Börneplatzsynagoge
Die Börneplatzsynagoge war eine Synagoge der israelitischen Gemeinde in Frankfurt am Main. Sie wurde 1881/1882 anstelle des 1780 am Südende der ehemaligen Judengasse erbauten Fremdenhospitals errichtet und am 10. September 1882 feierlich eingeweiht. Die Börneplatzsynagoge diente als eine der vier großen Frankfurter Synagogen dem orthodoxen Flügel der Gemeinde als geistliches Zentrum. Am 10. November 1938 wurde sie während der Novemberpogrome von einem nationalsozialistischen Mob in Brand gesetzt. Sie brannte bis auf die Außenmauern nieder. Ihre Reste wurden unmittelbar darauf abgetragen. Heute erinnert die Gedenkstätte Neuer Börneplatz u. a. an die ehemalige Synagoge.[1]
Geschichte
1851 spaltete sich eine streng orthodoxe Israelitische Religionsgesellschaft von der Israelitischen Gemeinde Frankfurts ab. Vorausgegangen war ein Konflikt über die Berufung des liberalen Rabbiners Leopold Stein, eines Vertreters der jüdischen Reformbewegung. Um die weitere Abwanderung orthodoxer Juden aus der Mehrheitsgemeinde zu vermeiden, bemühte sich die Gemeinde, zusätzlich zur liberalen Hauptsynagoge eine weitere Synagoge für die Anhänger des orthodoxen Ritus zu errichten. 1878 wurde mit Markus Horovitz ein orthodoxer Rabbiner für die Israelitische Gemeinde berufen. Nach diesem wurde die Synagoge umgangssprachlich als Horovitzsynagoge bezeichnet. 1881 begann der Bau einer orthodoxen Synagoge nach Plänen von Siegfried Kusnitzky.[2] Dafür wurde das ehemalige Israelitische Hospital (früher: Fremdenhospital) von 1780 am so genannten Judenmarkt, einem Platz am Südrand des ehemaligen Ghettos, abgerissen.[3] Dieses war bereits seit 1829 obsolet geworden, als die Rothschilds auf dem Gelände des heutigen Neuen Börneplatzes das Krankenhaus der Israelitischen Männer- und Frauen-Krankenkassen errichten ließen. Mit der Rückseite grenzte das Gebäude an den seit dem Mittelalter bestehenden und 1828 geschlossenen Alten Jüdischen Friedhof. Der im Stil der italienischen Renaissance gehaltene Bau aus rotem Main-Sandstein, dem für repräsentative Bauten in Frankfurt typischen Material, bot im Innern der einschiffigen Halle 520 Plätze für Männer und auf der umlaufenden Empore 360 Plätze für Frauen. Unter der zum Börneplatz gelegenen kupfergedeckten Kuppel befand sich eine Apsis mit dem Toraschrein. Anders als bei der nahe gelegenen Hauptsynagoge fehlten liturgische Elemente, die dem orthodoxen Judentum fremd sind, zum Beispiel eine Orgel.
1901 wurde die Börneplatzsynagoge um 400 Plätze erweitert. 1919 malte Max Beckmann sein bekanntes Bild Die Synagoge in Frankfurt am Main, das sich heute im Städel befindet.[4]
1935 wurden der Börneplatz und die Börnestraße in Dominikanerplatz bzw. Dominikanergasse umbenannt, nach dem gegenüber der Synagoge gelegenen Dominikanerkloster. In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 setzten marodierende Gruppen der SA die Synagoge in Brand. Da die herbeigeeilte Feuerwehr nichts zur Bekämpfung des Feuers unternahm, brannte das Gebäude mit seiner gesamten Inneneinrichtung aus. Die ausgeglühte Ruine wurde Anfang 1939 auf Kosten der israelitischen Gemeinde abgetragen, das Grundstück gegen eine geringe Entschädigung an die Stadt abgetreten. Noch brauchbare Steine wurden zum Bau einer Mauer entlang der Eckenheimer Landstraße verwendet, um das 1928 erweiterte Gelände des Hauptfriedhofs einzufrieden.
Die Auseinandersetzung um die Börneplatzbebauung
Nach dem Zweiten Weltkrieg blieb das Grundstück der ehemaligen Synagoge im Besitz der Stadt. Am 20. März 1946 ließ die Alliierte Militärverwaltung dort eine Gedenktafel errichten mit dem Hinweis Hier stand die Börneplatz-Synagoge, welche von Nazi-Verbrechern am 9. November 1938 zerstört wurde.
Die Umgebung lag wie die gesamte östliche Innenstadt nach mehreren schweren Bombenangriffen 1943 und 1944 weitgehend in Trümmern. Erst 1952 begann der Wiederaufbau, wobei die ehemalige Börnestraße nicht wieder entstand. Ein breiter Straßendurchbruch, die Kurt-Schumacher-Straße, wurde durch das ehemals dichtbebaute Gelände geschlagen. Auf dem teils als Parkfläche genutzten Börneplatz, der noch bis 1978 seinen von den Nationalsozialisten bestimmten Namen Dominikanerplatz trug, entstand zunächst eine Blumengroßmarkthalle, die jedoch schon Ende der siebziger Jahre wieder verlegt wurde.
1987 wurden beim Bau des Kundenzentrums für die Stadtwerke Frankfurt am Main Reste einer Mikwe im sogenannten Steinernen Haus und Fundamente von fünf Häusern der Judengasse sowie der Börneplatzsynagoge freigelegt. Dieser Fund kam unerwartet, da auch Archäologen und Stadtplaner nicht mit nennenswerten Resten der Vorgängerbauten gerechnet hatten.[5]
Der damalige Frankfurter Oberbürgermeister Wolfram Brück lehnte einen Baustopp und eine Änderung der ursprünglichen Planung ab und wies darauf hin, dass auch die jüdische Gemeinde 1983 ihre Zustimmung zur geplanten Überbauung des Börneplatzes gegeben hatte. Sein Amtsvorgänger Walter Wallmann sah in den Fundamenten der Judengasse keinen Anlass für Scham. Daraufhin entwickelte sich eine bundesweite Debatte über den angemessenen Umgang mit den Überresten jüdischer Kultur.[6][7] Erst nach massiven öffentlichen Protesten gegen die Baupläne wurden einige Grundmauern und archäologische Zeugnisse gesichert und in das 1992 eröffnete „Museum Judengasse“ im Untergeschoss des Verwaltungsgebäudes integriert. Das „Museum Judengasse“ ist eine Außenstelle des Jüdischen Museums Frankfurt.[8][9][10]
Auf dem Neuen Börneplatz entstand ab 1996 eine Gedenkstätte. Das von den Architekten Wandel, Hoefer Lorch und Hirsch realisierte Mahnmal integriert den Umriss bzw. den nicht überbauten Teil der ehemaligen Börneplatzsynagoge.
Siehe auch
- Frankfurter Judengasse Geschichte der Frankfurter Juden bis zum Ende des Ghettozwangs 1806
- Hauptsynagoge Artikel über die liberale Hauptsynagoge
- Westend-Synagoge
Literatur
- Fritz Backhaus: Der Konflikt um den Frankfurter Börneplatz. In: Blickpunkt Archäologie 1/2016, S. 17–22. ISSN 2364-4796.
- Michael Best (Hrsg.): Der Frankfurter Börneplatz. Zur Archäologie eines politischen Konflikts. Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 1988, ISBN 3-5962-4418-8
- Janine Burnicki: Steine der Erinnerung. Der Konflikt um den Frankfurter Börneplatz und die „Gedenkstätte am Neuen Börneplatz für die von Nationalsozialisten vernichtete dritte jüdische Gemeinde in Frankfurt am Main“. Magisterarbeit, Johann-Wolfgang-Goethe-Universität, Frankfurt am Main 2000
- Frankfurter Historische Kommission (Hrsg.): Frankfurt am Main – Die Geschichte der Stadt in neun Beiträgen. (= Veröffentlichungen der Frankfurter Historischen Kommission. Band XVII). Jan Thorbecke, Sigmaringen 1991, ISBN 3-7995-4158-6.
- Hans-Otto Schembs: Der Börneplatz in Frankfurt am Main. Ein Spiegelbild jüdischer Geschichte. Verlag Waldemar Kramer, Frankfurt am Main 1987, ISBN 3-7829-0344-7
- Stadt Frankfurt am Main (Hrsg.), Gedenkstätte am Neuen Börneplatz für die von Nationalsozialisten vernichtete dritte jüdische Gemeinde in Frankfurt. Red. Klaus Kemp, Sigmaringen 1996
- Stadt Frankfurt am Main (Hrsg.): Gedenkstätte Neuer Börneplatz Frankfurt am Main. Jan Thorbecke Verlag, Stuttgart 2001, ISBN 3-7995-2323-5
Weblinks
- Seite des Museums Judengasse
- Die Börneplatzsynagoge im Portal Frankfurt 1933–1945
- Die Einrichtung der Gedenkstätte Neuer Börneplatz im Portal Frankfurt 1933–1945
- 3D-CAD-Modell der ehemaligen Börneplatzsynagoge (Rekonstruktion des FB Architektur der Technischen Universität Darmstadt)
Einzelnachweise
- Börneplatzsynagoge auf: judengasse.de
- Foto: Orthodoxe Horovitzsynagoge am Judenmarkt (um 1883) auf: judengasse.de
- Foto: Judenmarkt an der Börneplatzsynagoge um 1883 auf: judengasse.de
- Max Beckmann: Börneplatzsynagoge (1919) auf: judengasse.de
- Foto: Grundmauern des südöstlichen Endes der ehemaligen Frankfurter Judengasse im August 1987, roter Pfeil weist auf Steinernes Haus mit Mikwe auf: lilit.de
- Foto: Bauplatzbesetzung und Blockade der Baufahrzeuge, 28. August 1987 auf: lilit.de
- Foto: Protest an Bauzaun und Bauschild, 30. August 1987 auf: lilit.de
- Die Wunde von Frankfurt, in: Die Zeit, 25. September 1987 auf: zeit.de
- Redende Steine, in: Der Spiegel, 7. September 1987 auf: spiegel.de
- Die Dinge an ihrem Platz, in: Frankfurter Rundschau, 22. Juni 2010 (Memento vom 3. August 2012 im Webarchiv archive.today) auf: fr-online.de