Gedenkstätte Neuer Börneplatz
Die Gedenkstätte Börneplatz in Frankfurt am Main erinnert an die im Holocaust vernichtete jüdische Gemeinde Frankfurts. Sie wurde am 16. Juni 1996 der Öffentlichkeit übergeben.[1][2]
Zentrales Element ist der Fries auf der Außenmauer des Alten Jüdischen Friedhofs Battonnstraße, der mit 11.908 Gedenkblöcken die Opfer der Schoa aus Frankfurt individuell würdigt. Weitere Bestandteile des Mahnmals erinnern an die wechselvolle Geschichte der früheren Frankfurter Judengasse, des Börneplatzes sowie an die Zerstörung jüdischen Lebens in der Stadt. Die Architektur stammt von Wandel Lorch Architekten.
Lage
Die Gedenkstätte liegt in der östlichen Innenstadt Frankfurts zwischen dem ältesten jüdischen Friedhof Frankfurts und der Rückseite des Gebäudes für die ehemaligen Frankfurter Stadtwerke an der Kurt-Schumacher-Straße, heute Planungsdezernat der Stadt Frankfurt am Main. Die Anlage ist zugänglich von der Battonnstraße vorbei am Eingang des Museum Judengasse sowie von der Rechneigrabenstraße.[3]
- 1862: Häuserzeile an der Stelle des heutigen Neuen Börneplatzes
- 1872: Ehemalige Häuserzeile auf dem heutigen Neuen Börneplatz, links Krankenhaus der Israelitischen Krankenkassen
- Um 1890: Gebäude an der Ostseite der Synagoge an Stelle des heutigen Neuen Börneplatzes
- 1892: Synagoge am Börneplatz, Lage des heutigen Neuen Börneplatzes bei der Abkürzung Syn.
Planung
1985 schrieb die Stadt Frankfurt am Main einen Wettbewerb zur Bebauung des Börneplatzes aus. Hier sollte ein Kundenzentrum der Stadtwerke entstehen, deren Dienststellen bislang über die Stadt verteilt waren. Die Planung wurde dem Schweizer Architekten Ernst Gisel übertragen. Gleichzeitig beschlossen Stadtverordnetenversammlung und Magistrat, mit dem Neubau auch den Börneplatz zu einem „Neuen Börneplatz“ umzugestalten. Die Jüdische Gemeinde regte an, im Zuge dessen eine Gedenkstätte zu errichten, die an die Deportationen der Frankfurter Juden der Jahre 1941 bis 1945 erinnern sollte.
Während der Ausschachtungsarbeiten für das Kundenzentrum stießen die Planer auf Hausfundamente und zwei Mikwen der Frankfurter Judengasse, dem früheren jüdischen Ghetto.[4] Da die Stadtregierung unter Oberbürgermeister Wolfram Brück (CDU) am Neubau der Stadtwerke festhielt, wurden sämtliche Mauerreste abgetragen. Dies führte im Sommer 1987 zu heftigem öffentlichem Protest. Es gab Demonstrationen gegen die Beseitigung der archäologischen Funde; die Baustelle wurde zeitweise von Demonstrierenden besetzt.[5][6][7] Der Börneplatz-Konflikt endete schließlich mit einem Kompromiss: Die Fundamente von fünf Häusern der früheren Judengasse, zwei Ritualbäder und weitere archäologische Überreste wurden am originalen Platz, jedoch tiefer gelegt wieder hergestellt und bilden bis heute den Mittelpunkt des 1992 eröffneten Museums Judengasse. Der Börneplatz-Konflikt bildete somit einen tiefen Einschnitt innerhalb der städtischen Gedenkpolitik.
Zeitlich parallel zu den Bauarbeiten wurde der Wettbewerb für die „Gedenkstätte Neuer Börneplatz“ ausgelobt. 249 Bewerber reichten ihre Arbeiten ein. Da die Jury zunächst keinen 1. Preis vergeben wollte, wurden die Ergebnisse nochmals öffentlich präsentiert und diskutiert. Am Ende wurden die Architekten Wandel Hoefer Hirsch Lorch als Sieger des Wettbewerb ausgewählt.
Beschreibung
Die Gedenkstätte besteht aus mehreren Elementen: Im Zentrum des Platzes an der Rechneigrabenstraße steht ein Steinkubus, der aus Fundamentresten des früheren Ghettos zusammengesetzt ist. Er ist umgeben von einem Platanenhain. Der Boden des Platzes ist mit grauen Schottersteinen bedeckt. Durch Metallschienen auf dem Boden ist der Grundriss der 1882 errichteten und 1938 während des November-Pogroms verwüsteten Börneplatz-Synagoge markiert. An der Rückwand des Stadtwerkegebäudes wurde eine Gedenktafel für die zerstörte Synagoge installiert, die bereits am 20. März 1946 von der US-Militärregierung in einem Gedenkakt feierlich enthüllt worden war, seinerzeit allerdings nicht am richtigen Ort montiert. Die Inschrift lautet:
- Hier stand die Börneplatz-Synagoge, welche von Nazi-Verbrechern am 9. November 1938 zerstört wurde.
- Here stood the Börneplatz-Synagogue which was destroyed by Nazi criminals on the 9th day of November 1938.
Der angrenzende Alte Jüdische Friedhof erhielt eine neue Pforte. Sie besteht aus zwei modern gestalteten Metalltoren, auf denen in hebräischen Lettern Beth Ha'Chaim („Haus des Lebens“) geschrieben steht.[8]
Ebenfalls zur Rechneigrabenstraße hin stehen fünf Straßenschilder, die auf die wechselnden Platzbenennungen seit Ende des 19. Jahrhunderts verweisen: Der Platz überschneidet sich teilweise mit dem ab dem 16. Jahrhundert bestehenden Judenmarkt. Anlässlich des 100. Geburtstags von Ludwig Börne wurde er in Börneplatz umbenannt. Wegen des jüdischen Namensträgers wurde er im Nationalsozialismus nach dem nahegelegenen Dominikanerkloster benannt in Dominikanerplatz. Auf Anregung des Frankfurter Historikers Paul Arnsberg erhielt der Platz 1978 wieder seinen alten Namen. Seit den 1990er Jahren heißt er Neuer Börneplatz.
Das Zentrum der Gedenkstätte bildet der Fries auf der Außenmauer des Alten Jüdischen Friedhofs, der an Frankfurter Juden erinnert, die während der NS-Zeit ermordet wurden oder verfolgungsbedingt zu Tode kamen. Bis zur Einweihung der Gedenkstätte konnten 11.134 Personen bestimmt werden, deren biografische Daten auf Metallblöcken nachzulesen sind. In ihrer Gestalt symbolisieren sie Grabstellen. Besucher der Gedenkstätte können hier nach jüdischem Trauerritus kleine Steine ablegen. Erweitert um Kurzbiografien und Fotos sind die Namen auch in der öffentlich zugänglichen „Datenbank Gedenkstätte Neuer Börneplatz“ zu finden, die das Jüdische Museum Frankfurt initiierte und im Museum Judengasse genutzt werden kann.[9] Die Recherchen für die Datenbank ermöglichten zudem nachträgliche Korrekturen an der Gedenkstätte. So konnte der Namenfries an der südlichen Friedhofswand im Jahr 2010 um 823 Namensblöcke erweitert werden.[10]
Siehe auch
Die Erinnerungsstätte an der Frankfurter Großmarkthalle erinnert an die Deportation von Tausenden als Juden verfolgten Frankfurter mit der Eisenbahn von 1941 bis 1945 vom Bahnhof Großmarkthalle. Dort steht auch eine Liste der Daten zu den einzelnen Gefangenentransporten „in den Osten“ — zur Ermordung.
Literatur
- Hans-Otto Schembs: Der Börneplatz in Frankfurt am Main. Ein Spiegelbild jüdischer Geschichte. Verlag Waldemar Kramer, Frankfurt am Main 1987, ISBN 3-7829-0344-7
- Stadt Frankfurt am Main/Amt für Wissenschaft und Kunst (Hrsg.), Gedenkstätte am Neuen Börneplatz für die von Nationalsozialisten vernichtete dritte jüdische Gemeinde in Frankfurt. Red. Klaus Kemp, Sigmaringen 1996
- Stadt Frankfurt am Main (Hrsg.), Gedenkstätte Neuer Börneplatz Frankfurt am Main. Jan Thorbecke Verlag, Stuttgart 2001, ISBN 3-7995-2323-5
- Drummer, Heike/Zwilling, Jutta: „Und keiner hat für uns Kaddisch gesagt …“ Deportationen aus Frankfurt am Main 1941 bis 1945 (Katalogteil). Jüdisches Museum Frankfurt am Main (Hg.), Frankfurt am Main 2005, S. 89–568.
- Kingreen, Monica (Hrsg.), „Nach der Kristallnacht“. Jüdisches Leben und antijüdische Politik in Frankfurt am Main 1938–1945, Frankfurt am Main/New York 1999.
- Kommission zur Erforschung der Geschichte der Frankfurter Juden (Hrsg.), Dokumente zur Geschichte der Frankfurter Juden 1933–1945, Frankfurt am Main 1963.
- Janine Burnicki: Steine der Erinnerung. Der Konflikt um den Frankfurter Börneplatz und die „Gedenkstätte am Neuen Börneplatz für die von Nationalsozialisten vernichtete dritte jüdische Gemeinde in Frankfurt am Main“. Magisterarbeit, Johann-Wolfgang-Goethe-Universität, Frankfurt am Main 2000
Einzelnachweise
- Mahnmal Neuer Börneplatz auf: kunst-im-oeffentlichen-raum-frankfurt.de
- Die Einrichtung der Gedenkstätte Neuer Börneplatz auf: fffmhist.de
- Satellitenfoto: Gedenkstätte Neuer Börneplatz auf: lilit.de
- Foto: Grundmauern des südöstlichen Endes der ehemaligen Frankfurter Judengasse im August 1987, roter Pfeil weist auf Steinernes Haus mit Mikwe auf: lilit.de
- Foto: Bauplatzbesetzung und Blockade der Baufahrzeuge, 28. August 1987 auf: lilit.de
- Foto: Protest an Bauzaun und Bauschild, 30. August 1987 auf: lilit.de
- Redende Steine, in: Der Spiegel, 7. September 1987 auf: spiegel.de
- Foto: Eingangspforte zum Alten Jüdischen Friedhof, Neuer Börneplatz auf: flickr.de
- Datenbank Gedenkstätte Neuer Börneplatz
- 961 kleine Namenstafeln, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 5. September 2006 auf: faz.net
Weblinks
- Webseite zur Gedenkstätte Neuer Börneplatz
- Datenbank Gedenkstätte Neuer Börneplatz
- Videointerview mit Architekt Nikolaus Hirsch zur Gestaltung der Gedenkstätte
- Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main, Gedenkstätte Neuer Börneplatz
- Gedenkorte für die Opfer der NS-Zeit in Frankfurt am Main
- Pädagogisches Zentrum Frankfurt
- Die Wunde von Frankfurt, in: Die Zeit, 25. September 1987