Atlantischer Dreieckshandel
Der Begriff atlantischer Dreieckshandel bezeichnet ein früher verbreitetes Erklärungsmodell für den über den Atlantischen Ozean betriebenen Warenhandel zwischen Europa, Afrika und Amerika in der Frühen Neuzeit, der zugleich eine Spezialform des allgemeinen Sklavenhandels war.
Ablauf
Der Sklavenhandel setzte am Ende des 17. Jahrhunderts ein, Anfang des 19. Jahrhunderts fand dieser sein Ende.[Anm. 1] Idealtypisch geht das Modell von drei Stationen des Handels aus, die eine geschlossene Kette bildeten:
Von einem Heimathafen in Europa fuhren (im Oktober) die mit Feuerwaffen, Stahl- und Bronzebarren, grobem Tuch, Glasperlen und Manufakturwaren beladenen Segelschiffe an die westafrikanische Küste (Küstenabschnitt zwischen dem heutigen Liberia und Kamerun) bis weiter nach Angola[1], wo die Güter gegen Sklaven eingetauscht wurden. Die Sklaven wurden auf Sklavenmärkten von lokalen Händlern gekauft. Danach (ab etwa Anfang Dezember) steuerten die Schiffe Brasilien[1] und die Karibik an, wo die Sklaven verkauft wurden und vom Erlös landwirtschaftliche Erzeugnisse wie grober Rohrzucker, Rum und Melasse sowie Baumwolle erworben wurden. Ab April segelten die Schiffe überwiegend mit Zuckerprodukten beladen in ihre Heimathäfen zurück, um die Fracht auf dem europäischen Markt gewinnbringend zu verkaufen. Die Schiffe kamen im europäischen Frühsommer zu Hause an.
Dies stellt aber nur das idealtypische Model dar. Viel öfter fuhren die Schiffe direkt die Route zwischen Europa und Amerika. Weil der Sklavenhandel sehr einträglich war, pendelten ebenfalls Segelschiffe, die nur zum Transport von Sklaven gebaut worden waren, auf direktem Kurs zwischen Afrika und Südamerika.
In zeitlicher Anpassung an die sich jahreszeitlich verlagernden Passatzonen wurden bei einem Dreieckshandel die Trade Winds, die Meeresströmungen und die sich ebenfalls verlagernde Westwindzone genutzt.
Fahrten im Dreieckshandel dauerten (je nach Gebieten) insgesamt bis zu über 500 Tage. Als Beispiel für die unterschiedliche Reisedauer der Sklavenschiffe kann auf die Leusden, ein Schiff der Niederländischen Westindien-Kompanie hingewiesen werden.
Geschichte
Das System des Dreieckshandels entstand mit der Entdeckung Amerikas und nahm im 17. Jahrhundert an Bedeutung zu. Am Handel waren fast alle europäischen Küstenländer beteiligt, portugiesische, französische, niederländische und englische Handelskompanien, vor allem aber die englische Royal African Company, die den verschiedenen Kolonien Sklaven verkaufte. Die Ende des 17. Jahrhunderts aktive deutsche Brandenburgisch-Afrikanische Compagnie war zu 0,15 bis 0,2 Prozent am rund vierhundertjährigen Dreieckshandel mit Sklaven beteiligt.[2]
Dänemark im transatlantischen Dreieckshandel
Ab Mitte des 17. Jahrhunderts beteiligte sich auch Dänemark am transatlantischen Dreieckshandel. Zunächst war der Handel durch Privilegien nur Kopenhagener Kaufleuten vorbehalten. 1671 fand die erste dänische Niederlassung in der Karibik auf der Insel St. Thomas statt. 1726 und 1733 folgten St. John und St. Croix. Ab 1755 wurde der dänische König Landherr über die Kolonien, wodurch der Handel an Fahrt aufnahm, anderen Städten auch den Handel mit Dänisch-Westindien erlaubte und die "florissante Zeit" Dänemarks begann, welche bis 1783 dem Ende des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges dauerte.[3] Diese liegt in der Neutralität Dänemarks in den kriegerischen Handlungen der Zeit begründet. Ab 1803 war der Sklavenhandel allen Dänen verboten. Im Zuge der Auseinandersetzungen zwischen England und Frankreich endete die starke Phase der transatlantischen Handelsbeziehungen Dänemarks.
Kritik
Der Begriff des „Dreieckshandels“ wird heute als unangemessen und nicht neutral kritisiert. Laut der Journalistin Nadja Ofuatey-Alazard reihe die Bezeichnung versklavte Personen in eine Verwertungkette mit Waren ein und kommodifiziere sie sprachlich. Auch würden die prozessualen Ausmaße von Versklavung und deren rassistische Grundlage durch diese Bezeichnung verschleiert.[4] Von Wissenschaftlern wird zudem konstatiert, dass tatsächlich nur ein geringer Teil der europäischen Afrikafahrten im Rahmen des Dreieckshandels ablief. Zwischen 1671 und 1807 segelten 95 Prozent der etwas über 3.000 Schiffe, die von Dänemark, Norwegen und Schleswig-Holstein nach Westindien gingen, auf direktem Wege in die Karibik und zurück. Von den insgesamt nur 229 bis zum Jahr 1754 unternommenen Fahrten waren noch 87 auf der Dreiecksroute verlaufen.[5] Der Atlantikhandel sei also durchaus nicht immer in Form eines Dreiecks verlaufen: Europäische Schiffe hätten zum Beispiel Sklaven an der Sklavenküste gekauft, um sie an der Goldküste an afrikanische Machthaber zu verkaufen und beladen mit Gold nach Europa zurückzukehren. Auch habe es direkte Handelsbeziehungen zwischen Amerika und Afrika gegeben. Zudem klammere die Bezeichnung den Sklavenhandel innerhalb Afrikas aus und eskamotiere den Vorgang der Versklavung selbst, der ebenfalls von Afrikanern vorgenommen wurde: Diese erscheinen im Narrativ vom Dreieckshandel nur als passive Opfer, nicht aber auch als Täter. Auch werde der Eindruck erweckt, als ob einzelne europäische Schiffe das gesamte Dreieck abgefahren wären, was angesichts der unterschiedlichen Bauweise von Sklaven- und normalen Handelsschiffen sehr unwahrscheinlich ist. Daher schlagen der Erziehungswissenschaftler Roland Bernhard und die Historikerin Jutta Wimmler vor, „auf den Terminus Dreieckshandel konsequent zu verzichten“.[6]
Literatur
- Christian Degn: Die Schimmelmanns im atlantischen Dreieckshandel. Gewinn und Gewissen. 3., unveränderte Auflage, Wachholtz, Neumünster 2000, ISBN 3-529-06148-4.
- Armin Fischer: Die Sklaventransporter. Das Dreiecksgeschäft zwischen Europa, Afrika und Amerika mit Zucker und Sklaven. In: Mare. Die Zeitschrift der Meere 1 (1997), ISSN 1432-928X, S. 84–88.
Französischsprachig
- Raymond-Marin Lemesle: Le commerce colonial triangulaire. (XVIIIe – XIXe siècles). Presses universitaires de France, Paris 1998, ISBN 2-13-049340-8 (Que sais-je ? 3393).
- Olivier Pétré-Grenouilleau: La traite des noirs. 2. édition corrige. Presses universitaires de France, Paris 1998, ISBN 2-13-048415-8 (Que sais-je ? 3248).
- Jean Meyer: Esclaves et Négriers. Gallimard-Découvertes, Paris 1998, ISBN 2-07-053018-3 (Découvertes Gallimard. Histoire 11).
Englischsprachig
- Hugh Thomas: The slave trade. The history of the Atlantic slave trade. 1440–1870. Phoenix Books, London 2006, ISBN 0-7538-2056-0.
Anmerkungen
- 1807 beendete England durch ein Verbot den Sklavenhandel. Sklaverei in England war seit dem Somerset-Urteil 1772 illegal, in den Kolonien und nach deren Unabhängigkeit in verschiedenen Staaten Amerikas wurde sie aber offiziell praktiziert, bis sie zuletzt Brasilien 1888 mit der Lei Áurea dies auch verbot.
Weblinks
Einzelnachweise
- Karte 1, Überblick über den Sklavenhandel aus Afrika, 1500-1900 bei www.slavevoyages.org
- Siehe Andrea Weindl: Die Kurbrandenburger im „atlantischen System“ (1650-1720). In: Arbeitspapiere zur Lateinamerikaforschung, II. Iberische und Lateinamerikanische Geschichte, II-03 PDF, S. 67.
- Christian Degn: Die Schimmelmanns im atlantischen Dreieckshandel. 3. Auflage. Neumünster 2000.
- Nadja Ofuatey-Alazard: Die europäische Versklavung afrikanischer Menschen. In: dieselbe und Susan Arndt (Hrsg.): Wie Rassismus aus Wörtern spricht. (K)Erben des Kolonialismus im Wissensarchiv deutscher Sprache. Ein kritisches Nachschlagewerk. Unrast Verlag, Münster 2015, S. 112.
- Dieter Lohmeier: Sklaven – Zucker – Rum. Dänemark und Schleswig-Holstein im Atlantischen Dreieckshandel. Ausstellung der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek vom 20. Februar bis 10. April 1994 (= Schriften der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek. Band 18). Heide/Holstein 1994.
- Roland Bernhard und Jutta Wimmler: „Dreieckshandel“, Glasperlen und Gender. Mythische Narrative zum transatlantischen Sklavenhandel in aktuellen deutschen und österreichischen Schulbüchern. In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 70, Heft 3/4 (2019), S. 149–164, das Zitat S. 163.