Amoklauf von Aurora
Der Amoklauf von Aurora war ein Gewaltverbrechen, bei dem am 20. Juli 2012 in einem Kino in Aurora im US-Bundesstaat Colorado während der mitternächtlichen Premiere des Films The Dark Knight Rises zwölf Menschen erschossen und 58 weitere zum Teil schwer verletzt wurden. Der später als Täter verurteilte, zur Tatzeit 24-jährige James Eagan Holmes wurde unmittelbar nach der Tat festgenommen.
Das von Teilen der Öffentlichkeit und Medien auch Anschlag von Aurora benannte Gewaltverbrechen wurde zudem nach dem Tatort teils auch als Kino-Massaker[1] bezeichnet. Die außerdem anzutreffende Benennung als „Batman“-Amoklauf[2][3] nimmt Bezug auf den zur Tatzeit in dem hauptsächlich betroffenen Kinosaal gezeigten US-amerikanischen Actionfilm, der auf den Batman-Comicserien basiert.
Verlauf
Im Kino
Um 00:05 Uhr[4] begann die Premiere von The Dark Knight Rises im Kinosaal neun des Century 16 Movie Theatre, einem an das Einkaufszentrum Town Center at Aurora angeschlossenen Multiplex-Kino in Aurora.[5] Etwa 20 Minuten nach Beginn der Vorstellung verließ der Täter über einen Notausgang den Saal, begab sich zu seinem in der Nähe geparkten Auto und legte dort unter anderem eine Gasmaske und eine schusssichere Weste an.[6] Mit einer Flinte Remington 870, einem Selbstladegewehr AR-15 und einer Glock-Pistole Kaliber .40[7] bewaffnet kehrte er gegen 00:37 Uhr ins Kino zurück, zündete eine Tränengasgranate und eröffnete das Feuer auf das Publikum. Viele Zuschauer glaubten zunächst an eine zur Filmvorführung gehörende Showeinlage, bevor die Menschen in Panik aus dem Saal flohen.[5] Augenzeugen zufolge hatte das Sturmgewehr eine Ladehemmung.[8] Mehrere Projektile durchschlugen eine Wand zum benachbarten Kinosaal acht und trafen dort ebenfalls Zuschauer.[9] Ab 00:40 Uhr kamen die ersten Polizeistreifen beim Kino an und umstellten das Gebäude. Kurz darauf wurde der Täter bei seinem Auto verhaftet, ohne Widerstand zu leisten.[5]
In der Wohnung des Täters
Während sich der Täter im Kino befand, dröhnte ab Mitternacht laute Musik aus dessen Wohnung. Eine Nachbarin klopfte an die Wohnungstür, die nicht abgeschlossen war, trat aber nicht ein.[10] Da der Täter bereits kurz nach seiner Festnahme angegeben hatte, Sprengstoff in der Wohnung deponiert zu haben, evakuierte die Polizei nach ihrem Eintreffen gegen 2 Uhr zunächst das Mietshaus sowie fünf benachbarte Gebäude.[5][11] Bei der anschließenden Untersuchung der Wohnung mit Spiegeln wurden Sprengfallen entdeckt, deren Entschärfung mehrere Tage in Anspruch nahm.[12][13] Währenddessen wurde ein Roboter eingesetzt, um erste Beweisgegenstände aus der Wohnung abzutransportieren.[14] Insgesamt befanden sich in der Wohnung 30 selbstgebaute Granaten sowie etwa 40 Liter Treibstoff, die vermutlich bei einem Betreten der Wohnung explodiert wären und das gesamte Stockwerk zerstört hätten.[15]
Opfer
Zehn Menschen starben am Tatort, zwei weitere Menschen erlagen in Krankenhäusern ihren Verletzungen. 58 Menschen wurden verletzt. 38 Menschen kamen wegen ihrer Verletzungen ins Krankenhaus. Die Todesopfer waren zwischen sechs[6][16] und 51 Jahre alt.[17] Die Mutter des jüngsten Opfers wurde ebenfalls schwer verletzt und erlitt aufgrund der Verletzungen eine Fehlgeburt.[18]
Täter
Der zur Tatzeit 24-jährige James Eagan Holmes (* 13. Dezember 1987) wuchs in San Diego auf, machte 2006 seinen Schulabschluss an der dortigen Westview High School und schloss 2010 ein Studium der Neurowissenschaften an der University of California in Riverside mit Auszeichnung ab. Im Juni 2011 schrieb er sich für ein Doktorandenprogramm an der University of Colorado ein, stand jedoch nach Angaben der Universität kurz vor dem Abbruch.[19][20] Bis zu dieser Tat war Holmes nicht straffällig geworden.[21] Zwei Monate vor der Tat kaufte sich der Täter legal vier Schusswaffen, darunter ein halbautomatisches Sturmgewehr vom Typ AR-15. Anfang Juli erwarb Holmes über das Internet 6.000 Schuss Munition.[22]
Sein Motiv ist bisher ungeklärt.[23]
Bei einer ersten Anhörung vor Gericht am 23. Juli 2012 äußerte Holmes sich nicht zur Tat.[24] Am 30. Juli wurde Holmes wegen mehrfachen Mordes angeklagt. Die Staatsanwaltschaft legte ihm insgesamt 142 Anklagepunkte zur Last, darunter Mord, versuchter Mord und Sprengstoffbesitz. Ob sie die Todesstrafe fordern werde, ließ die zuständige Staatsanwältin Carol Chambers zunächst offen.[25]
Nach Angaben seiner Anwälte war Holmes bei einer Psychiaterin an seiner Universität in Behandlung. Die auf Schizophrenie spezialisierte Professorin war auch die Adressatin eines Pakets, das Holmes mehrere Tage vor der Tat an die Poststelle der Universität Colorado geschickt hatte.[26] Laut dem Fernsehnetzwerk Fox unter Berufung auf Ermittlerkreise enthielt das Paket Notizen mit einer detaillierten Ankündigung der Tat.[27] Laut Medienberichten soll die Psychiaterin sechs Wochen vor der Tat die Universität vor Holmes gewarnt haben, weil dessen Geisteszustand auffällig gewesen sei.[28]
Reaktionen
US-Präsident Barack Obama sprach den Angehörigen sein Beileid aus und forderte dazu auf, für die Betroffenen zu beten und ihnen beizustehen.[29] Durch die Tat wurde die Diskussion über eine Verschärfung der Waffengesetze in den Vereinigten Staaten erneut entfacht.[30] Sowohl Obama als auch sein Herausforderer bei den anstehenden Präsidentschaftswahlen, Mitt Romney, hielten sich mit Äußerungen zu einer Verschärfung des Waffenrechts zurück.[31] Während Romney eine Änderung der Waffengesetze ablehnte, sprach sich Obama für verbesserte Kontrollen aus, um einen Verkauf von Waffen an Kriminelle oder psychisch Kranke zu verhindern.[32][33]
Die geplante Premiere des Films The Dark Knight Rises in Paris sowie sämtliche Interviewtermine wurden vom Produktionsteam abgesagt.[34][35] Wenige Tage nach der Tat besuchte Hauptdarsteller Christian Bale Opfer des Anschlags in der Klinik von Aurora.[36] Regisseur Christopher Nolan sprach kurz darauf im Namen des Filmteams von tiefer Trauer über die Tragödie.[37]
Die Kinokette AMC Theatres verbot kurz nach dem Ereignis, mit Gesichtsmaske und Waffenattrappen in ihre Kinos zu gehen.[37] Auch in Deutschland wurde angekündigt, die Sicherheitsmaßnahmen in den Kinos zu verstärken.[38] Warner Bros. verzichtete vorerst trotz des hohen Erfolgs von The Dark Knight Rises darauf, die Zahlen des Box Office zu veröffentlichen.[39] Als weitere Konsequenz zog Warner Bros. die Filmwerbung zu Gangster Squad zurück. In diesem Film gibt es eine Szene, in der Gangster in einem Kino mit automatischen Waffen auf das Kinopublikum schießen. Der Filmtrailer ist nun in keinem US-Kino mehr zu sehen und wurde auch von diversen Websites entfernt.[40]
Holmes gehört zu einer Reihe von Amokläufern, um die sich im Internet eine Fangemeinde gebildet hat.[41]
Prozess
Die Hauptverhandlung sollte eigentlich im August 2013 beginnen. Der Distriktrichter gab den Fall überraschend aus Zeitgründen ab.[42] Der Prozess begann schließlich am 29. Januar 2015 vor einem US-Bezirksgericht in Centennial, Colorado.[43] Ein Gutachten bescheinigte Holmes zwar eine psychische Erkrankung, verneinte jedoch gleichzeitig eine etwaig daraus resultierende Schuldunfähigkeit.[44] Im Juli 2015 wurde Holmes in 165 Anklagepunkten und des zwölffachen Mordes für schuldig gesprochen. Der Staatsanwalt beantragte die Todesstrafe.[45] Am 8. August 2015 wurde er zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt, ohne Chance auf Bewährung.[46]
Weblinks
- Blutbad von Denver. Video in: Spiegel TV Magazin vom 22. Juli 2012 (7 Minuten)
- Töten als Leistung Analyse des Amoklaufes von Ingar Solty, Website AG Friedensforschung, Erstveröffentlichung 27. Juli 2012.
Einzelnachweise
- Kino-Massaker von Aurora - Todesstrafe für James Holmes?. In: n-tv.de. n-tv. 29. Juli 2012. Abgerufen am 30. Juli 2012.
- be/tso/DPA/AFP: Kino-Attentat in Colorado: Amerika rätselt über das Motiv des "Jokers". In: stern.de. 21. Juli 2012, abgerufen am 1. März 2019.
- Nach „Batman“-Amoklauf: Obama will Waffengesetze schärfer kontrollieren. In: focus.de. Focus. 26. Juli 2012. Abgerufen am 30. Juli 2012.
- Foto einer Eintrittskarte für die Sondervorstellung. Abgerufen am 30. Juli 2012.
- Chronik des Massakers von Aurora. In: sueddeutsche.de. Süddeutsche.de. 21. Juli 2012. Abgerufen am 21. Juli 2012.
- „Batman“-Premiere endet in Blutbad. In: tagesschau.de. Tagesschau. 20. Juli 2012. Archiviert vom Original am 23. Juli 2012. Abgerufen am 20. Juli 2012.
- Ein Land sucht Trost. In: spiegel.de. Der Spiegel Online. 21. Juli 2012. Abgerufen am 20. Juli 2012.
- Batman-Massaker: Sturmgewehr des Amok-Schützen hatte Ladehemmung. (Nicht mehr online verfügbar.) In: nachrichten.t-online.de. Archiviert vom Original am 26. Juli 2012; abgerufen am 13. Oktober 2020.
- Amoklauf bei Batman-Premiere. Südwest Presse
- Schüchtern, freundlich, schwer bewaffnet. Süddeutsche Zeitung, 21. Juli 2012
- Polizei findet Sprengfallen in Wohnung des Täters. Süddeutsche Zeitung, 20. Juli 2012
- Wohnung des Schützen: Polizei findet Bomben. In: n24.de. N24. 21. Juli 2012. Abgerufen am 20. Juli 2012.
- Kriminalität - USA: Polizei: Alle Sprengfallen in Wohnung von Amokschützen entschärft - dpa Newsticker - zeit.de. (Nicht mehr online verfügbar.) In: newsticker.sueddeutsche.de. Archiviert vom Original am 7. März 2016; abgerufen am 13. Oktober 2020.
- Roboter bringt Beweismittel aus Wohnung des Kino-Mörders, Spiegel Online. 22. Juli 2012. Abgerufen am 23. Juli 2012.
- Amokläufer hatte 30 Granaten in seiner Wohnung Süddeutsche Zeitung, 24. Juli 2012
- Denver Schießerei bei „Batman“-Premiere - viele Tote und Verletzte. In: spiegel.de. Spiegel Online. 20. Juli 2012. Abgerufen am 20. Juli 2012.
- Lives that ended in an Aurora theater shooting were full of promise (Englisch) In: denverpost.com. Denver Post. 20. Juli 2012. Abgerufen am 22. Juli 2012.
- Nach Amoklauf von Aurora: Schwangere Frau verliert ihr ungeborenes Baby Rheinische Post Online, 29. Juli 2012
- Clayton Sandell, Kevin Dolak: Colorado Movie Theater Shooting: 71 Victims The Largest Mass Shooting (Englisch) In: abcnews.go.com. American Broadcasting Company. 20. Juli 2012. Abgerufen am 20. Juli 2012.
- David Lohr: Colorado Shooting: What We Know About James Holmes (Englisch) In: huffingtonpost.com. The Huffington Post. 20. Juli 2012. Abgerufen am 20. Juli 2012.
- James Holmes Aurora Colorado shooting suspect’s apartment being searched after Dark Knight shooting (Englisch) In: wptv.com. WPTV. 20. Juli 2012. Archiviert vom Original am 23. Juli 2012. Abgerufen am 20. Juli 2012.
- Matthias Kolb: Amerika sucht nach Antworten. In: sueddeutsche.de. Süddeutsche Zeitung. 21. Juli 2012. Abgerufen am 21. Juli 2012.
- Christian Wernicke: Der reale Horror. In: sueddeutsche.de. Süddeutsche Zeitung. 20. Juli 2012. Abgerufen am 20. Juli 2012.
- Aurora movie theater shooting suspect makes first court appearance - The Denver Post. In: denverpost.com. Abgerufen am 25. Juli 2012.
- Holmes wegen mehrfachen Mordes angeklagt. In: Süddeutsche.de. Abgerufen am 30. Juli 2012.
- „Verwerfliche Gleichgültigkeit“ ORF.at, 30. Juli 2012
- Mehrere Tage vor Bluttat abgeschickt ORF.at, 30. Juli 2012
- Psychiaterin warnte vor Batman-Amokläufer Holmes Focus Online, 2. August 2012
- Obama: Colorado shooting is ‚horrific and tragic‘ (Englisch) In: usatoday.com. USA Today. 20. Juli 2012. Abgerufen am 20. Juli 2012.
- Waffengegner fordern schärfere Gesetze. In: tagesschau.de. Tagesschau. 21. Juli 2012. Archiviert vom Original am 23. Juli 2012. Abgerufen am 21. Juli 2012.
- Anna Engelke: Obama und Romney scheuen schärferes Waffenrecht. tagesschau.de, 25. Juli 2012, archiviert vom Original am 28. Juli 2012; abgerufen am 29. Juli 2012.
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- "Batman"-Star besucht Verletzte des Kino-Amoklaufs. In: welt.de. Welt Online. 25. Juli 2012. Abgerufen am 26. Juli 2012.
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- Kinos erhöhen vor deutscher "Batman"-Premiere Sicherheit. In: stern.de. stern. 24. Juli 2012. Archiviert vom Original am 27. Juli 2012. Abgerufen am 23. Oktober 2016.
- Midnight Movie Massacre: Studio saddened by ‚shocking‘ scene at movie’s midnight showing. In: bild.de. Bild. 20. Juli 2012. Abgerufen am 21. Juli 2012.
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- Staatsanwaltschaft strebt Todesstrafe für James Holmes an. In: Spiegel Online vom 1. April 2015 (abgerufen am 10. Juni 2015).
- War Batman-Attentäter James Holmes zurechnungsfähig? In: Focus vom 27. Januar 2015 (abgerufen am 10. Juni 2015).
- Aurora-Morde: Gutachter hält Kino-Attentäter für zurechnungsfähig. In: Spiegel Online vom 29. Mai 2015 (abgerufen am 10. Juni 2015).
- Amoklauf bei "Batman"-Premiere: Gericht spricht Aurora-Attentäter wegen Mordes schuldig. 17. Juli 2015, abgerufen am 17. Juli 2015.
- Strafe für Kino-Attentäter: Zwölfmal lebenslänglich plus 3318 Jahre faz.net, 27. August 2015 (Bericht anlässlich der offiziellen Festsetzung des Urteils)