Anton Gogeisl

Anton Gogeisl (chinesisch 鮑友管 / 鲍友管, Pinyin Bào Yǒuguǎn; * 30. Oktober 1701 i​n Siegenburg; † 12. Oktober 1771 i​n Peking) w​ar ein deutscher Jesuit u​nd Missionar.

Alt St. Nikolaus von Siegenburg – Taufkirche von Anton Gogeisl

Leben und schulische Ausbildung

Hl. Franz Xaver Vorbild aller Ostasien-Jesuiten-Missionare. Gefasstes Holzrelief von 1895 in der Pfarrkirche St. Nikolaus in Siegenburg

Sein Vater Johann Wolfgang Gogeisl w​ar Soldat u​nd stand i​n Diensten d​es Kurfürsten Max II. Emanuel v​on Bayern. 1698 i​m Dienstgrad e​ines Wachtmeisters, d​ann ab 1701 e​ines Leutnants, a​b 1703 schließlich a​ls Hauptmann. Die Vorfahren v​on Johann Wolfgang Gogeisl stammen a​us dem Markt Neukirchen b​eim Heiligen Blut i​m heutigen Landkreis Cham.[1] Während e​r noch i​m Markt Siegenburg stationiert war, k​am sein Sohn Anton m​it dem Taufnamen Wolfgangus Franciscus Antonius a​m 30. Oktober 1701 z​ur Welt. Seine Mutter hieß Apolonia. Die Taufe f​and in d​er Filialkirche St. Nikolaus z​u Siegenburg statt. Das gesamte Gebiet d​es Marktes Siegenburg h​atte kirchlich damals d​en Status e​ines Benfiziums u​nd war a​ls Filiale b​is 1869 d​er Pfarrei St.Ulrich v​on Niederumelsdorf zugehörig. Johann Wolfgang, d​er Vater, zwischenzeitlich z​um Hauptmann befördert, geriet während d​es Spanischen Erbfolgekrieges i​m Jahr 1703 i​n österreichische Gefangenschaft.[2] Die Begabungen v​on Anton Gogeisl s​ind dem örtlichen Seelsorger Andreas Stängl (1691 – 1710 odiniert i​n Siegenburg) i​n der a​m Ort existierenden Lateinschule aufgefallen.[2] Mit Hilfe e​ines ungenannt gebliebenen Mäzens[2] konnte e​r ab Anfang d​er zweiten Dekade d​es 18. Jahrhunderts d​as Jesuitengymnasium i​n München (gen. d​as "Wilhelminum"), h​eute Wilhelmsgymnasium München besuchen.[3] Er verließ e​s am 24. August 1719, n​och nicht 18 Jahre alt.

Ordenseintritt, Studium und Priesterweihe

Am 14. September 1720 trat er in den Jesuitenorden ein. Das Noviziat der Oberdeutschen Provinz der Socitas Jesu war in Landsberg am Lech.[4] In dieser Zeit absolvierte er seine Pilgerreise. Am Ende des Noviziates legte er seine ersten zeitlichen Gelübde ab. Schon 1722 studierte er in Ingolstadt am Kolleg und an der dortigen Universität Mathematik und Philosophie.[4] In den beiden Jahren 1723 und 1724 errang er den 1. Preis im Fach Mathematik bei den in Ingolstadt abgehaltenen Gelehrten-Disputationen.[5] Nach Abschluss des sich anschließenden Theologiestudiums erhielt er im Dom zu Eichstätt am 8. März 1732 die Subdiakon-Weihe, am 29. März des gleichen Jahres die Diakon-Weihe und am 7. Juni 1732 die Priesterweihe.[6] Danach war er ordensintern bei einer der damals beliebten Volksmissionen in Salzburg eingesetzt.[7] 1736 erhielt Anton Gogeisl den Aussendungsauftrag vom Generaloberen in Rom, Franz Retz, als Missionar nach China.[2] Er wurde im Provinzhaus in München ausgestattet. Mit ihm verließen spätestens am 16. September München: P. Andreas Strobl SJ, P. Aloysius Pellecius SJ, P. Carolus Gabelsberger SJ, P. Antonius Häckl SJ, P. Florianus Bahr SJ und weitere.[8] Nur P. Florianus Bahr SJ ging mit ihm nach China, die anderen waren bestimmt für Südamerika, Indien und Japan.[8]

Reise in die Mission nach China

Die Reise für Anton Gogeisl SJ und alle für China bestimmten Missionare dauerte 999 Tage. Die zum Teil mehrere Wochen und Monate dauernden Zwischen-Aufenthalte waren bedingt durch Be- und Entladen der Schiffe, Wartezeiten wegen ausgebrochener Krankheiten, die ungünstigen Windsituationen und dergleichen mehr. Die Jesuiten-Missionare für Ostasien mussten immer mit portugiesischen Schiffen reisen, mit Ausgangshafen Lissabon.[9] Dies lag daran, dass Portugal (der port. König) das Patronat innehatte und die Ostindien-Compagnie unterhielt. Die Taxen hierfür wechselten ständig, mussten immer wieder verhandelt werden und galten als enorm hoch. Die weiter oben genannten Patres, die von München abgingen gehörten zur sog. 156. Aussendung in die Missionen nach den "beiden Indien", wie damals der Kontinent Amerika als auch Ostasien genannt wurden.[10] Die gesamte Reise musste, soweit es ging, dazu genutzt werden, die chinesische Sprache zu erlernen, bzw. zu vervollkommnen und sich auch die Gepflogenheiten und Sitten bei Hofe Schritt für Schritt anzueignen, aber auch Schiffspassagiere seelsorgerisch und medizinisch zu betreuen. Die Ankunft zusammen mit P. Florian Bahr S.J. und dem ab Goa neu hinzustoßenden P. Augustinus Hallerstein S.J., wird auf den 13. Juni 1739 datiert.[2] Da dafür weitere 4 Belege anzuführen sind, ist der aus der Literatur bisher überlieferte Ankunftstag mit dem 1. März 1739 zu korrigieren. Wie nachzuweisen ist, hat die Reisegesellschaft um P. Antonius, ausgehend von Macao erst am 1. März mit der Ankunft in Canton chinesischen Boden betreten. Macao gehörte zu diesem Zeitpunkt nicht zum chinesischen Hoheitsgebiet, vermutlich liegt ein Übersetzungsproblem[4] in einer Quelle vor.[11]

Missionar und Astronom in Kaiserdiensten

Bereits i​m Herbst 1739 erhielt e​r eine Anstellung a​ls "Amtsgehilfe" v​on P. Ignaz Kögler.[12] Er beteiligte s​ich schon a​b der Zeit a​uch als Koautor a​n dem großen astronomischen Werk Li Xiang Kao Scheng (35 Bände), n​ach Vollendung Yu Zhi Li Xiang Kao Scheng Hou Bian, w​as soviel bedeutet wie: Neue Ausgabe d​es Werkes Li Xiang Kao Scheng m​it kaiserlichem Vorwort. Eine Art astronomisches Lehrbuch d​er Vermessung Himmelskoordinaten, a​ls auch für Anweisungen z​ur Benutzung v​on astronomischen Geräten dazu.

Unterschrift von Anton Gogeisl auf dem ersten Brief aus Peking 1740

Antonius Gogeisl stieg bereits ab 1743 in die Ebene des Präsidiums des Kalenderamtes auf, zuerst als sogenannter "rechter Beisitzer", nachgerückt für P. Augustinus Hallerstein, der den "linken Beisitzer"-Posten von P. Andreas Pereyra einnahm nach dessen Tod im selben Jahr.[2] Kaiser Qianlong erhob P. Antonius Gogeisl ab dem Jahr 1746 in den Rang eines Mandarins und jetzt linken Beisitzer, da P. Augustinus auf die Präsidentenstelle vorrückte. Gogeisl war nun stellvertretender Vorsteher des Astronomischen Amtes (auch genannt das Kalenderamt), einer Unterbehörde des Ministeriums der Riten. Von Amts wegen war er nun auch "Chefastronom der Kaiserlichen Sternwarte".[13] Mit die wichtigste Aufgabe des Kalenderamtes war, den Jahreskalender fehlerfrei zu halten, ihn sozusagen stets zu synchronisieren mit den tatsächlichen Gegebenheiten am Tag- und Nachthimmel. Da Aussaat und Ernte die wichtigsten Eckdaten im chinesischen Kalender waren, durften hier keine Fehler passieren, da falsche Termine Missernten zur Folge haben konnten und das chinesische Volk hungern müsste. Der Vater von Kaiser Qianlong, Kaiser Chongzhen äußerte öffentlich: "...Wenn es kein Getreide gäbe, könnten die Menschen in unserem Land nicht leben und die Gesellschaft Chinas würde nicht mehr existieren"[12]. Gogeisls missionarische Aktivitäten konnten nur des Nachts erfolgen und hier nur in sogenannten Häusern der damals schon existierenden Untergrundkirche. Nachdem Papst Benedikt XIV. 1742/44 den Ritenstreit durch das Verbot der Akkommodation beendet hatte, wuchs der Druck des Kaiserhauses auf die Missionare, stark beeinflusst durch buddhistische Bonzen und hohe konfuzianische Würdenträger. Anders als der bereits 1746 verschiedene Kögler, bekam Gogeisl die Auswirkungen in vollem Umfang mit[9]. In seinen beiden sehr langen Briefen zum Einen an den Generaloberen in Rom und zum Anderen an P. Heinrich Hiss nach Ingolstadt, berichtete er seitenweise von Morden an Missionaren im Landesinneren, Nachstellungen, Bespitzelungen, Vergewaltigungen und zum Sterben vor den Stadttoren abgelegte Kinder, die von ihren Eltern nicht ernährt werden konnten. Persönlich blieb er unbehelligt, weil er als hoher ministerieller Beamter unter dem persönlichen Schutz von Kaiser Qianlong stand, also Diplomaten ähnlichen Status besaß. Trotzdem versuchten chinesischen Astronomen ihre Fehlberechnungen stets in die Schuhe der europäischen Präsidiumsmitglieder zu schieben.[11] Die berühmte Orbansammlung in Ingolstadt[14] besaß ursprünglich "...sinisische Schreibfedern, wie sie samt der Dinte P. Goggeisl herausgeschickt...", d. h. mit heimreisenden portugiesischen Hochsee-Handelsschiffen nach Ingolstadt gesandt hat.[14] Neben ihrer täglichen Arbeit auf der Sternwarte und im Kalenderamt hatten Antonius Gogeisl und Augustinus Hallerstein im kaiserlichen Auftrag auch die Pflicht ausländische Delegationen während deren Aufenthaltszeit in Peking zu betreuen. So auch die Portugiesische Gesandtschaft vom 30. April 1753 – 9. Juni 1753[2]. Mehrfach fanden auch Treffen mit koreanischen Tributdelegationen statt. Dazu berichtet ein an der Delegation beteiligter koreanischer Gelehrter namens Hong Dae-Yong (12. Mai 1731 – 17. November 1783) in Form eines niedergeschriebenen Tagebuches vom 2. November 1765 – 8. April 1766.[15] Das Original desselben liegt im Archiv der katholischen Universität Soongsil in Seoul. Die wichtigsten Treffen mit den Jesuiten-Missionaren fanden im Januar (7. Januar, 9. Januar, 13. Januar, 19. Januar, 24. Januar) und Februar (2. Februar) des Jahres 1766 statt.[15] Da beide Patres den Diplomatenstatus besaßen, war es möglich, christliches Gedankengut außer Landes, somit auch in das Königreich Korea zu bringen. Glücklicherweise waren noch im 18. Jahrhundert die Altchinesischen, wie auch die Altkoreanischen Schriftzeichen dieselben. Christliches Gedankengut lag bereits in chinesischen Übersetzungen vor. Der erste getaufte Koreaner ist laut koreanischer Kirchengeschichte mit dem Jahr 1784 belegt[16], also schon 13 Jahre nach dem Tod von Antonius Gogeisl. Somit hatten beide einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Christianisierung Koreas.[9] P. Antonius konnte bis zu seinem Tod 1771 ungestört weiterarbeiten. Er wurde auf dem Pekinger Jesuitenfriedhof mit einem "Staatsbegräbnis" bestattet.[17] Der Markt Siegenburg hat ihm zu Ehren am 14. Dezember des Jahres 1972 eine Straße mit dem Namen "Gogeislstraße" gewidmet.[9]

Literatur

  • Siegfried Hofmann: Die Jesuiten in Ingolstadt, 1991, bearbeitet von Kurt Scheuerer, 2004.
  • A. Huonder: Deutsche Jesuitenmissionäre des 17. und 18. Jahrhunderts, Freiburg 1899.
  • Johann Ertlmeier: Ein Missionar, sein Quadrant und der Kaiser im Reich des Drachen, Siegenburg 2018.

Einzelnachweise

  1. gem. Expertise von Stefan Hackl, Forschergruppe: "Namen" an der Universität Regensburg vom 24. September 2018.
  2. Johann Ertlmeier: Ein Missionar, sein Quadrant und der Kaiser im Reich des Drachen. 1. Auflage. Gogeisl-Verlag GbR, Siegenburg 2018, ISBN 978-3-00-059962-0, S. 17, 19, 20 - 22, siehe auch S.116117, 150.
  3. Max Leitschuh: Die Matrikeln der Oberklassen des Wilhelmsgymnasiums in München, 4 Bde., München 1970–1976; Bd. 2, S. 200.
  4. Sebes S.J.: Diccionario Historico de la Compania De Jesus. Hrsg.: Institutum Historicum Sicietas Iesu. Band 2. Roma/Madrid 2001, S. Spalte 1767 re.
  5. J. Gerstner: Geschichte der Stadt Ingolstadt. Hrsg.: Georg Franz. München 1853, S. 582.
  6. R. Heinrich Hiss. In: Handschriftensammlung ARSI. Germania Superior 50, 332v. Archiv Generalkurie Jesuiten, Rom 1732, S. 332.
  7. Catalogus Primus. In: Generalkurie Jesuiten (Hrsg.): Handschriftensammlung ARSI. G. Sup. 35,282v. Rom 1732.
  8. Siehe Archivalie BayHStA Jesuitica 579/9.
  9. Johann Ertlmeier: Ein Missionar, sein Quadrant und der Kaiser im Reich des Drachen Anton Gogeisl Jesuit aus Siegenburg (1701 - 1771). 1. Auflage. Gogeisl-Verlag GbR, Siegenburg 2018, ISBN 978-3-00-059962-0, S. 13 - 14, 53.
  10. J. Wicki S.J.: Liste der Jesuiten-Indienfahrer 1541-1758. Hrsg.: Hans Flasche. Aschendorffsche Verlagsbuchhandlung, Münster 1967.
  11. P. Augustinus Hallerstein S.J.: Brief Nr. 587 vom 4.November 1739. In: R.P. Francisco Keller (Hrsg.): Welt-Bott. Band 30. Joseph Stöcklein bei Leopold Johann Kaliwoda, Wien 1755.
  12. Xi Sun: Bedeutung und Rolle des Jesuitenmissionars Ignaz Kögler in China. Hrsg.: Universität Mainz. Peter Lang, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-631-55837-9, S. 368.
  13. P.L. van Hée: Les Jésuites Mandarins. Hrsg.: Spes Éditions. Band 8, Nr. 1. Les Amis des Missions, Paris 1931.
  14. Siehe dazu Bayer. Hauptstaatsarchiv Signatur "GL Fasz. 1489 Nr. 1" S. 4 Posten 44.
  15. Hong Dae-Yong (홍대용): Ŭlbyŏng yŏnhaengnok (을병연행록). 1. Auflage. 1 und 2. Kwangmyŏng : Kyŏngjin Munhwasa, Seoul 2012, ISBN 978-89-5996-144-3, S. Bd. 1: 558, Bd. 2: 488 (koreanisch).
  16. Charles Dallet: HISTOIRE DE LÉGLISE DE CORÉE. Hrsg.: Victor Palmé. Band 1. Paris 1874, S. 387.
  17. Ausstellung 2016 im Armeemuseum Ingolstadt über den Pekinger Jesuitenfriedhof. Bayerisches Armeemuseum, 2016, abgerufen am 26. Januar 2019.
This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. The authors of the article are listed here. Additional terms may apply for the media files, click on images to show image meta data.