Another Side of Bob Dylan
Another Side of Bob Dylan ist das im August 1964 veröffentlichte vierte Studioalbum des amerikanischen Songwriters Bob Dylan. Es sollte nach der Protestsong-Phase, wie schon im Titel zum Ausdruck kommt, eine andere Seite von Dylan zeigen. „Auf dieser Platte ist (mit wenigen Ausnahmen) nicht mehr der Kritiker vom Dienst zu hören, sondern Dylan, der Privatmann, ein Mensch in Auseinandersetzung mit seinen Emotionen.“[1] Darstellungen solcher Art, dass er mit dem Album eine radikale Kehrtwende vollzogen habe, hat Dylan selbst später relativiert. Schon mit dem Titel sei er nicht glücklich gewesen. Das Album Another Side of Bob Dylan zu nennen, sei die Idee des Produzenten Tom Wilson gewesen, und der Anschein, bei dem Album handle es sich um eine Negation der Vergangenheit, entspreche nicht der Wahrheit.[2]
Die Musik auf dem Album ist zwar noch an der Folk-Musik orientiert, die Texte enthalten jedoch schon viele surrealistische Elemente.
Das bekannteste Lied auf dem Album ist It Ain’t Me, Babe, das bereits im selben Jahr von Johnny Cash für dessen Album Orange Blossom Special gecovert wurde.[3] Wörtlich genommen richtet sich der Text des Songs an eine junge Frau, deren Erwartungen an ihn der Sänger nicht gerecht werden kann oder will: „I’m not the one you want, babe / I’m not the one you need.“ Von Anfang an ist der Song aber auch in dem übertragenen Sinn gedeutet worden, dass Dylan die ihm zugewiesene Rolle als Stimme einer Generation, „voice of a generation“, und ganz allgemein jede Vereinnahmung durch andere ablehne.[4]
Noch deutlicher bringt My Back Pages eine Abwendung des Ichs von der Rolle des Predigers und Künders vermeintlich einfacher Wahrheiten und eine Absage an einfaches Schwarz-Weiß-Denken zum Ausdruck.[5]
Bob Dylan nahm das Album am 9. Juni 1964 in einer einzigen Session auf. Dabei gab es auch einen ersten Versuch, Mr. Tambourine Man aufzunehmen; der Titel erschien dann aber erst auf dem folgenden Album. Another Side of Bob Dylan erreichte Platz 43 in den US-Charts und 1965 Platz 8 in Großbritannien.
Bei Teilen der Folkszene sorgte das Album für Befremden. So veröffentlichte Irwin Silber in der von ihm herausgegebenen Folk-Zeitschrift Sing Out! einen offenen Brief an Dylan, in dem er seiner Sorge Ausdruck verlieh, der Sänger drohe durch die Begleitumstände von Ruhm und Erfolg den Kontakt zur Basis zu verlieren, was auch in seinen neuen Liedern zum Ausdruck komme.[6] Der Folksänger Phil Ochs hingegen verteidigte im Broadside Magazine Dylans Recht auf Wandel.[7]
Der kanadische Sänger und Songwriter Neil Young bezieht sich in dem Song Flags of Freedom auf seinem 2006 erschienenen Album Living with War ziemlich eindeutig auf den Song Chimes of Freedom.[8]
Titelliste
- All I Really Want to Do – 4:04
- Black Crow Blues – 3:14
- Spanish Harlem Incident – 2:24
- Chimes of Freedom – 7:09
- I Shall Be Free No. 10 – 4:47
- To Ramona – 3:52
- Motorpsycho Nitemare – 4:33
- My Back Pages – 4:22
- I Don’t Believe You (She Acts Like We Never Have Met) – 4:22
- Ballad in Plain D – 8:16
- It Ain’t Me Babe – 3:33
Weblinks
- Another Side of Bob Dylan bei AllMusic (englisch)
Einzelnachweise
- Mathias R. Schmidt: Bob Dylan und die sechziger Jahre. Aufbruch und Abkehr. Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 1983, S. 82.
- Das vollständige Zitat, aus einem Gespräch Dylans mit Cameron Crowe, ist zu lesen in den Liner Notes der Kompilation Biograph aus dem Jahre 1985: „Tom Wilson, the producer, titled it that. I begged and pleaded with him not to do it. You know, I thought it was overstating the obvious. I knew I was going to have to take a lot of heat for a title like that and it was my feeling that it wasn’t a good idea coming after The Times They Are a-Changin', it just wasn’t right. It seemed like a negation of the past which in no way was true.“
- https://www.allmusic.com/album/mw0000218157 Orange Blossom Special von Johnny Cash bei allmusic.com
- Zwei Beispiele deutscher Autoren, die den Text in diesem übertragenen Sinn deuten und sogar jeweils eine Nähe von Dylans It Ain’t Me, Babe zu entsprechenden Sätzen Bertolt Brechts sehen:
Eine Besprechung eines Buchs über Brechts frühe Lyrik, in der FAZ vom 22. August 2002, beginnt mit dem Satz: „'It ain't me babe, it ain't me you're lookin' for.' Bob Dylans berühmte Selbstverweigerung zitiert den jungen Brecht. 'Wer immer es ist, den ihr sucht', hieß es dort, 'ich bin es nicht.'“
Und Willi Winkler schreibt, in der Süddeutschen Zeitung vom 17. Juni 2020: „In mir habt ihr einen, auf den könnt ihr nicht bauen, oder wie Brecht es formuliert hätte, wenn er so gut wie Dylan gewesen wäre: 'It ain't me, babe'.“ - Vgl. Mathias R. Schmidt: Bob Dylan und die sechziger Jahre. Aufbruch und Abkehr. Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 1983, S. 86 ff.
- Irwin Silber: An Open Letter to Bob Dylan. Sing Out!, November 1964, online abgerufen am 16. Januar 2009.
- Vgl. Mathias R. Schmidt: Bob Dylan und die sechziger Jahre. Aufbruch und Abkehr. Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 1983, S. 89 f.
- — (Memento des Originals vom 11. Oktober 2008 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.