Arten-Areal-Beziehung
Die Arten-Areal-Beziehung, auch Artenzahl-Areal-Beziehung oder Arten-Flächen-Beziehung, ist in der Biologie der mathematische Zusammenhang zwischen der Größe von Arealen und der Zahl darauf lebender Arten. Meist nimmt die Artenzahl mit kleiner werdender Fläche ab (Arealeffekt).[1][2] Die grafische Darstellung der Artenzahl in Abhängigkeit von der Flächengröße bezeichnet man als Art-Areal-Kurve oder Artenarealkurve.
Typisch ist eine zunächst steil ansteigende Art-Areal-Kurve, die dann zunehmend flacher wird. Geeignet logarithmierte Darstellungen von Art-Areal-Kurven sind oft näherungsweise eine Gerade – der Zusammenhang zwischen den beiden Größen lässt sich also durch eine Potenzfunktion beschreiben.[3] In Gleichungsform, mit Artenzahl S, Flächeninhalt A und Konstanten c und z < 1, meist:[4]
Meist werden Arten-Areal-Beziehungen für eine Organismengruppe untersucht. Die Betrachtung der Beziehung über verschiedene, voneinander isolierte inselartige Areale hinweg (ozeanische Inseln, Sky Islands, fragmentierte Waldinseln, Lichtungen, Flächen mit andersartigen Bodentypen) ist Gegenstand der Inselbiogeographie. Einen zweiten Typ von Arten-Areal-Zusammenhängen stellt die Artenzahl in Abhängigkeit von der zunehmende Größe einer zusammenhängenden Stichprobenfläche dar. Man spricht in diesem Fall auch von Festland-Arten-Areal-Beziehung.[4]
Der Zusammenhang zwischen Inselgröße und Artenreichtum findet sich schon bei Reinhold Forster und Georg Forster in ihrem Bericht von der zweiten Südsee-Reise (1772–1775) mit James Cook formuliert:
„Islands produce only a greater or less number of species, as their circumference is more or less extensive.“
„Inseln bringen eine größere oder kleinere Artenzahl allein nach ihrer größeren oder kleineren Ausdehnung hervor.“
Im 19. Jahrhundert wurde die Erforschung der Zusammenhänge zwischen Artenzahl und Flächengröße ein wichtiges Forschungsfeld der Pflanzenökologie.[6] Augustin-Pyrame de Candolle bestätigte 1820 die Beobachtung der Forsters, sah daneben auch Einflüsse durch Isoliertheit, Alter, Klima und Vulkanismus von Inseln. Hewett Watson stellte 1859 fest, dass kleine Stichprobenareale bereits nahezu die Hälfte aller Arten Britanniens enthielten. Ihm wird auch die erste Art-Areal-Kurve zugeschrieben. In den 1920er Jahren formulierten Olof Arrhenius[7], Sohn des bekannten schwedischen Physikers Svante Arrhenius, und Henry Allan Gleason[8] mathematische Modelle.[9] Einflussreiche Arbeiten von F. W. Preston[10] sowie von Robert H. MacArthur und Edward O. Wilson[11] in den 1960er Jahren dehnten die Untersuchung auf das Faunenreich aus.[6] MacArthur und Wilson erklärten die Artenzahl von Inseln als Gleichgewicht aus Aussterben und Zuwanderung, wobei im Gleichgewicht größere Inseln eine größere Artenzahl beherbergen würden.
Es wird eine Vielzahl von Erklärungen für die genaue Form von Arten-Flächen-Zusammenhängen angeführt, darunter die – oft mit der Flächengröße korrelierende – Zahl der Habitattypen (Habitatdiversität), die Abgelegenheit inselartiger Habitate, Eigenschaften der betrachteten Organismengruppe, etwa deren Migrationsvermögen, oder die Art der Stichprobentnahme.[12][6]
Arten-Areal-Beziehungen sind Untersuchungsgegenstand der Makroökologie und Biogeographie. Sie dienen der Identifikation, Erklärung und dem Vergleich von Mustern, der Extrapolation von Artenzahlen und Schätzungen über Artenverluste. In der Naturschutzbiologie werden sie in Fragen des Artenschutzes herangezogen, in der Paläontologie bei der Erklärung vergangener Aussterbeereignisse.[4][13]
Weblinks
- Species-Area Relationships. Oxford Bibliographies.
Einzelnachweise
- Arten-Areal-Beziehung. In: Spektrum Lexikon der Biologie. Spektrum Akademischer Verlag, abgerufen am 18. November 2017.
- Matthias Schaefer: Arealeffekt. In: Wörterbuch der Ökologie. Springer, 2012, ISBN 978-3-8274-2562-1.
- Art-Areal-Kurve. In: Spektrum Lexikon der Geographie. Spektrum Akademischer Verlag, abgerufen am 18. November 2017.
- Even Tjørve und Kathleen MC Tjørve: Species–Area Relationship. In: Encyclopedia of Life Sciences (eLS). 2017, doi:10.1002/9780470015902.a0026330.
- Johann Reinhold Forster: Observations made during a voyage round the world. 1778, 5. Organic Bodies – 1. Number of Species, S. 169 (biodiversitylibrary.org).
- Samantha M. Tessel, Kyle A. Palmquist und Robert K. Peet: Species-Area Relationships. In: Oxford Bibliographies. 28. April 2016, doi:10.1093/obo/9780199830060-0147.
- Olof Arrhenius: Species and Area. In: Journal of Ecology. Band 9, Nr. 1, September 1921, doi:10.2307/2255763 (britishecologicalsociety.org [PDF; 421 kB]).
- Henry Allan Gleason: On the Relation Between Species and Area. In: Ecology. Band 3, Nr. 2, April 1922, doi:10.2307/1929150.
- Mark V. Lomolino: The species-area relationship: new challenges for an old pattern. In: Progress in Physical Geography. Band 25, Nr. 1, März 2001, S. 1–5, doi:10.1177/030913330102500101.
- F. W. Preston: The Canonical Distribution of Commonness and Rarity: Part I. In: Ecology. Band 43, Nr. 2, April 1962, doi:10.2307/1931976 (ubc.ca [PDF; 3,1 MB]).
- Robert H. MacArthur und Edward O. Wilson: An Equilibrium Theory of Insular Zoogeography. In: Evolution. Dezember 1963, doi:10.1111/j.1558-5646.1963.tb03295.x. Weiterentwickelt in: Robert H. MacArthur und Edward O. Wilson: The Theory of Island Biogeography. 1967.
- Michael Begon, Colin R. Townsend und John L. Harper: Ökologie – Individuen, Populationen und Lebensgemeinschaften. Birkhäuser – Springer, 2013, ISBN 978-3-0348-6156-4, Kapitel „Inseln, Areale und Besiedlung“.
- Norman MacLeod: Arten Sterben – Wendepunkte der Evolution. Theiss Verlag – Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt, 2016, ISBN 978-3-8062-3284-4.