Allgäuhalle
Die Allgäuhalle, die 1928 als Tierzuchthalle errichtet worden ist, ist ein Zweckbau der Architekten Heydecker in Kempten (Allgäu). Es war die erste Einrichtung dieser Art in Süddeutschland. Sie war neben der Viehzucht auch für Sport- und Massenveranstaltungen gedacht. Im November 2015 wurde die Eintragung als Baudenkmal (Hallen und Stier) bekanntgegeben.
Geschichte
Das Bauwerk wurde am 18. September 1928 auf dem ehemaligen Viehmarktplatz der Stadt auf Initiative des Bürgermeisters Otto Merkt eingeweiht. Sinn dieser Anlage war hauptsächlich der Handel mit Zuchtvieh bei Unabhängigkeit vom Allgäuer Wetter.[1]
Erbaut wurde eine imposante und zugleich festliche, gut durchleuchtete Halle mit einer hölzernen Umzäunung. Der Eingangsbereich zu dem Gelände war in der Vergangenheit mit einem Kassenkiosk versehen. Von diesem Eingang führt eine Freitreppe herunter zur Tierzuchthalle. Umgeben ist diese Treppe durch zwei Straßenzüge. In der Mitte der Freitreppe wurde das Tierzuchtdenkmal auf einem Sockel platziert.
Der Zuschauerraum, der Platz für etwa 1000 Personen bietet, wurde amphitheatralisch errichtet und ursprünglich vom Kunstmaler Franz Weiß mit Wandmalereien ausgestattet. In der zentralen Fläche befindet sich der Vorführungsplatz („Arena“) und das Versteigerungspodium. Dieser Großraum wird durch Dachfenster ausgeleuchtet. Ringsum, abgetrennt vom Ausstellungssaal, befinden sich einzelne Stallungen, die für eine genaue Begutachtung des Viehs dienen.[2]
Bereits kurz nach der Inbetriebnahme des Auktionshauses, das von der Allgäuer Herdebuchgesellschaft, des Oberbayerischen Zuchtverbands, des Württemberger Braunvieh-Zuchtverbandes und des Zuchtverbandes fürs Norische Pferd verwendet wurde, zeigte sich die Tierzuchthalle eher als Verlustbetrieb und ging nach dem Konkurs in die Hände der Stadt über. Kritiker nannten das kunstvoll errichtete Gebäude aus diesen Gründen „Mollahotel“, also Stierhotel.[3]
1931 wurde südlich der Tierzuchthalle ein großes Stallgebäude (Halle 2) errichtet, beide Gebäude sind mit einem überdachten Gang verbunden.[4] Die Halle 2 ist mit einem Zollingerdach bedeckt.
Im Rahmen seines Wahlkampfs hatte Adolf Hitler vom 3. bis zum 30. Juli 1932 insgesamt 53 öffentliche Auftritte. Laut polizeilichen Angaben besuchten etwa 15.000 bis 18.000 Menschen die 30-minütige Rede von Hitler am 30. Juli 1932 auf dem weiträumigen Gelände der Tierzuchthalle, der Völkische Beobachter spricht gar von 30.000 Besuchern, was aufgrund der Bedeutung dieses Parteinachrichtenblattes mit wesentlicher Propagandafunktion übertrieben ist. Die Rede wurde unterstützt durch große, moderne Lautsprecher und war durch Polizeikräfte abgesichert. Die Besucher stammen aus dem Allgäu, Vorarlberg, dem Bodenseeraum und Schwaben.[5]
Das KZ-Außenlager Kempten war ab 15. September 1943 eines der 169 Außenlager des Konzentrationslagers Dachau, in welchem Häftlinge (hauptsächlich politische Gefangene) zwangsbeschäftigt wurden. Es befand sich zunächst in der Spinnerei und Weberei Kempten unterhalb der Tierzuchthalle an der Iller, wurde zum April 1944 jedoch in dieser untergebracht. Heute erinnert eine Wandtafel an der Außenfassade an die dort unterbrachten Zwangsarbeiter.[6] Nach Aussagen von Inhaftierten waren dort zunächst 200 Menschen untergebracht, darunter Polen, Russen, Italiener, Jugoslawen und Tschechoslowaken. Nachdem im August 300 bis 350 Franzosen hinzu kamen, waren es schließlich 500 bis 600 Gefangene[7]. Bei der Tierzuchthalle gab es keine zusätzliche Einzäunung, sie war nur durch Posten gesichert, die auf der obersten Tribunenstufe in der Halle aufpassten. Außer bei Fliegeralarm brannte das Licht in der Halle den ganzen Tag.
Bei den Tribünenstufen wurden die Rückenlehnen abmontiert und mit Tischen und Stühlen zugestellt. In der Arena reihten sich Doppelstockbetten. Augenzeugen erinnern sich, dass die französischen Häftlinge vom Rest getrennt waren. Die Franzosen wurden im Elefantenstall weiter südlich untergebracht. Überliefert ist, dass Circus Krone von März 1943 bis April 1944 die sogenannte Halle 2 zur Unterbringung von Elefanten und Rassepferden diente.[8]
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Tierzuchthalle als Flüchtlingsunterkunft verwendet. Danach etablierte sich ab den 1950er Jahren der Name „Allgäuhalle“ für den Zweckbau. Noch bis 1970 wurde das Gebäude als Tierzuchthalle amtlich bezeichnet. Im Jahr 1974 tauchte der Name „Allgäuhalle“ im amtlichen Straßenverzeichnis auf. Die Umbenennung hängt mit einem versuchten Imagewechsel von der Tierzucht- zur Veranstaltungshalle zusammen, zudem ist der Begriff Allgäu besser zur Vermarktung der Räume geeignet.[9]
Tierzuchtdenkmal
- Kopf des Stiers
- Grüßendes Hinterteil des Stiers
Mit dem Stier Roman, einer aus Muschelkalk geschlagenen Skulptur von Ludwig Eberle,[10] ist das erste Tierzuchtdenkmal in Deutschland bezeugt. Das Denkmal steht auf einem Steinsockel in Blickrichtung zur großen Halle, das Hinterteil ist zum Haupteingangsbereich des Areals orientiert. Das Modell für die monumentale Skulptur hieß Roman und war im Besitz eines Gutsbesitzers in Weitnau. Eberle tätigte in Weitnau an diesem Stier plastische und zeichnerische Studien und schlug in seinem Atelier am Park Biederstein in München seine Entwürfe in Stein.
Nach der Aufstellung in Kempten war Eberle vor Ort noch rund zwei Wochen an einem Feinschliff an der etwa 2,5 Tonnen schweren Skulptur tätig.
Bis in das Jahr 1969 lag der Alte Kemptener Hauptbahnhof in direkter Nachbarschaft zur Allgäuhalle. Reisende in den Zugwaggons wurden daher bei der Ein- und Ausfahrt in den Kopfbahnhof immer mit dem Hinterteil des Stiers begrüßt und verabschiedet.
Nutzung
Die Allgäuhalle wird für diverse Auktionen und Körungen verwendet. Regelmäßig fanden bis zur Fertigstellung der benachbarten Bigbox Allgäu auch Musikveranstaltungen statt, somit diente die Allgäuhalle auch als Stadthalle. Versteigerungen, Floh- und Hobbymärkte sowie Eisenbahnausstellungen ergänzen den Veranstaltungskalender. Auf dem weiträumigen Gelände, das überwiegend als Parkplatz von Schülern des nahe liegenden Beruflichen Schulzentrums verwendet wird, finden zeitweise auch Zirkusbetriebe ihren Platz.
Einzelnachweise
- Georg Wiedemann: Die Zucht des graubraunen Gebirgsviehes im Oberallgäu. A. Rossteutscher, 1931, S. 70.
- Fritz H. Hacker: Architekten L. Heydecker u. Dipling Otto Heydecker. Kempten 1930.
- Franz-Rasso Böck, Ralf Lienert, Joachim Weigel (Hrsg.): Jahrhundertblicke auf Kempten 1900–2000. Verlag Tobias Dannheimer – Allgäuer Zeitungsverlag, Kempten (Allgäu) 1999, ISBN 3-88881-035-3, S. 112 f.
- Max Förderreuther: Kemptner Heimatbuch. Kempten 1932, S. 99f. (DNB 573103437)
- Gerhard Hölzle: „Volksgenossen!“. Hitler und andere Redner in Kempten bis 1932. In: Allgäuer Geschichtsfreund. Nr. 114, 2014, S. 65–84.
- Verzeichnis der Konzentrationslager und Außenlager, Nr. 726
- Constanze Werner: Kriegswirtschaft und Zwangsarbeit bei BMW: Im Auftrag von MTU Aero Engines und BMW Group, Oldenbourg Verlag, München 2006, 447 Seiten, ISBN 978-3486577921, S. 298–306
- Markus Naumann: Im Land der Lager. Die Außenlager Kempten und Kottern/Weidach des KZ Dachau. In: Allgäuer Geschichtsfreund, Nr. 109, Kempten 2009, S. 121–129.
- Ralf Lienert: Stier Roman soll wieder an seinen früheren Standort. In: allin.de, 4. Januar 2008. (abgerufen am 1. März 2014)
- Bernard Kühling: Allgäuer Künstlerlexikon. Kempten 2012, S. 73.
Weblinks
- Stadtgeschichte: Die Allgäuhalle in Kempten. In: kreisbote.de, 21. Dezember 2015 (abgerufen am 29. Dezember 2015) (=Die Allgäuhalle in Kempten. In: Kreisbote Kempten-Isny, 23. Dezember 2015, S. 2).