Anna Elisabeth Rosmus
Anna Elisabeth Rosmus (* 1960 in Passau), zeitweise Anja Rosmus-Wenninger,[1] ist eine deutsche Schriftstellerin.
Leben
Anlässlich des Aufsatzwettbewerbs Alltag im Dritten Reich befasste sich Anna Rosmus als 20-Jährige mit der Rolle ihrer Heimatstadt Passau während dieser Zeit und deren Umgang mit den Passauer Juden. Bei ihren Nachforschungen stieß sie auf Widerstände. Drei Jahre lang erhielt sie keine Einsicht in die Personalakte des NSDAP-Oberbürgermeisters Max Moosbauer, bis sie sich die Akteneinsicht vor Gericht erstritt. Dabei kam zum Vorschein, dass zahlreiche führende Passauer Persönlichkeiten aktive Nationalsozialisten gewesen waren.
Die Ergebnisse ihrer Recherchen fasste sie 1983 in dem Buch Widerstand und Verfolgung am Beispiel Passaus 1933–1939 zusammen. Sie setzt sich außerdem für die Errichtung passender Denkmäler für die Opfer des Nationalsozialismus ein, so zum Beispiel in Passau, wo dieses Bestreben von offizieller Seite jedoch damals nicht unterstützt wurde. Im Jahr 1996 wurde schließlich das Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus direkt am Fluss Inn errichtet.
Die Anfeindungen und Bedrohungen (bis zu Morddrohungen) durch Bürger ihrer Heimat, die sie als Nestbeschmutzerin ansahen, veranlassten sie, 1994 ihre Heimatstadt zu verlassen und in die Vereinigten Staaten zu emigrieren.
Seit mehr als 15 Jahren unternimmt Anna Rosmus regelmäßig mit US-Veteranen des Zweiten Weltkriegs Reisen in den Vereinigten Staaten. Jährlich organisiert sie auch Wiedersehenstreffen zwischen Veteranen und Einheimischen in Deutschland und Österreich. Besonders umfangreich beschäftigt sie sich mit der 65. Infanteriedivision[2] und General Stanley Eric Reinhart.[3] 1945, dem Jahr der Befreiung Deutschlands und Österreichs, widmete sie mit ihrem Buch Walhalla Finale einen umfangreichen Bildband.[4] Ein Register der im Bildband vertretenen bayerischen und oberösterreichischen Orte ist online.[5]
Heute lebt Anna E. Rosmus nahe Chesapeake Bay in Maryland an der US-amerikanischen Ostküste. Sie ist Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland.
Veröffentlichungen
- Widerstand und Verfolgung am Beispiel Passaus 1933–1939, Haller, Passau 1983, ISBN 3-88849-011-1.
- Exodus – im Schatten der Gnade. Über das Schicksal der Passauer Juden. Dorfmeister, Tittling 1988, ISBN 3-927454-01-X.
- Robert Klein: Ein Jude schaut zurück [Unter Mitwirkung von Anna Elisabeth Rosmus], Selbstverlag A. E. Rosmus, Passau [Söldenpeterweg 19c] 1991 (ohne ISBN), parallele Ausgabe: A German Jew Looks Back (englisch).
- Wintergrün. Verdrängte Morde [über Morde an russischen Kriegsgefangenen in Passau unter dem Nationalsozialismus], Labhard, Konstanz 1993, ISBN 3-926937-11-4 (Mit einem Vorwort von Ignatz Bubis).
- Pocking. Ende und Anfang. Jüdische Zeitzeugen über Besiegte und Befreite. In: Reihe Geschichte, Band 4. Labhard, Konstanz 1995, ISBN 3-926937-15-7.
- Was ich denke [Autobiographie 1979–1995]. In: Goldmann-Tschenbuch. Band 12616 Quer-denken! Goldmann, München 1995, ISBN 3-442-12616-9[6] (Englische Ausgabe: Against the Stream. Growing up where Hitler used to live. Übersetzt von Imogen von Tannenberg, University of South Carolina Press, Columbia, SC 2002, ISBN 1-57003-490-7).
- Out of Passau. Von einer, die auszog, die Heimat zu finden [Autobiographie]. In: Herder Spektrum, Herder, Freiburg im Breisgau / Basel / Wien 1999, ISBN 3-451-26756-X (Englische Ausgabe: Out of Passau. Leaving a city Hitler called home. Übersetzt von Imogen von Tannenberg, University of South Carolina Press, Columbia, SC 2004, ISBN 1-57003-508-3).
- Valhalla Finale, Das Ende des II. Weltkrieges – Von der Normandie nach Linz und Prag. Mit vielen bisher unveröffentlichten Bildern von 1945. Verlag Doris Dorfmeister, Tittling 2009, ISBN 978-3-9810084-7-0 (deutsch und englisch).[7]
- Ragnarök. Verlag Doris Dorfmeister, Tittling 2010, ISBN 978-3-9810084-8-7 (deutsch und englisch).
- 75 Jahre „Reichskristallnacht“. Samples-Stecher Verlag, Grafenau 2013, ISBN 978-3938401286
- Hitlers Nibelungen. Samples Verlag, Grafenau 2015, ISBN 978-3-938401-32-3
Auszeichnungen
- 1984: Geschwister-Scholl-Preis
- 1992: Holocaust Memorial Award
- 1994: Conscience in Media Award der American Society of Journalists and Authors
- 1996: Heinz-Galinski-Preis
- 1994: Sarnat-Preis der Anti-Defamation League
- 1999: Immigrant Achievement Award
Das schreckliche Mädchen
- 1986 strahlte ARD Felix Kuballas 45-minütige WDR-Dokumentation Von deutscher Toleranz aus.
- 1988 zeigte ARD Henning Stegmüllers 90-minütige Dokumentation von Radio Bremen Gegen den Strom über Anna Rosmus.
- 1990 strahlte das ZDF Michael Verhoevens Dokumentation Das Mädchen und die Stadt über Anna Rosmus aus.
Ihre Lebensgeschichte diente Michael Verhoeven 1990 als Vorbild für seinen Film Das schreckliche Mädchen und brachte ihm 1992 eine Oscar-Nominierung für den besten fremdsprachigen Film.
- 1994/95 produzierte Felix Kuballa (WDR) den Dokumentarfilm Das Schreckliche Mädchen in Amerika. ARD zeigte eine 60-minütige und eine 45-minütige Variante.
Literatur
- Hans-Dieter Schütt: Anna Rosmus – die »Hexe« von Passau, Deutschland, Deutschland über alles – wächst kein Gras. Dietz, Berlin 1994, ISBN 3-320-01843-4.
- Eckard Presler: Die „Nestbeschmutzerin“ zog fort. In: Berliner Zeitung, 30. September 1995
- Frederick A. Lubich: Wendewelten. Paradigmenwechsel in der deutschen Literatur- und Kulturgeschichte nach 1945. Königshausen & Neumann, Würzburg 2002, ISBN 3-8260-2089-8. S. 147ff (online: Ich bin nichts als Produkt meiner Erziehung. Interview mit Anna Rosmus, dem «Schrecklichen Mädchen» aus Passau, Norfolk, Virginia April 2000, Google Bücher).
- Anna Rosmus, in: Internationales Biographisches Archiv 02/2000 vom 3. Januar 2000, im Munzinger-Archiv (Artikelanfang frei abrufbar)
Weblinks
- Literatur von und über Anna Elisabeth Rosmus im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Rechter Arm zittert. In: Der Spiegel. Nr. 18, 1984 (online – Die Stadt Passau verschwor sich gegen eine Schülerin, die einen Aufsatz schreiben wollte. Thema: „Alltag im Nationalsozialismus“).
- Eine Passauer Passion. In: Die Zeit, 14. Dezember 1984
- Im Gespräch: Anna Rosmus mit Angelika Faas und Thomas Krauß; Person, Wissenschaft, Geschlechterverhältnis
- Passau ist nicht mehr braun (Archivalia)
- (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven: Anna Rosmus fordert Denkmal)
- Wrapping the Dead in Silence?
- Anna Rosmus öffnet private US-Archive: Einmarsch 1945 im Passauer Korridor (mediendenk.com)
Einzelnachweise
- Besuche ehemaliger jüdischer Mitbürger | PASSAU. Abgerufen am 3. April 2020.
- 65th Infantry Division Association: HOME. Abgerufen am 31. Juli 2021 (britisches Englisch).
- Anna Rosmus und die unermüdliche Aufbauarbeit des Generalmajor Stanley Eric Reinhart. Oberösterreichische Nachrichten. 5. Oktober 2009. Abgerufen am 7. Februar 2015.
- (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven: Anna Rosmus: Zum Schluss in die Walhalla)
- Ortsregister Walhalla Finale. 7. Februar 2015, abgerufen am 31. Juli 2021.
- Personenregister von Anna Rosmus, Was ich denke.
- Von der Befreiung, den Veteranen und der verdienten Anerkennung (Memento vom 27. April 2014 im Internet Archive)