Wilhelm Molitor
Wilhelm Molitor (eigentlich Georg Wilhelm Molitor, Schriftstellerpseudonyme Benno Bronner und Ulrich Riesler) (* 24. August 1819 in Zweibrücken; † 11. Januar 1880 in Speyer) war ein Verwaltungsbeamter, Schriftsteller bzw. Dichter und Domkapitular in Speyer.
Leben
Jugendzeit und Beamtenlaufbahn
Wilhelm Molitor wurde geboren als Sohn des Appellationsgerichtsrates Joseph Alois Molitor und seiner Frau Aloysia geb. Mayer aus Mainz. Der spätere Oberlandesrichter, Komponist und Heimatkundler Ludwig Alois Molitor (1817–1890) war sein einziger Bruder.[1]
Er ging in Zweibrücken zur Schule, absolvierte das Gymnasium mit der Note vorzüglich und studierte in München und Heidelberg Philosophie und Rechtswissenschaften. Er legte beide juristische Examina ab und trat als Beamter in den bayerischen Staatsdienst ein. Ab 1843 war er bei der Kreisregierung in Speyer tätig. 1846 wurde er Regierungssekretär. Von der revolutionären Regierung der Pfalz wurde er 1849 zur Eidesleistung oder zur Demission aufgefordert. Molitor nahm seinen Abschied und begab sich zu seinem Firmpaten Erzbischof (später Kardinal) Johannes von Geissel in Köln, der ihm zum Theologiestudium in Bonn riet. Drei Semester studierte der Pfälzer dort, danach wieder in München und Heidelberg. Anschließend trat er ins Priesterseminar Speyer ein und wurde am 31. Juli 1851 von Bischof Nikolaus von Weis zum Priester geweiht.
Wirken als Geistlicher
Wilhelm Molitor amtierte zunächst als Kaplan in Schifferstadt. Noch 1851 berief man ihn als Domvikar (Bischofssekretär) und bischöflichen Hauskaplan nach Speyer. Schließlich avancierte er zum Geistlichen Rat und wurde am 11. November 1857 ins Speyerer Domkapitel gewählt. Molitor war die „rechte Hand“ von Bischof Weis und wohnte bis zu dessen Tod 1869 mit ihm zusammen im Bischofshaus. In der Bistumsverwaltung hatte der Domkapitular als Jurist vor allem kirchenrechtliche, aber auch kunstgeschichtliche Fragen zu bearbeiten. Er unterrichtete zudem Kunstgeschichte und geistliche Beredsamkeit am Priesterseminar. In seiner Funktion als bischöflicher Sekretär begleitete Molitor den Speyerer Oberhirten auf seinen Firm-, Visitations- und sonstigen Reisen. Er nahm auch an den Bischofskonferenzen teil und befreundete sich dabei u. a. mit Bischof Wilhelm Emmanuel von Ketteler von Mainz sowie mit dem Münchner Erzbischof und späteren Kurienkardinal Karl August von Reisach, der schließlich die Aufmerksamkeit Papst Pius’ IX. auf ihn lenkte. Dieser zeichnete ihn 1864 mit dem Doktortitel der Theologie aus und berief den Speyerer Domkapitular in den Jahren 1868 und 1869 zu Vorarbeiten für das Vatikanische Konzil nach Rom. An diesem nahm er bis zum vorzeitigen Abbruch infolge des Krieges 1870 teil. Außer in der Seelsorge betätigte sich Molitor nach seiner Rückkehr auch in der Betreuung des katholischen Gesellenvereins Speyer und gründete zudem eine kath. Lesegesellschaft, in der literarische Vorträge gehalten wurden. Seit Ostern 1879 bettlägerig, starb der Priester am 11. Januar 1880 in Speyer und wurde unter großer Feierlichkeit auf dem Domkapitelsfriedhof beigesetzt.
Sonstiges Wirken
Ab 1875 wirkte Molitor zwei Jahre lang für den Bezirk Neustadt an der Saale als Abgeordneter im bayerischen Landtag, schied aber aus, da die Politik nicht sein Metier war. Als Schriftsteller und Heimatdichter entfaltete er eine sehr fruchtbare Tätigkeit. Unter den Pseudonymen Benno Bronner und Ulrich Riesler, aber auch unter seinem richtigen Namen verfasste er zahlreiche heimatgeschichtliche, kirchengeschichtliche, theologische und kunstgeschichtliche Werke, aber auch Dramen, Gedichte und Lieder, u. a. den Heimatroman Die schöne Zweibrückerin und ein Jubiläumsbuch über Papst Pius IX. Anlässlich des 800-jährigen Speyerer Domweihe-Jubiläums 1861, dichtete Molitor das bekannte Marienlied "O Königin voll Herrlichkeit", das in der Diözese sehr verbreitet ist, inzwischen fast den Charakter eines Volksliedes hat und auch in die Speyerer Ausgabe des katholischen Gesangbuches "Gotteslob" aufgenommen ist (Lied Nr. 891). Reges Interesse und große Zustimmung fand bei ihm auch die Ausmalung des Kaiserdomes mit historischen Fresken. Der ausführende Maler Johann Schraudolph verewigte Molitor auf einem Monumentalfresko des nördlichen Querschiffes (1960 abgenommen) König Konrad III. (HRR) nimmt von St. Bernhard von Clairvaux das Kreuzbanner entgegen. König Konrad trägt dort Molitors Gesichtszüge. Schließlich entdeckte Wilhelm Molitor 1860, anlässlich einer Visitationsreise mit seinem Bischof, in der uralten Kirche des nordpfälzischen Boßweiler (bei Grünstadt) hinter dem Hochaltar mehrere mittelalterliche bemalte Holztafeln, die dort als Abfall galten. Er erkannte darin sofort Teile eines äußerst wertvollen Flügelaltars, der wieder zusammengesetzt und restauriert wurde. Er ist unter dem Namen Boßweiler Altar in die Kunstgeschichte eingegangen und gilt heute als eine der bedeutendsten Sehenswürdigkeiten in Speyer. Dem 2006 seliggesprochenen Priester Paul Josef Nardini hielt er bei dessen Beerdigung 1862 die später auch im Druck erschienene Leichenrede.
- Grab Wilhelm Molitors (ursprüngliche Figur fehlt) auf dem Domkapitelsfriedhof Speyer
- Grabinschrift
Werke (Auswahl)
- Die schöne Zweibrückerin. Ritter, Zweibrücken 1844. (Digitalisat)
- Der Jungfernsprung. Dramatische Studie in fünf Aufzügen nach einer Volkssage aus den Vogesen. Blumenauer, Zweibrücken 1845. (Digitalisat)
- Domlieder. Lieder und Romanzen vom Kaiserdom zu Speyer. Wappler, Speyer 1846. (Digitalisat)
- Die Immunität des Domes zu Speyer. Eine rechtsgeschichtliche Monographie. Kirchheim, Mainz 1859. (Digitalisat)
- Emmanuel, ein dramatisches Festgedicht zur achten Säcularfeier der Speyerer Domweihe. Krantzbühler, Speyer 1861. (Digitalisat)
- Das alte Deutsche Handwerk. Dramatisches Gemälde aus der vaterländischen Vorzeit. Kirchheim, Mainz 1864. (Digitalisat)
- Festgedicht auf die Grundsteinlegung zum Fortbau des Kölner Domes. Aus dem Nachlasse des hochseligen Herrn Erzbischofs von Köln Johannes Cardinal von Geissel. Nebst einem Lebensabriß und dem Bilde des Verewigten. Bachem, Köon 1865. (Digitalisat)
- Die Freigelassene Nero's. Ein dramatisches Gedicht. Kirchheim, Mainz 1865. (Digitalisat)
- Julian, der Apostat. Ein dramatisches Gedicht. Kirchheim, Mainz 1865. (Digitalisat)
- Das Theater in seiner Bedeutung und in seiner gegenwärtigen Stellung. Hamacher, Frankfurt am Main 1866. (Digitalisat)
- Die Großmacht der Presse. Pustet, Regensburg und New-York 1866. (Digitalisat)
- Die Organisation der katholischen Tagespresse. Kleeberger, Speyer 1867. (Digitalisat)
- Weihnachtstraum. Ein Festspiel. Kirchheim, Mainz 1867. (Digitalisat)
- Ueber Göthe's Faust. Kirchheim, Mainz 1869. (Digitalisat)
- Rom. Ein Wegweiser durch die ewige Stadt und die römische Campagna. Pustet, Regensburg, New York und Cincinnati 1870. (Digitalisat)
- Maria Magdalena. Kirchheim, Mainz 1873. (Digitalisat)
- Herr von Syllabus. Criminal-Novelle aus dem neunzehnten Jahrhundert. 1873.
- Piusbuch, Papst Pius IX. in seinem Leben und Wirken. Kirchheim, Mainz 1873. (Digitalisat)
- Cardinal Reisach. Wörl, Würzburg 1874. (Digitalisat)
- Brennende Fragen. Kirchheim, Mainz 1874. (Digitalisat)
- Des Kaisers Günstling. Tragödie aus der Zeit der Märtyrer in fünf Akten. Heidelmann, Bonn 1874. (Digitalisat)
- Der Caplan von Friedlingen. Eine didaktische Novelle. Kirchheim, Mainz 1877.
- Dramatische Spiele. Kirchheim, Mainz 1878. (Digitalisat)
- Die Blume von Sicilien. Dramatische Legende in 5 Acten. Kirchheim, Mainz 1880.
Literatur
- Franz Brümmer: Molitor, Wilhelm. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 52, Duncker & Humblot, Leipzig 1906, S. 438–440.
- Joseph Schwind: Dr. Wilhelm Molitor (1819–1880) in seinem Leben und Wirken. Nach einem Vortrage zu seinem 100jährigen Geburtstage. Pfälzer Volksbote, Kaiserslautern 1920.
- Jakob Bisson: Sieben Speyerer Bischöfe und ihre Zeit. 1870 bis 1950. Beiträge zur heimatlichen Kirchengeschichte. Pilger-Verlag, Speyer 1956.
- Viktor Carl: Lexikon Pfälzer Persönlichkeiten. Hennig, Edenkoben 1998.
- Bernhard Adamy: „Ein ganzer Mensch“: Wilhelm Molitor (1819–1880). Jurist – Theologe – Literat, der Dichter der „Domlieder“. In: Herbert Pohl (Hrsg.): Habent sua fata libelli...: Facetten einer Bibliotheksgeschichte. Pilgerverlag, Annweiler 2015, S. 89–122
- Bernhard Adamy: Wilhelm Molitor: Domlieder (= Schriften des Diözesanarchivs Speyer, Band 52). Peregrinus Verlag, Speyer, 4. erweiterte und kommentierte Aufl. 2017.
- Bernhard Adamy: "Aus alter Zeit ein riesiges Gedicht". Der Speyerer Dom. Die Poesie des Domes und die Dom-Poesie. Zu Wilhelm Molitors " Domliedern " und zu Dom-Gedichten anderer Dichter. In: Adamy: Domlieder 4. Aufl., s. o., S. 197–242
- Peter Pistorius: Georg Wilhelm Molitor (1819–1880). Domherr, Dichter und Prälat in Speyer und Rom. In: Ders.: Dein gedenk ich, Josefine. Aufzeichnungen aus dem wahren Leben der Familien Auracher und Molitor. Berlin 2017, ISBN 978-3-86460-696-0, S. 325ff.
- Bernhard Adamy: Zum 200. Geburtstag des Speyerer Domkapitulars Wilhelm Molitor (1819–1880). In: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 71 (2019), S. 371–411.
- Bernhard Adamy: Große Geister auf der Gespensterburg. Wilhelm Molitor und Stift Neuburg. In: Rhein-Neckar-Zeitung 24/25.08.2019
- Bernhard Adamy: Wilhelm Molitor oder die Schöne Seele der streitbaren Kirche. Speyer 2020, ISBN 978-3-946777-00-7
Weblinks
- Herr von Syllabus , eine hintergründige Kriminalgeschichte von Wilhelm Molitor, aktuell neu aufgelegt
- Literatur von und über Wilhelm Molitor im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Wilhelm Molitor in der Parlamentsdatenbank des Hauses der Bayerischen Geschichte in der Bavariathek
- Werke von Wilhelm Molitor im Projekt Gutenberg-DE
Einzelnachweise
- Franz Xaver Remling: Geschichte der Bischöfe zu Speyer, Band 1, S. 27, Mainz, 1852; (Digitalscan)