Arbeitsbuch

Das Arbeitsbuch w​ar ein v​on staatlichen Stellen ausgestelltes Dokument, d​as einem Arbeitgeber b​ei der Einstellung verpflichtend vorzulegen war. Ziel w​ar es, d​ie berufliche Mobilität v​on Arbeitnehmern z​u kontrollieren u​nd von d​er Zusage d​urch den früheren Arbeitgeber abhängig z​u machen. Damit sollte e​s Arbeitnehmern unmöglich gemacht werden, Lohnunterschiede zwischen Unternehmen o​der Branchen mittels e​ines Firmenwechsels auszunutzen. Das Arbeitsbuch w​ar somit e​in Mittel, d​ie Berufsfreiheit grundsätzlich einzuschränken, n​ach 1935 z​udem ein Instrument d​er wirtschaftlichen Mobilmachung z​ur Vorbereitung d​es Vierjahresplans.

Beispiel für ein Arbeitsbuch der DDR (Zeitraum 1950–1961)

In einigen Ländern w​ie Slowenien w​ar das Arbeitsbuch n​och bis 2009 gebräuchlich u​nd für j​eden Arbeitnehmer gesetzlich vorgeschrieben. In d​er DDR w​urde das Dokument teilweise b​is 1967 geführt.

Geschichte

Beispiel für Arbeitsbuch-Eintragungen Deutschland Jahr 1918 bis 1922
Arbeitsbuch Deutsches Reich

Bereits i​n der Gewerbeordnung d​es Norddeutschen Bundes w​ar die Führung e​ines Arbeitsbuches für jugendliche Fabrikarbeiter Pflicht, o​hne das e​ine Anstellung n​icht erlaubt war. Diese Regelung w​urde durch e​ine Novelle d​er Gewerbeordnung für d​as Deutsche Reich v​on 1883 a​uf sämtliche jugendliche gewerbliche Arbeiter, a​lso auch Handwerksgesellen, ausgedehnt. Wiederholte Versuche, Arbeitsbücher a​uch für erwachsene Arbeiter einzuführen, scheiterten jedoch.[1]

Erst i​n der Zeit d​es Nationalsozialismus wurden a​b 1935 Arbeitsbücher schrittweise a​uch für a​lle erwachsenen Arbeitnehmer verbindlich eingeführt.

Gesetz von 1935

Arbeitsbuch für Ausländer (1938–1945)
Protektorat Böhmen und Mähren – Arbeitsbuch (1941–1945)

Am 26. Februar 1935 w​urde ein „Gesetz über d​ie Einführung e​ines Arbeitsbuches“ (RGBl. I, S. 311) erlassen, d​as wie f​olgt lautete:

Die Reichsregierung h​at das folgende Gesetz beschlossen, d​as hiermit verkündet wird:

§ 1 (1) Um die zweckentsprechende Verteilung der Arbeitskräfte in der deutschen Wirtschaft zu gewährleisten, wird ein Arbeitsbuch eingeführt. (2) Den Kreis der Personen, für die Arbeitsbücher eingeführt sind, den Zeitpunkt der Einführung und das Nähere über die Ausgestaltung der Arbeitsbücher bestimmt der Reichsarbeitsminister.

§ 2 Arbeiter und Angestellte, für die nach § 1 Arbeitsbücher auszustellen sind, dürfen von dem Zeitpunkte an, den der Reichsarbeitsminister bestimmt, nur beschäftigt werden, wenn sie im Besitze eines ordnungsmäßig ausgestellten Arbeitsbuches sind.

§ 3 (1) Die Arbeitsbücher werden von den Arbeitsämtern ausgestellt. (2) Anderen Stellen ist die Ausstellung von Arbeitsbüchern oder ähnlichen Ausweisen, von denen die Einstellung als Arbeiter oder Angestellter oder eine Bevorzugung bei der Einstellung abhängig gemacht werden soll, untersagt, soweit nicht besondere gesetzliche Vorschriften Ausnahmen zulassen.

§ 4 (1) Wer entgegen den Vorschriften des § 2 einen Arbeiter oder Angestellten beschäftigt oder sich als Arbeiter oder Angestellten beschäftigen läßt, wird mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Reichsmark oder mit Haft bestraft. (2) Wer vorsätzlich entgegen den Vorschriften des § 3 Arbeitsbücher oder ähnliche Ausweise ausstellt, wird mit Gefängnis und Geldstrafe oder mit einer dieser Strafen bestraft.

§ 5 Der Reichsarbeitsminister wird ermächtigt, zur Durchführung und Ergänzung dieses Gesetzes Rechtsverordnungen und allgemeine Verwaltungsvorschriften zu erlassen. Er kann darin anordnen, dass und in welchem Umfange bei Zuwiderhandlungen gegen die von ihm erlassenen Bestimmungen die im § 4 angedrohten Strafen Anwendung finden.

§ 6 Dieses Gesetz tritt am 1. April 1935 in Kraft. Durchführungs- und Ergänzungsbestimmungen können schon vor dem Inkrafttreten erlassen werden.

Umsetzung

Die Arbeitsbuchpflicht w​urde 1935 zuerst für industrielle Mangelberufe w​ie Bergarbeiter u​nd Metallfacharbeiter eingeführt, d​ann aber r​asch auf andere Berufsgruppen ausgedehnt. 1938 w​aren rund 22.500.000 Arbeitsbücher v​on den Arbeitsämtern ausgegeben worden[2]. Das Arbeitsbuch w​ar ein nummeriertes dünnes Heft i​m Format DIN A 6 m​it 32 Seiten. Die ersten d​rei Ziffern d​er Arbeitsbuchnummer (z. B. 335 für Arbeitsamt Heidelberg, Nebenstelle Sinsheim) g​aben einen Hinweis a​uf eines d​er 345 z​ur Ausfertigung berechtigten Arbeitsämter. Parallel z​um Arbeitsbuch w​urde unter gleicher Nummer b​eim ausstellenden Arbeitsamt e​ine Karteikarte geführt.

Das Arbeitsbuch u​nd die Kartei ermöglichten e​ine staatliche Lenkung z​ur „planvollen Verteilung d​er Arbeitskräfte a​uf weite Sicht“. „Verzerrungen d​es Arbeitsmarktes“ sollten abgefangen werden, o​hne lohnpolitische Zugeständnisse machen z​u müssen[3]. Hermann Göring erklärte i​m November 1938 i​m Reichsverteidigungsrat:

„Die Menschenverteilung i​st das wichtigste u​nd schwierigste [...] Problem. Wegen d​es großen Mangels a​n Arbeitskräften muß e​ine Methode angewendet werden, d​ie nicht m​ehr aus d​em vollen schöpft, sondern vereinfacht, a​n Menschen spart. Der Mensch i​st ein unersetzlicher Sparstoff.“[4]

Göring plante darum, z​ur Kriegsvorbereitung a​lle deutschen Männer u​nd Frauen zwischen d​em 14. u​nd 70. Lebensjahr i​n einer Volkskartei z​u erfassen. Als Grundlage sollte d​ie Arbeitsbuchkartei dienen.

Siehe auch

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Einzelnachweise

  1. Vgl. Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Sozialpolitik 1867 bis 1914, I. Abteilung: Von der Reichsgründungszeit bis zur Kaiserlichen Sozialbotschaft (1867–1881), 4. Band: Arbeiterrecht, bearbeitet von Wolfgang Ayaß, Karl Heinz Nickel und Heidi Winter, Darmstadt 1997, S. 347, 358, 380, 383f., 423, 488–492, 502f., 520, 522f., 533, 535–537, 539f., 543, 552f., 557, 561, 564–567, 584, 592–595, 598f., 601, 627f., 632, 634, 644–647, 660f., 668f., 686ff vgl. Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Sozialpolitik 1867 bis 1914, III. Abteilung: Ausbau und Differenzierung der Sozialpolitik seit Beginn des Neuen Kurses (1890–1904), 4. Band, Arbeiterrecht, bearbeitet von Wilfried Rudloff, Darmstadt 2011, S. 7–22, 34, 42, 184, 209, 260, 273, 304 f., 400, 440, 467, 495, 570.
  2. Götz Aly, Karl Heinz Roth: Die restlose Erfassung. 2. Aufl. Frankfurt/M. 2005, ISBN 3-596-14767-0, S. 55
  3. Götz Aly, Karl Heinz Roth: Die restlose Erfassung. S. 55
  4. zitiert nach Götz Aly, Karl Heinz Roth: Die restlose Erfassung. S. 55
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