Zwangskonversionen von Serben im Unabhängigen Staat Kroatien
Mit Zwangskonversionen von Serben im Unabhängigen Staat Kroatien versuchte die staatsführende faschistische Ustascha-Bewegung ab Sommer 1941 bis Frühjahr 1942, die Serben auf dem Gebiet des sogenannten Unabhängigen Staates Kroatien systematisch zu assimilieren.
Während des Zweiten Weltkriegs sollten hunderttausende orthodoxe Serben durch die mittelbar oder unmittelbar erzwungene Konversion zum katholischen Glauben dauerhaft „kroatisiert“ werden. Genaue Zahlen zu den tatsächlich konvertierten Serben gibt es nicht.[1] Einige Schätzungen gehen von etwa 240.000[2][3] konvertierten Serben aus, während andere die Zahl auf etwa 100.000[4][5] beziffern.
Der Versuch, die Serben im von den Achsenmächten abhängigen kroatischen Marionettenstaat aus der Sicht der Ustascha zu „rekatholisieren“, wurde bereits im Frühjahr 1942 wieder verworfen. Um den Staat zu befrieden und für nichtkatholische Nichtkroaten akzeptabler zu machen, entschloss sich die Ustascha-Führung zu einer Abkehr von ihrer aggressiven Konversionspolitik und stattdessen zur Gründung der Kroatisch-Orthodoxen Kirche im April 1942.[6]
Hintergrund
Ein zentraler Bestandteil der Ustascha-Ideologie war es, den serbischen Bevölkerungsanteil, welcher ein Drittel der Bevölkerung ausmachte, in dem von den Achsenmächten abhängigen kroatischen Marionettenstaat zu eliminieren. Laut dem Ustascha-Funktionär Mile Budak würde die kroatische Regierung „sie (die Serben) raus (aus dem NDH) zwingen“. An anderer Stelle beschrieb er die Katholiken und bosnische Muslime als die einzig wahren Kroaten, wohingegen die Serben gehen müssten, ob aus freien Stücken oder nicht. Ein anderer Ustascha-Funktionär, Milovan Žanić, äußerte, dass die Serben gehen müssten und es keine Methode gäbe, welche die Ustascha nicht anwenden würden, um den Staat von den Serben zu reinigen. Laut Jonathan Steinberg war die Rolle der Religion eine der Besonderheiten der Ustascha-Verbrechen. Diese kombinierten katholische Religiosität mit kroatischem Nationalismus und extremer Gewalt. Während des Zweiten Weltkriegs wurden hunderttausende Serben ermordet und vertrieben.[4] Zahlreiche Massaker[7] wie die Massaker von Prebilovci, Sanski Most und Banja Luka wurden verübt. Auch wurden Konzentrationslager eingerichtet, wie das KZ Jasenovac, KZ Stara Gradiška oder KZ Jadovno. Auch spezielle Kinderkonzentrationslager wie das KZ Gornja Rijeka, KZ Jastrebarsko und KZ Sisak wurden errichtet.
In der wissenschaftlichen Literatur geht man davon aus, dass die Zwangskonversionen unmittelbar nach der Gründung des Unabhängigen Staates Kroatien im April 1941 begannen. Der Historiker Mark Biondich argumentiert der vorherrschenden Meinung entgegen, dass die Ustascha diese erst einige Monate später, im Herbst 1941, als Möglichkeit in Betracht zogen.[4] Die Massentötungen hatten zu Aufständen und zum Niedergang ganzer Regionen geführt. Um das Ziel vom großkroatischen Nationalstaat, die Forderung der deutschen Besatzungsmacht nach Eindämmung der Gewalt und den Staatszerfall aufzuhalten, leitete die Ustascha einen Wechsel in ihrer Verfolgungspolitik ein, indem sie verstärkt auf die Zwangsassimilation der Serben setzte.[8]
In den Reihen der Ustascha schwankte man gegenüber den Serben zwischen exlusionistischen und assimilationistischen Tendenzen, wobei die erstere, welche nur die katholische und muslimische Bevölkerung als Kroaten ansah, dominierte. Demnach seien die Serben fremde Elemente, für welche es keinen Platz im kroatischen Staat gab. Bei den assimilationistischen Tendenzen handelte es sich bei den Serben um ethnische Kroaten, welche in der Folge durch den Übertritt zum katholischen Glauben „kroatisiert“ und damit eine „Lösung der serbischen Frage“ erreicht werden sollte.[4][9]
Zwangskonversionen durch die Ustascha
Die Ustascha definierten eigene Regeln und Standards bezüglich der Zwangskonversionen und bestimmten so, welche Serben konvertieren konnten und welche Gefahr liefen ermordet oder deportiert zu werden. Am 3. Mai 1941 wurde von den Ustascha ein erstes Dekret betreffend Konversionen erlassen. Dieses verkündete, dass alle existierenden Gesetze bezüglich Konversionen, von denen einige bis in die Zeit der Habsburgermonarchie zurückreichten, bis auf Weiteres ausgesetzt werden. Um zu konvertieren, musste sich eine Person bei den Behörden registrieren und die Voraussetzungen der Religion erfüllen, zu welcher sie übertreten wollte. Am 27. Mai 1941 gab das Ministerium für Recht und Religion Anweisungen für lokale Regierungsbeamte bezüglich der Konversion von einer Religion in eine andere heraus. Am 14. Juli 1941 gab das Ministerium ein Memorandum mit weiteren Richtlinien an die katholischen Bischöfe in Kroatien heraus. In diesem Memorandum erklärten die Ustascha keine Konversion von orthodoxen Serben zum griechisch-katholischen Glauben zu akzeptieren. Auch wurde es serbischen Intellektuellen verboten zum katholischen Glauben zu konvertieren. Lediglich das serbische Landvolk war berechtigt die Konversion zu vollziehen. Am 30. Juli sowie am 2. August 1941 gab das Ministerium zwei weitere Rundschreiben heraus. Im ersten Rundschreiben wurden lokale Regierungsbeamte daran erinnert, dass eine Konversion von Serben zur griechisch-katholischen Konfession nicht erwünscht sei. Weiter wurde serbischen Intellektuellen die Konversion nur unter außergewöhnlichen Umständen erlaubt, wie im Falle von Mischehen, wenn der Ehepartner katholischer Konfession war und ihre Kinder katholisch getauft wurden. Abschließend erklärte das erste Rundschreiben, dass im Falle eines Übertritts von orthodoxen Serben zur Lutherischen Kirche, diese nicht die gleichen Rechte wie die der deutschen Minderheit im Unabhängigen Staat Kroatien und das konvertierte Juden keinen anderen Rassenstatus, welcher durch die Rassengesetze des NDH definiert wurde, erhalten. Das zweite Rundschreiben war an die Kirchenhierarchie in Zagreb gerichtet und gab Anweisung die Gemeindepriester keine Konversionen ohne Genehmigung der Lokalbehörden durchführen zu lassen. Am 15. September 1941 wurde die religiöse Abteilung innerhalb der Direktion für staatliche Erneuerung gegründet. Diese Direktion war für die Überwachung der Deportationen von Serben, der Beschlagnahmung ihres Besitzes und der Umsiedlung von Slowenen aus, dem von Nazi-Deutschland besetzten, Slowenien nach Kroatien zuständig. Die religiöse Abteilung innerhalb dieser Direktion wurde vom franziskanischen Mönch und Ustascha Dionizije Juričev geleitet und war die staatliche Koordinationsstelle der Zwangskonversionen. Eine der ersten und größten Massenkonversionen fand im August 1941 in der Gemeinde Prijedor statt, als 15.000 orthodoxe Serben zur katholischen Konfession konvertierten.[4]
In der Ustascha-Führung war es jedoch umstritten, ob die konvertierten Serben einen Platz in Kroatien haben sollten. Ustascha-Milizen griffen auch konvertierte Serben an und zeigten damit, dass der Kirchenübertritt keinen Schutz bot.[10] In einigen Fällen zwang die Ustascha-Miliz serbische Zivilisten mithilfe von Drohung und Folterung zur Konversion, auch mit anschließendem Mord und Vertreibung.[11] So führten Angehörige der Ustascha-Miliz Massenkonversionen der serbischen Bevölkerung ganzer Dörfer mit vorgehaltener Waffe durch. In einigen Fällen war dies nur das Vorspiel für ein anschließendes Massaker.[1] Als Synonym hierfür gilt vor allem das Massaker von Glina.
Haltung der katholischen Kirchen- und Ordensführung
Die Römisch-katholische Kirche in Kroatien reagierte allgemein mit Begeisterung auf die Gründung des Unabhängigen Staates Kroatien. Diese Begeisterung ließ jedoch bei einigen bereits nach kurzer Zeit, durch die weitreichende anti-serbische Gesetzgebung sowie die gegen Juden und Roma gerichteten Rassengesetze, nach. Die Politik der Zwangskonversionen war eines der Probleme, welche die Beziehung zwischen der Kirche und den Ustascha belastet haben. Zum einen begrüßte die katholische Kirche die hohe Zahl der zum katholischen Glauben konvertierten Personen, zum anderen war es ihr Anliegen, dass diese Konversionen auf freiwilliger Basis und unter strikter Kontrolle der Kirche geschehen sollten.[4]
Aufgrund der politisch motivierten gewaltsamen Massenkonversionen versuchte die Leitung der katholischen Kirche in Kroatien die Kontrolle über die Konversionen zu übernehmen. Das Erzbistum Zagreb unter Alojzije Stepinac wies mit Rundschreiben vom 8. Mai 1941 die Gemeindepfarrer an, sich strikt an die katholischen Grundsätze für die Konversionen zu halten. Über die Aufnahme in die katholische Kirche habe letztendlich nur der zuständige Bischof zu entscheiden, der von den Priestern ausreichend informiert werden müsse.[1] Die Haltung vor Ort richtete sich damit nach den zuständigen Geistlichen, deren Motive, sich an den Konversionen zu beteiligen, von dem Wunsch die Serben vor der Ustascha zu retten bis hin zu Fantasien von einem katholischen Westbalkan reichten.[10]
Um vermeintlich dem Terror der Ustascha zu entgehen, ersuchten Serben scharenweise um Aufnahme in die katholische Kirche, sodass die örtlichen katholischen Pfarrer nicht wussten, wie sie die kirchlichen Konversionsbestimmungen einhalten sollten. So wandten sich Pfarrer im stark serbisch besiedelten dalmatinischen Hinterland mehrfach an ihren Bischof, um pauschale Genehmigung zur Konversion bedrohter Serben zu erhalten.[12]
Ende 1941 schrieb Erzbischof Stepinac dem kroatischen Staats- und Ustaschaführer Ante Pavelić, dass jede Gewaltanwendung den Ruf der katholischen Kirche schwer beschädigen und die Katholisierung zum Scheitern bringen könne. Es sei daher notwendig geeignete Missionare zu betrauen „und nicht Priester oder Gläubige, die unvorsichtig sind und in deren Hand eher ein Revolver als ein Kruzifix gehört.“[12]
Auch die Mitglieder der in Bosnien und der Herzegowina traditionell stark verankerten Ordensgemeinschaft der Franziskaner erhielten durch die Generaldirektion in Rom mit Anweisung vom 24. Juli 1941 das ausdrückliche Verbot, sich an den Massenkonversionen der Ustascha zu beteiligen.[1]
Literatur
- Mark Biondich: Religion and Nation in Wartime Croatia. Reflections on the Ustaša Policy of Forced Religious Conversions, 1941–1942. In: The Slavonic and East European Revue. Jg. 83, Nr. 1, 2005, S. 71–116.
Einzelnachweise
- Klaus Buchenau: Orthodoxie und Katholizismus in Jugoslawien 1945–1991 : Ein serbisch-kroatischer Vergleich (= Band 40 der Balkanologische Veröffentlichungen des Osteuropa-Instituts der Freien Universität Berlin). Otto Harrassowitz Verlag, 2004, ISBN 3-447-04847-6, S. 71.
- Tobias Pflüger, Martin Jung: Krieg in Jugoslawien: seine Ursachen : offene Grenzen für Waffen, aber nicht für Flüchtlinge : pazifistische Handlungsperspektiven Band 1 von Wir produzieren Flüchtlinge. Jung-Verlag, 1994, S. 18.
- Fikreta Jelić-Butić: Ustaše i Nezavizna Drzava Hrvatska 1941–1945. Zagreb 1977, S. 176 ff.
- Mark Biondich: Religion and Nation in Wartime Croatia : Reflections on the Ustaša Policy of Forced Religious Conversions, 1941–1942. In: The Slavonic and East European Revue. Jg. 83, Nr. 1, 2005, S. 91.
- Tomislav Dulić: Utopias of nation : Local mass killing in Bosnia and Herzegovina, 1941–42 (= Acta Universitatis Upsaliensis, 218). Uppsala 2005, S. 268.
- Klaus Buchenau: Orthodoxie und Katholizismus in Jugoslawien 1945–1991 : Ein serbisch-kroatischer Vergleich (= Band 40 der Balkanologische Veröffentlichungen des Osteuropa-Instituts der Freien Universität Berlin). Otto Harrassowitz Verlag, 2004, ISBN 3-447-04847-6, S. 73.
- Johann Wuescht: Jugoslawien und das Dritte Reich: eine dokumentierte Geschichte der deutsch-jugoslawischen Beziehungen von 1933 bis 1945. Seewald-Verlag, 1969, S. 52.
- Alexander Korb: Im Schatten des Weltkriegs : Massengewalt der Ustaša gegen Serben, Juden und Roma in Kroatien 1941–1945. Verlag des Hamburger Instituts für Sozialforschung, Hamburg 2013, ISBN 978-3-86854-259-2, S. 354 f.
- Alexander Korb: Im Schatten des Weltkriegs : Massengewalt der Ustaša gegen Serben, Juden und Roma in Kroatien 1941–1945. Verlag des Hamburger Instituts für Sozialforschung, Hamburg 2013, ISBN 978-3-86854-259-2, S. 355.
- Alexander Korb: Im Schatten des Weltkriegs : Massengewalt der Ustaša gegen Serben, Juden und Roma in Kroatien 1941–1945. Verlag des Hamburger Instituts für Sozialforschung, Hamburg 2013, ISBN 978-3-86854-259-2, S. 356.
- Jan M. Piskorski: Die Verjagten : Flucht und Vertreibung im Europa des 20. Jahrhunderts. Carl Hanser Verlag, München 2010, S. 1917.
- Klaus Buchenau: Orthodoxie und Katholizismus in Jugoslawien 1945–1991 : Ein serbisch-kroatischer Vergleich (= Band 40 der Balkanologische Veröffentlichungen des Osteuropa-Instituts der Freien Universität Berlin). Otto Harrassowitz Verlag, 2004, ISBN 3-447-04847-6, S. 72.