Diese Urtinktur wird 1:240 verdünnt, um die eigentlichen Blütenessenzen herzustellen, und ähnelt in diesem Punkt der Homöopathie, mit der Bach sich intensiv beschäftigt hatte. Aus fünf Litern Wasser, in welche die Blüten gelegt wurden, entstehen nach Hinzufügen von fünf Litern Alkohol und anschließender Verdünnung schließlich 2.400 Liter Blütenessenz.
Wirksamkeit
In klinischen Studien zeigte sich keine über den Placebo-Effekt hinausgehende Wirksamkeit von Bach-Blütenessenzen.[13][14][15][3][4][16][17]
Für eine gezielte Behandlung von Krankheiten ist gemäß Stiftung Warentest die Bach-Blütentherapie nicht empfehlenswert.[18]
Die Kosten einer Behandlung werden von einigen deutschen Krankenkassen übernommen. Dies wird jedoch mit Kundenfreundlichkeit und nicht mit der Wirksamkeit der Bach-Blütentherapie begründet.[19] Der IGeL-Monitor des MDS (Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen) hatte zuletzt 2015 die Studienlage der Bach-Blütentherapie bezüglich einer möglichen, positiven Beeinflussung verschiedener Krankheiten mit „unklar“ bewertet.[20] Zwar zeige sie selbst keine direkten Nebenwirkungen, wirke aber nicht besser als eine Scheinbehandlung. Zudem warnt der Monitor vor sogenannten indirekten Schäden, die entstehen könnten, wenn beispielsweise sinnvolle und notwendige Behandlungen unterbleiben.[20]
Literatur
- Edzard Ernst, M. Pittler, B. Wilder (Hrsg.): The Desktop Guide to Complementary and Alternative Medicine. 2. Auflage. Elsevier 2006, ISBN 0-7234-3383-6.
Weblinks
Einzelnachweise
- Edward Bach: Heile Dich selbst. Die geistige Grundlage der Original-Bach-Blütentherapie. Übersetzt von Karl Friedrich Hörner. 2000, ISBN 3-7205-2119-2.
- Theodor Dingermann u. a. (Hrsg.): Pharmazeutische Biologie. Molekulare Grundlagen und klinische Anwendung. Springer, 2002, ISBN 3-540-42844-5, S. 12.
- E. Ernst: “Flower remedies”: a systematic review of the clinical evidence. In: Wiener Klinische Wochenschrift. Band 114, Nr. 23–24, 30. Dezember 2002, S. 963–966, PMID 12635462.
- E. Ernst: Bach flower remedies: a systematic review of randomised clinical trials In: Swiss Med Wkly. 140, 24 Aug 2010, S. w13079. PMID 20734279
- Edzard Ernst, M. Pittler, B. Wilder (Hrsg.): The Desktop Guide to Complementary and Alternative Medicine. 2. Auflage. Elsevier, 2006, S. 306.
- R. Monvoisin: Bach flower remedies: a critic of the pseudoscientific, pseudomedicinal concepts and philosophical postures inducted by Dr Bach theory. In: Ann Pharm Fr. 63(6), Nov 2005, S. 416–428. Review. French. PMID 16292234
- Colin Goldner: Die Psycho-Szene, 2000, S. 160.
- Ulrich Arndt: Der Boom der Blüten. zuletzt zugegriffen am 19. Dezember 2017.
- Mechthild Scheffer: Die Original Bach-Blüten-Therapie für Einsteiger. Hugendubel, 2002, ISBN 3-7205-2330-6.
- Krista Federspiel: Bach-Blütentherapie (Memento vom 24. Juli 2008 im Internet Archive) 2002. Informationsblatt der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften, abgerufen am 13. August 2012.
- C. Jänicke, J. Grünwald, B. Brendler: Handbuch Phytotherapie. Indikationen – Anwendungen – Wirksamkeit – Präparate. Stuttgart 2003, ISBN 3-8047-1950-3.
- Alternative Medizin. In: Der Brockhaus. F. A. Brockhaus, Mannheim 2008, ISBN 978-3-7653-3291-3.
- N. C. Armstrong, E. Ernst: A randomized, double-blind, placebo-controlled trial of a Bach Flower Remedy. University of Exeter, 2001. PMID 11876168
- Harald Walach, Christine Rilling, Ursula Engelke: Efficacy of Bach-flower remedies in test anxiety: A double-blind, placebo-controlled, randomized trial with partial crossover. Universitätsklinikum Freiburg. PMID 11474820
- S. Pintov, M. Hochman, A. Livne, E. Heyman, E. Lahat: Bach flower remedies used for attention deficit hyperactivity disorder in children--a prospective double blind controlled study. In: Eur J Paediatr Neurol. 9(6), 2005, S. 395–398. PMID 16257245
- K. Thaler, A. Kaminski, A. Chapman, T. Langley, G. Gartlehner: Bach Flower Remedies for psychological problems and pain: a systematic review. In: BMC Complement Altern Med. Band 9, 2009, S. 16, doi:10.1186/1472-6882-9-16, PMID 19470153, PMC 2695424 (freier Volltext).
- Julia Harlfinger: Prüfungsangst: Bachblüten anscheinend nicht wirksam. In: Medizin transparent. 24. Juli 2019, abgerufen am 8. Juli 2020.
- „Rückfall ins Mittelalter“. In: Spiegel Online. Band 21, 19. Mai 1997, S. 22–32 (spiegel.de [PDF; abgerufen am 8. November 2019]).
- Edzard Ernst: Falsch verstandene „Patientenfreundlichkeit.“ In: MMW – Fortschritte der Medizin. 8, 2007, S. 55.
- Bach-Blütentherapie. In: IGeL Monitor. 25. März 2015, abgerufen am 13. Juli 2020.