August Bender (Mediziner)
August Heinrich Bender (* 2. März 1909 in Kreuzau; † 29. Dezember 2005 in Düren) war ein deutscher Mediziner, SS-Sturmbannführer, Lagerarzt im KZ Buchenwald und Landarzt in Kelz in der Gemeinde Vettweiß.
Herkunft, Familie, Studium und Berufseinstieg
August Bender war der Sohn des Amtsrentmeisters Johann Michael Bender (* 1877) und dessen Ehefrau Maria Agnes geborene Kayser (* 1885) und wuchs in einem katholisch-konservativen Milieu auf. Nach dem Besuch der Volksschule wechselte er auf das Realgymnasium Düren, wo er im Frühjahr 1929 die Reifeprüfung ablegte. Danach absolvierte er ein Studium der Medizin an den Universitäten Bonn, Köln, Freiburg sowie Kiel, das er 1935 mit dem Staatsexamen beendete. Anschließend wurde er in Kiel zum Dr. med. promoviert.[1]
Seit 1939 war er mit Hildegard, geschiedene Röntz, geborene Köppelmann (1914–1985), verheiratet. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor.[1]
Tätigkeit als Truppen- und Lagerarzt
Bender war seit dem Beginn der Zeit des Nationalsozialismus ab dem 1. Mai 1933 Mitglied der NSDAP (Mitgliedsnummer 2.087.161) und ab dem 1. November 1933 der SS (SS-Nr. 194.671). Ab November 1938 gehörte er als hauptamtlicher Sanitätsoffizier der SS-Totenkopfstandarte „Thüringen“ zum medizinischen Personal, das für die SS-Wachmannschaften, deren Familien und die Häftlinge des KZ Buchenwald zuständig war; Bender war zunächst hauptsächlich für die ärztliche Betreuung der Wachmannschaften und deren Familien eingesetzt, fungierte aushilfsweise aber auch als Lagerarzt.[2] Mit dem Beginn des Zweiten Weltkrieges war Bender als Truppenarzt bei der SS-Division Totenkopf in der Aufklärungsabteilung, dem Wirtschaftsbataillon und der Panzerjägerabteilung eingesetzt.[3] Von August 1944 bis zum 11. April 1945 fungierte Bender erneut als zweiter Lagerarzt im KZ Buchenwald unter dem Standort- und ersten Lagerarzt Gerhard Schiedlausky. Zu Benders Hauptaufgaben gehörte die Selektion von arbeitsfähigen Häftlingen für Arbeits- und Außenkommandos und die damit verbundene Aussonderung Kranker und Schwacher zur „Vernichtung“.[4] Bender selektierte dabei auch Häftlinge für das Buchenwalder Nebenlager Ohrdruf, in dem Häftlinge unter katastrophalen Lebens- und Versorgungsbedingungen am geheimen Bauprojekt S III zur Zwangsarbeit in Stollen verpflichtet wurden.
„Ich hatte Anweisung fuer Ohrdruf (S III) nur voll arbeitsfaehige und kraeftige Haeftlinge auszuwaehlen. Ich habe mich an diese Anweisung strikt gehalten. Ich kann mich erinnern, dass ich mir eine grosse Anzahl Haeftlinge, es moegen 4 – 5000 gewesen sein, anschauen musste, um etwa 1 1/2 bis 2000 arbeitsfaehige Haeftlinge zu finden, die den Anspruechen genuegten. Die Aussuchung war dadurch beschleunigt, dass, wenn die Haeftlinge bei mir vorbeimarschierten, ich sofort sehen konnte, welcher Haeftling fuer das Kommando – schon seines unterernaehrten Aussehens wegen – nicht in Frage kam.“
Auch an der Selektion für Transporte von zum Teil minderjährigen Juden und Sinti und Roma in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau im Herbst 1944 war Bender maßgeblich beteiligt.[6]
Internierung, Kriegsverbrecherprozess und Haft
Nach Kriegsende wurde Bender, der sich in die sogenannte Alpenfestung abgesetzt hatte, bei Mittersill in Österreich verhaftet und über verschiedene Internierungslager in das Sonderlager Dachau gebracht. Zusammen mit Hans-Theodor Schmidt, Hans Merbach, Max Schobert, Albert Schwartz und Otto Barnewald, die ebenfalls zum Lagerpersonal des KZ Buchenwald gehörten, war er zuvor kurzzeitig auch in dem US-amerikanischen Kriegsgefangenenlager Bad Aibling interniert und wurde im US Army Group Interrogation Center Oberursel verhört.[7]
Im Rahmen der Dachauer Prozesse wurde Bender im Buchenwald-Hauptprozess mit 30 weiteren Beschuldigten angeklagt. Nach Zeugenaussagen ehemaliger Häftlinge soll Bender an Selektionen teilgenommen haben – einzelne Zeugen erhoben auch den Vorwurf, er habe Häftlinge misshandelt. Dem gegenüber sagten die Häftlingspfleger des Häftlingskrankenbaues, in dem Bender als Lagerarzt tätig war, aus, dass er nie Häftlinge misshandelt habe, sondern über einen guten Ruf in Buchenwald verfügte und zudem in der Behandlung der Häftlinge keine diskriminierenden Unterschiede gemacht habe. Am 14. August 1947 wurde Bender wegen Mithilfe und Teilnahme an den Gewaltverbrechen im KZ Buchenwald zu zehn Jahren Haft verurteilt, die später auf drei Jahre Haft reduziert wurden. Bender wurde im Juni 1948 aus dem Kriegsverbrechergefängnis Landsberg entlassen.[8]
Die Zeit nach der Haftentlassung
Nach seiner Entlassung gab Bender in Kreuzau, seinem Geburtsort, am 8. November 1948 eine eidesstattliche Erklärung ab, in der er von verschärften Vernehmungsmethoden und Misshandlungen von Mitte September bis Anfang Oktober 1945 durch US-amerikanische Offiziere in Oberursel berichtete.[9] Jens Westemeier nennt es das „Märchen von der auf 80 Grad erhitzten Zelle in Oberursel“.[10] Trotz ehemaliger SS-Mitgliedschaft wurde er als Mitläufer entnazifiziert.[1]
Bender ließ sich 1949 in Kelz in der Gemeinde Vettweiß als Hausarzt nieder und praktizierte dort bis zum Jahr 1988.[11] Er war von 1953 bis zur Auflösung der Kameradschaft Düren 1993 Mitglied in der Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der Angehörigen der ehemaligen Waffen-SS e.V. (HIAG).[12] Laut seinem Sohn habe er Mitte der 1960er Jahre von einem Bauern aus der Umgebung eine Menora erhalten, die während der Novemberpogrome 1938 aus der zerstörten Synagoge Vettweiß entwendet wurde. Diesen siebenarmigen Leuchter ließ er dann restaurieren und nutzte ihn als Dekoration auf seinem Treppenabsatz. Kurz vor seinem Tod übereignete Bender die Menora dem Landschaftsverband Rheinland.[13] Bender starb im Dezember 2005 in Düren.[14]
Literatur
- Nico Biermanns: August Bender, in: Internetportal Rheinische Geschichte (abgerufen am 26. November 2020).
- Nico Biermanns: Landarzt und SS-Sturmbannführer. Der Kreuzauer Arzt Dr. med August Bender. Eine kritische Biografie (= Kritische Beiträge zur Lokal- und Regionalgeschichte, Bd. 1). Bertram-Wieland-Archiv für die Geschichte der Arbeiterbewegung e.V., Düren 2019, ISBN 978-3-9818589-0-7.
- Ernst Klee: Auschwitz, die NS-Medizin und ihre Opfer. 3. Auflage. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1997, ISBN 3-596-14906-1.
- Buchenwald. Mahnung und Verpflichtung. Dokumente und Berichte. Herausgegeben im Auftrag der Fédération Internationale des Résistants, des Victimes et des Prisonniers du Fascisme (FIR) von dem Internationalen Buchenwald-Komitee und dem Komitee der Antifaschistischen Widerstandskämpfer in der DDR. Röderbergverlag, Frankfurt am Main 1960, S. 257 (621 Seiten, mit Bildteil und Lagerplan).
- Buchenwald-Hauptprozess: Deputy Judge Advocate’s Office 7708 War Crimes Group European Command APO 407 (United States of America v. Josias Prince zu Waldeck et al. – Case 000-50-9), November 1947 (Originaldokument in englischer Sprache, PDF-Datei).
Weblinks
- Biografie im Internetportal Rheinische Geschichte
- WDR Lokalzeit aus Aachen vom 3. November 2012, Bericht über August Bender: Arzt mit dunkler Vergangenheit
- Artikel in der Aachener Zeitung vom 20. September 2018
- Artikel in der Aachener Zeitung vom 28. Januar 2020
- Nachlass Bundesarchiv Koblenz N 1788
- Literatur von und über August Bender im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek; Kiel, Diss. med. 1936
Einzelnachweise
- Nico Biermanns: August Bender. Lagerarzt im KZ Buchenwald, Landarzt in Vettweiß-Kelz (1909–2005). In: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: http://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/august-bender/DE-2086/lido/5f92db8c073bc3.62053386 (abgerufen am 2. Mai 2021)
- Vgl. Nico Biermanns: Landarzt und SS-Sturmbannführer. Der Kreuzauer Arzt Dr. med. August Bender. Eine kritische Biografie (= Beiträge zur Lokal- und Regionalgeschichte, Bd. 1). Düren 2019, S. 17–27.
- Vgl. Biermanns 2019, S. 33–37.
- Vgl. Biermanns 2019, S. 46–50.
- Eidesstattliche Erklärung August Bender vom 27. Februar 1947, Archiv Institut für Zeitgeschichte, MA 1569/6.
- Vgl. Biermanns 2019, S. 50–52.
- Vgl. Biermanns 2019, S. 72–74.
- Vgl. Biermanns 2019, S. 54–58 u. 76–86.
- Vgl. Biermanns 2019, S. 88–90.
- Jens Westemeier: Himmlers Krieger. Joachim Peiper und die Waffen-SS in Krieg und Nachkriegszeit (= Krieg in der Geschichte, Bd. 71), Paderborn u. a. 2014, S. 445.
- Vgl. Aachener Zeitung vom 25. August 2012.
- Vgl. Biermanns 2019, S. 95–98 u. Bundesarchiv Koblenz N 1788/2, Nachlass August Bender.
- Vgl. Einzigartiges Relikt aus Synagoge, in: Aachener Zeitung vom 4. Februar 2013.
- Vgl. Biermanns 2019, S. 106 u. Fotoarchiv Buchenwald Sig. 026-00.003.