Zwirn
Ein Zwirn (von mittelhochdeutsch zwirn: zweidrähtiger Faden, Zwirn, Zwirnfaden, Doppelfaden)[1] ist ein Faden (linienförmige Textilie), der aus mehreren zusammengedrehten Garnen bzw. Garnfäden besteht. Ein Zwirn hat eine wesentlich höhere Reißfestigkeit als die nicht verzwirnten Einfach-Garne zusammen.
Herstellung
Zwei oder mehrere Einzelfäden oder mehrere Zwirne werden zusammengedreht.
Zwirnarten
Popelinezwirn (normaler Zwirn)
Der Popelinezwirn besteht aus zwei zusammengedrehten Einfachgarnen. Die Anzahl Spinn- und Zwirndrehungen können variieren und beeinflussen die Eigenschaften des Zwirns. Um den sogenannten Schräglauf oder Schrägverzug (Drall) des Garnes bei der Verarbeitung zu verhindern, müssen Spinn- und Zwirntouren in einem ausgewogenen Verhältnis stehen.
Nähfaden
Der Nähfaden kann aus zwei, meist aber drei zusammengedrehten Einfachgarnen bestehen. Es sind jedoch auch Umwindegarne, geflochtene Garne und Multifilamente im Einsatz. Der eingesetzte Nähfadentyp und sein Material richten sich sehr nach den gewünschten Optiken und technischen Anforderungen.
Voile
Das Spezielle am Voile ist, dass das Gespinst und der Zwirn in die gleiche Richtung gedreht werden. Das Resultat ist sehr hart und das daraus erstellte Gewebe ist kernig. Voile wurden früher oft für Vorhänge gebraucht.
Crêpezwirne
Crêpezwirne sind sehr hoch gedrehte Zwirne.
Effektzwirne (Fantasiezwirne)
Effektzwirne werden auf speziellen Maschinen hergestellt und können verschiedene Farben-, Material- oder Struktureffekte haben (z. B. Raupen- oder Schlingeneffekt).
Spezialkonstruktionen
Als Spezialkonstruktionen bezeichnet man Mehrfach- und Mehrstufenzwirne. Die Herstellung ist sehr teuer, weshalb diese Zwirne selten zur Anwendung kommen. Ein Beispiel für einen Mehrfachzwirn ist das Eisengarn.
Strohhutzwirn
Strohhutzwirn ist ein dreifacher, sehr feiner und geglätteter Faden, der sich gut zum Maschinennähen eignet.[2] Zu diesem Zweck dürfte er inzwischen weitgehend durch Synthetik- und Polyestergarne abgelöst worden sein.
Bindfaden/Verpackungskordel
Sogenannte Bindfäden oder Verpackungskordeln – auch (Paket-)Schnur genannt – sind Einfach- oder Mehrfachzwirne meist aus Flachs oder Hanf, manchmal auch aus Baumwolle oder Chemiefasern.[3] Im süddeutschen Sprachraum ist auch die Bezeichnung „Spagat“ geläufig, in der österreichischen Standardvarietät der deutschen Sprache ist Spagat die standardsprachliche Bezeichnung für den bundesdeutschen Bindfaden bzw. das Küchengarn.[4] Historische Bezeichnungen in Österreich und Böhmen lauteten auch Spaget, Spacht, Spachter, Spoget usw., welche vom italienischen Spago, Spaghetto (dünner Faden) oder vom Böhmischen spogiti (zusammenheften) abstammen.[5] Siehe auch Wurstgarn und Pressengarn.
Umgangssprachlich
Mit „Zwirn“ wird auch ein (mehr oder weniger) eleganter Anzug bezeichnet (nach dem Schema: pars pro toto); etwas veraltet ist die Redewendung „ein feiner Zwirn“ auch auf hochwertigen Anzugstoff bezogen. Weit verbreitet, besonders in Süddeutschland, ist der Fluch „Himmel, Arsch und Zwirn“.
Geschichte
Gezwirnte Fäden sind bereits aus dem Magdalénien belegt (Lascaux)[6], aber vermutlich schon viel länger in Gebrauch[7].
Einzelnachweise
- Franz Maria Feldhaus: Die Technik. Ein Lexikon der Vorzeit, der geschichtlichen Zeit und der Naturvölker. Reprint der 1914er Ausgabe, 2. Aufl. München 1965 (unter Hinzufügung von späteren Originalbeiträgen des Verfassers), Neudruck München 1970, S. 1384.
- Ohne Autorenangabe: Zutaten für die Pelzverarbeitung. In: Die Kürschnerfibel Nr. 2, Beilage zur Kürschner-Zeitung Nr. 6, Verlag Alexander Duncker, Leipzig, 21. Februar 1938, S. 15.
- Alois Kießling u. Max Matthes: Textil-Fachwörterbuch. Schiele & Schön Fachbuchverlag, Berlin 1992, ISBN 3-7949-0546-6, S. 42–43 (Stichwort Bindfäden).
- Österreichisches Wörterbuch, Österreichischer Bundesverlag, Schulbuch-Nummer: 155469, ISBN 978-3-209-06884-2.
- Krünitz’ Oeconomische Encyclopädie, Stichwort Spagat.
- A. Glory, Débris de corde paléolithique à Grotte de Lascaux (Dordogne). Memoire des la Societé Préhistorique Française 5, 1958, 135-169
- Karin Hardy, Where would we be without string? Ethnographic evidence for the use, manufacture and role of string in the upper Palaeolithic and Mesolithic of Northern Europe. In: Beugnier, V., Crombé, Ph. (Hrsg.), Plant processing form a prehistoric and ethnographic perspective/Préhistoire et ethnographie du travail des plantes: proceedings of a workshop at Ghent University (Belgium) November 28, 2006. British Archaeological Reports, International Series 1718. Oxford, John & Erica Hedges 2007, 9-22