Wilhelm Jost (Architekt, 1874)
Wilhelm Jost (* 2. November 1874 in Darmstadt; † 6. Juni 1944 in Lohdorf, Kreis Hohensalza, Provinz Posen[1]) war ein deutscher Architekt und Baubeamter.
Leben
Jost studierte Architektur an der Technischen Hochschule Darmstadt. Nach dem mit Auszeichnung bestandenen zweiten Staatsexamen war er als Regierungsbaumeister (Assessor) in der staatlichen Bauverwaltung des Großherzogtums Hessen tätig, zunächst in Gießen und ab 1901 in Friedberg. Von Friedberg aus betreute er auch die umfangreichen Neubauten der großherzoglich hessischen Kurverwaltung in Bad Nauheim, die über die Region hinaus große Beachtung fanden. Ab 1915 setzte Baurat Bruno von Boehmer dort sein Werk fort.
1912 wurde Jost als Kreisbauinspektor nach Worms versetzt. Noch im gleichen Jahr erhielt er aber eine Berufung als Stadtbaurat nach Halle (Saale); dieses Amt übte er bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1939 aus.
Eines seiner bemerkenswertesten Projekte gleich zu Beginn seiner Amtszeit in Halle ist der Entwurf für die Hauptgebäude des in den Jahren 1913 bis 1915 erbauten neuen Gertraudenfriedhofs im Norden der Stadt. Während seiner halleschen Zeit verwirklichte er zahlreiche weitere Bauprojekte, wie das Stadtbad, die Stadtsparkasse, das Solbad Wittekind, den Ratshof, die neben vielen anderen Bauten das Stadtbild bis in die Gegenwart prägen. Bedeutsame stadttechnische Bauten, wie das Kraftwerk in Trotha, Verteiler- und Umformstationen, verdeutlichen ebenso sein Wirken für die Stadt.
Josts architektonische Überzeugungen waren durch die Ablehnung überlieferter Formvorstellungen und der Hinwendung zum Jugendstil und einem durch neuklassizistische Elemente gebändigten Abstraktionshistorismus gekennzeichnet. Insofern reiht er sich in die Reihe der gemäßigten Reformer ein. In den 1920er Jahren erarbeitete er sich einen Zugang zum Neuen Bauen, indem er avantgardistische Mitarbeiter, wie Wolfgang Bornemann (1889–1973), im Stadtbauamt förderte[2].
Jost war seit mindestens 1912 Mitglied im Deutschen Werkbund (DWB). Er starb auf dem landwirtschaftlichen Gut der Familie seiner Tochter in Lohdorf (polnisch Łojewo), Provinz Posen. Sein Grab befindet sich auf dem Gertraudenfriedhof in Halle (Saale).
Bauten
Friedberg / Bad Nauheim
- 1901–1902: staatliches Verwaltungsgebäude (für Hochbauamt und Oberförsterei) in Friedberg
- 1905–1906: Maschinenzentrale und Dampfwaschanstalt des Kurbetriebs (östlich des Bahnhofs) am Goldstein in Bad Nauheim[3]
- 1905–1911: Badekuranlage (genannt „Sprudelhof“) in Bad Nauheim
- dazu gehören die teilweise erhaltenen Kolonnaden, die zerstörten Terrassenanlagen und der Musikpavillon am Kurhaus und die Löwenquelle in Schwalheim.
- 1907–1908: Sanatorium Dr. Grödel in Bad Nauheim[4]
- 1908–1910: Konzertsaal (als Erweiterungsbau des Kursaals) in Bad Nauheim
- 1910–1911: Trinkkuranlage in Bad Nauheim
- 1912: Blindenanstalt mit Schule und Ausbildungsstätten[5]
Halle (Saale)
- 1911: Turnhalle zum Schulkomplex Waisenhausring 13, Am Bauhof 4/5
- 1912–1914: Gebäude des Gertraudenfriedhofs (mit Georg Lindner), Landrain 25
- 1912–1914: Erweiterungsbau des St.-Cyriakus-Hospitals, Glauchaer Straße 68
- 1913–1915: Stadtbad, Schimmelstraße 1–4 (mit Wilhelm Heymann)
- 1914–1916: Gebäude der ehemaligen Kaiser-Wilhelm-und-Kaiserin-Auguste-Viktoria-Stiftung, Beesener Straße 14
- 1914–1915: Gebäude der Sparkasse, Rathausstraße 5/6
- 1914–1915: Lutherschule, Roßbachstraße 78
- 1914–1915: Wohnhaus Große Steinstraße 60a (gehört zum Stadtbad)
- 1916–1917: ehemaliges Emilienheim (Säuglingsheim) der Bethcke-Lehmann-Stiftung, Riveufer 8
- um 1920: Wohn- und Geschäftshaus Magdeburger Straße 9
- um 1920: Wohnhaus Heinrich-Heine-Straße 2
- 1923–1925: Solbad Wittekind
- 1924–1926: Elektrizitätswerk, Brachwitzer Straße
- 1924: Umspannwerk am Hallmarkt, Oleariusstraße 4a
- 1925–1926: Wohnhaus Tiergartenstraße 12
- 1925–1928: Transformatorenstationen: Anhalter Straße 19, Merseburger Straße, Moritzzwinger, Universitätsring
- 1926–1927: Straßenbahndepot, Freiimfelder Straße 74/75
- 1927–1928: Wasserturm Süd mit Schalthaus Turmstraße (heute: Historisches Technikzentrum der Stadtwerke Halle), Lutherplatz (mit Oskar Muy)
- 1928–1929: Erweiterungsbau des Rathauses (genannt „Ratshof“), Marktplatz 1
- 1929: Arbeitsamt, Am Steintor 14/15 (mit Albrecht Langenbach)
- nach 1930: Freibad Gesundbrunnen (abgerissen), Kantstraße
- 1934: NS-Thingstätte Brandberge
- 1937: „Mitteldeutsche Kampfbahn“, späteres Kurt-Wabbel-Stadion, Straße der Republik
- 1938–1939: Kinderheim Adelheidsruh, Schopenhauerstraße 2/4
- 1938–1939: Diesterwegschule II (2. Bauabschnitt), 2019/2020 Umbau zu Wohnungen, Diesterwegstraße 37
Literatur
- Britta Spranger: Jugendstil in Bad Nauheim. Die neuen Bade- und Kuranlagen und ihr Architekt Wilhelm Jost. (= Quellen und Forschungen zur hessischen Geschichte, Band 48.) Darmstadt / Marburg 1983, ISBN 3-88443-136-6.
- Hubertus Adam: Verhaltene Modernität. Wilhelm Jost als Stadtbaurat in Halle. In: Bauwelt, Jahrgang 1998, Heft 25, S. 1440–1443.
- Hiltrud A. M. Hölzinger (Fotos), Christina Uslular-Thiele: Jugendstil in Bad Nauheim. Verlag Langewiesche, Königstein im Taunus 2005, ISBN 3-7845-7100-X.
- Mathias Homagk: „Gebaut habe ich genug.“ Wilhelm Jost als Stadtbaurat in Halle (1912–1939). (= Mitteldeutsche kulturhistorische Hefte, Band 25.) Hasenverlag, Halle (Saale) 2013, ISBN 978-3-939468-77-6.
Weblinks
- Literatur von und über Wilhelm Jost im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Wilhelm Jost und sein Wirken in Halle an der Saale, stadtgeschichtlicher Beitrag im Kulturfalter, im Juni 2012
- Werke von Wilhelm Jost in Halle (Saale)
- Biografien zu den Ehrengräbern der Stadt Halle (Saale).
- Jost, Wilhelm. Hessische Biografie. (Stand: 22. Dezember 2021). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
Einzelnachweise
- Homagk 2013, S. 84 (vgl. Literatur)
- Dieter Dolgner: Zum Geleit. In: Mathias Homagk 2013, S. 8/9 (vgl. Literatur)
- Neue Ideen für die Alte Saline vorgelegt. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 6. Februar 2014, S. 41.
- „Br.“: Dr. Grödels Sanatorium in Bad Nauheim. In: Zentralblatt der Bauverwaltung. 29. Jahrgang 1909, Nr. 31 (vom 17. April 1909) (online), S. 10–12.
- Jugendstil in der Wetterau, abgerufen am 12. Mai 2014.