Wwedenskoje-Friedhof
Der Wwedenskoje-Friedhof (russisch Введенское кладбище; wiss. Transliteration: Vvedenskoe kladbišče) befindet sich im alten Moskauer Stadtteil Lefortowo (wiss. Transliteration: Lefortovo). Er wurde Ende des 18. Jahrhunderts angelegt und diente ursprünglich für Bestattungen nichtorthodoxer Stadtbewohner, also vorwiegend Ausländer. Er wird auch als „Vvedensker Friedhof“ und „Deutscher Friedhof“ bezeichnet. Heute finden sich dort auch mehrere Gräber berühmter Persönlichkeiten.
Geschichte
Erste Begräbnisstätten für Andersgläubige existierten in Moskau schon im 17. Jahrhundert. Zu den Personen, die dort bestattet worden waren, gehörten beispielsweise im Zarentum Russland lebende Kaufleute aus dem europäischen Ausland, darunter auch viele Deutsche. Auf den damals weit verbreiteten Kirchhöfen der Stadt konnten sie ihre Verstorbenen nicht beisetzen lassen, da diese Kirchhöfe orthodoxen Christen vorbehalten waren.
Ende des 17. Jahrhunderts entstand in der östlichen Umgebung der Zarenhauptstadt eine speziell für Ausländer erbaute Siedlung, die unter dem Namen Nemezkaja sloboda („Deutsche Vorstadt“; wiss. Transliteration: Nemeckaja sloboda) bekannt war. Dort befand sich seit dieser Zeit und bis zum 19. Jahrhundert das erste lutherische Kirchengebäude Moskaus, an das ein kleiner Gemeindefriedhof angrenzte. Die wohl prominenteste dort beigesetzte Person war der Schweizer Admiral François Le Fort, der in der Vorstadt lebte und nach dem der dort gelegene Stadtteil Lefortowo später benannt wurde. Dieser Kirchhof und somit auch Le Forts Grab sind heute nicht mehr erhalten.
Der heutige Wwedenskoje-Friedhof entstand im Jahre 1771 während einer großen Pest-Epidemie, die in jenem Jahr in Moskau herrschte und insgesamt bis zu 200.000 Stadtbewohner getötet hat. Damals wurden außerhalb der Stadtgrenzen zeitgleich mehrere neue Großfriedhöfe angelegt, um alle Verstorbenen begraben zu können. Auch die in Moskau lebenden Andersgläubigen erhielten nahe ihrer Siedlung einen neuen Friedhof. Dessen heutiger Name leitet sich von den Wwedenski-Höhen ab, einer natürlichen Erhebung in Lefortowo am linken Ufer des Flusses Jausa.
Auch nach dem Rückzug der Pest blieb der Wwedenskoje-Friedhof die Hauptbegräbnisstätte der Moskauer Evangelisten, Lutheraner und Katholiken. Dies dauerte bis zur Oktoberrevolution des Jahres 1917. Danach wurden alle im Land aktiven christlichen Kirchen und andere religiöse Bewegungen von den kommunistischen Machthabern unterdrückt, wobei viele Kirchengebäude zweckentfremdet oder zerstört wurden. Den Friedhöfen wurde ihr konfessioneller Status aberkannt. Folglich wurde auch auf dem Wwedenskoje-Friedhof seitdem unabhängig von der Nationalität oder Religionszugehörigkeit beigesetzt.
Bis heute sind auf dem Wwedenskoje-Friedhof dennoch relativ viele Grabstätten der vorrevolutionären Zeit erhalten geblieben, was das architektonische Erscheinungsbild des Gottesackers von den anderen Moskauer Friedhöfen unterscheidet. Die 1911 erbaute Friedhofskapelle wurde in jüngster Zeit restauriert und wird heute wieder als lutherisches Gotteshaus genutzt.
Gräber prominenter Personen
- Robert Bartini (1897–1974), Flugzeugkonstrukteur
- Wiktor Bolchowitinow (1899–1970), Flugzeugkonstrukteur
- Jean-Baptiste de Chamborant (1740–1809), General, Gouverneur von Zitomir, (stammt aus dem französischen Grafengeschlecht 'de Chamborant')
- John Field (1782–1837), Komponist
- Ilja Frank (1908–1990), Physiker
- Naftali Frenkel (1883–1960), Mit-Organisator des Gulag-Systems
- Iwan Galanin (1899–1958), sowjetisch-russischer Generalleutnant
- Patrick Gordon (1635–1699), Feldmarschall; war ursprünglich an der lutherischen Kirche zu Lefortowo beigesetzt und wurde später auf den Wwedenskoje-Friedhof umgebettet
- Wladimir Gribkow (1902–1960), Schauspieler, Synchronsprecher und Estrada-Sänger[1]
- Friedrich Joseph Haass (1780–1853), Arzt und Philanthrop
- Romuald Iodko (1894–1974), Bildhauer und Hochschullehrer
- Iwan Jefimow (1878–1959), Bildhauer und Hochschullehrer
- Alexander Kasanzew[2] (1906–2002), Schriftsteller und Schachkomponist
- Roman Klein (1858–1924), Architekt
- Nikolai Koroljow (1917–1974), Boxer
- Konstantin Kracht (1868–1919), Bildhauer
- Konstantin Melnikow (1890–1974), Architekt
- Alexander Nadaschkewitsch (1897–1967), Luftfahrtingenieur
- Juri Oserow (1921–2001), Regisseur
- Helmuth von Pannwitz (1898–1947), General
- Sofija Parnok (1885–1933), Dichterin
- Emilia Pawlowskaja (1853–1935), Opern- und Konzertsängerin sowie Gesangslehrerin am Moskauer Bolschoi-Theater.[3]
- Tatjana Peltzer (1904–1992), Schauspielerin
- Waleri Popentschenko (1937–1975), Boxer
- Michail Prischwin (1873–1954), Schriftsteller
- Alberto Sánchez Pérez (1895–1962), Maler und Bildhauer
- Erich Rahr (1875–1934), Kinderarzt
- Iwan Rerberg (1869–1932), Architekt
- Abram Room (1894–1976), Regisseur und Drehbuchautor
- Igor Roschin (1908–2005), Architekt und Hochschullehrer
- Olga Schisnewa (1899–1972), Schauspielerin
- Lidija Seifullina (1889–1954), Schriftstellerin
- Wassili Subow (1900–1963), Philosoph, Kunst-, Mathematik- und Wissenschaftshistoriker
- Alla Tarassowa (1898–1973), Schauspielerin
- Apollinari Wasnezow (1856–1933), Maler
- Wiktor Wasnezow (1848–1926), Maler
- Wladimir Zimmerling (1931–2017), Bildhauer
- Pawel Zybin (1905–1992), Luftfahrtpionier
Literatur
- Jurij Rjabinin: Žizn' moskovskich kladbišč. RIPOL Klassik, Moskau 2006, ISBN 5-7905-4845-8, S. 316–332
- Sebastian Kempgen: Die Kirchen und Klöster Moskaus. Ein landeskundliches Handbuch. Otto Sagner, München 1994, ISBN 3-87690-566-4, (Sagners Slavistische Sammlung 21), S. 579–580.
Einzelnachweise
- Biografie Wladimir Gribkows auf kino-teatr.ru (russisch), abgerufen am 5. Dezember 2019
- Grab Alexander Kasanzews (russisch)
- Hardy R. Berchmann: Aus der Familiengeschichte der Sopranistin Emilie Pawlowskaja geb. Bergmann. In: Tschaikowsky-Gesellschaft (Hrsg.): . Nr. 27, 2020, ISSN 2191-8627, OCLC 225257337, ZDB-ID 1196331-1, S. 16–35 (tschaikowsky-gesellschaft.de [PDF; 1,1 MB; abgerufen am 19. Dezember 2020]).