Wilhelm Brückner (Geigenbauer)
Leben
Nach einer Lehrzeit bei Willi Dölling in Markneukirchen[1] und Gesellenjahren bei Willi Lindörfer in Weimar[2] übernahm Wilhelm Brückner 1960 die Geigenbauerfirma, die bereits 1897 von seinem gleichnamigen Großvater (ebenfalls Wilhelm Brückner) in Erfurt gegründet und von dessen Sohn, Alfred Brückner, weitergeführt worden war. Bevor sich der aus einer traditionsreichen vogtländischen Geigenbauerdynastie entstammende Wilhelm Brückner d. Ä. (1874 bis 1925) 1897 in Erfurt niederließ, hatte dieser bei den Geigenbau-Koryphäen Giuseppe Fiorini und Alfred Stelzner[3] sowie beim exzellenten Bogenbauer Johann Wilhelm Knopf[4] eine Schulung erhalten, auf der auch seine Nachkommen (nunmehr in fünfter Generation) aufbauen konnten.
Wirken
Wilhelm Brückner d. J. erhielt 1956 den Meisterbrief. Sein Meisterstück war eine Bratsche[5]. Der Bratschenbau war dann auch der bestimmende Schwerpunkt seiner weiteren beruflichen Tätigkeit.[6] Er entwickelte sich in den Folgejahren zu einem herausragenden Geigenbauer der DDR und des Ostblocks. Mit seiner „Gloriosa“ gewann er 1972 in Polen die Goldmedaille[7] bei dem nach Henryk Wieniawski benannten renommiertesten und ältesten Geigenbauwettbewerb. Als geschätzter Devisenbringer genoss er in der DDR anschließend etliche Freiheiten. Als erster Geigenbauer überhaupt wurde er 1979 in den Verband Bildender Künstler der DDR aufgenommen,[8] was vor allem auch Reiseerleichterungen in den Westen mit sich brachte. So konnte er sich u. a. 1982 erfolgreich am Internationalen Geigenbauwettbewerb „Antonius Stradivari“ in Cremona und 1983 am „Louis Spohr Geigenbau-Wettbewerb“ in Kassel beteiligen, wo er mit sechs Preisen der erfolgreichste Teilnehmer aus dem Ostblock war.[9] Um die gravierenden Probleme der noch freiberuflich tätigen Geigenbauer in der DDR vorrangig bei der Materialbeschaffung zu lösen, initiierte er 1978 die Gründung der „Fachgruppe der Geigenbaumeister der DDR“ und wurde deren erster Stellv. Vorsitzender. Zusammen mit Alfred Lipka hatte er schon früh begonnen, ein eigenes, im unteren Teil relativ breit gebautes und sonor „schwarz“[10] tönendes Bratschenmodell (die sogenannte „breitarschige Brücknerbratsche“)[11], zu entwickeln, welches dann oft von Kollegen nachgebaut und von zahlreichen international renommierten Solisten erworben wurde. Stardirigent Kurt Masur bekräftigte in einem Brief 2005: Die Instrumente Wilhelm Brückners „waren immer so wertvoll, dass man sie mit alten Italienischen vergleichen konnte.“[12]
Als ältestes noch tätiges Mitglied der im Verband Deutscher Geigenbauer und Bogenmacher zusammengeschlossenen Kolleginnen und Kollegen baut und repariert Wilhelm Brückner immer noch in derselben Werkstatt, wie schon 1920 sein gleichnamiger Großvater[13], nunmehr zusammen mit seiner Tochter, der Geigenbaumeisterin Ruth Brückner (* 1962), die nicht minder erfolgreich[14] das Erbe fortführt. (Stargeiger und Orchesterleiter Andrè Rieu 2005 in einem Brief: „Deine Bratsche ist nach wie vor SUPER! Ich hoffe, eines Tages Solos darauf zu spielen, … Sie klingt wunderschön …“[15].) Die Firma kann weiterhin vom lang abgelagerten Holzvorrat des Großvaters zehren, der sich vor über 100 Jahren mit wertvollem Bergahorn aus Bosnien eingedeckt hatte.[16] Wilhelm Brückners Werkverzeichnis seiner Neubauten von 1960 bis heute umfasst ca. 350 Instrumente, die heute weltweit gespielt werden.
Zu Wilhelm Brückners Kunden gehörten und gehören z. B.[17] (unter Beschränkung auf jene mit eigenem deutschen Wikipedia Eintrag): Hans-Christian Bartel, Hatto Beyerle, Andreas Hartmann, Jörg Hofmann, Oleg Kagan, Jürgen Kussmaul, Alfred Lipka, Eugen Mantu, Tatjana Masurenko, Nils Mönkemeyer, Sophia Reuter, André Rieu, Matthias Sannemüller. Darüber hinaus viele deutsche Professoren und ausländische Solisten, vorrangig aus Europa und Asien.
Preise und Auszeichnungen
Quelle: Menzel, S. 17
- 1970 Anerkannter Kunstschaffender im Handwerk
- 1972 Goldmedaille Internationaler Geigenbauwettbewerb H. Wieniawski in Poznan (Polen)
- 1979 Diplome Internationale Triennale Antonio Stradivari Cremona Italien
- 1981 Goldener Groblicz beim Internationalen Geigenbauwettbewerb H. Wieniawski für die beste künstlerische Gestaltung[18] und Sonderpreis des Verbandes Deutscher Geigenbauer
- 1982 4. Platz Internationale Triennale Antonio Stradivari Cremona Italien
- 1983 Erfolgreichster Teilnehmer aus dem Ostblock mit Silbermedaille und fünf Diplomen beim Internationalen Louis Spohr Wettbewerb Kassel
- 1987 Unterricht im Geigenbau in Schweden, Vortragstätigkeit an der Hochschule für Musik in Stockholm[19]
- Juror bei diversen Geigenbauwettbewerben (u. a. 1996 beim Geigenbauwettbewerb Jacobus Stainer in Freiburg)
- 2002 Ehrenurkunde der Kreishandwerkerschaft Erfurt
- Stellvertretender Obermeister, Berufener Gutachter, Kultursachverständiger im Rat des Bezirks Erfurt[20]
- Goldenes Ehrenzeichen des Handwerks
- Günter Dührkop, Lutz Gode und Jost Heyder schufen jeweils großformatige Porträts von Wilhelm Brückner
Ausstellungen
Quelle: Menzel, S. 17
u. a. in den USA (1978 San Diego, 1997 Austin), Italien (1979 Cremona), Großbritannien (1995 London[21]), Niederlande (1998 Maastricht), Japan (1974 Tokio), Polen (1981 Poznan), Kanada (1981 Toronto), Österreich (1992 Wien, 2019 Salzburg) sowie in diversen deutschen Städten; u. a. Berlin (1988), Hamburg (2009), München (1978 „Exempla“), Erfurt (1986 „Quadriennale des Kunsthandwerks sozialistischer Länder“, 2000 „Landesausstellung der junge Bach“[22]) Dresden (1991), Kronberg[23] (1998), Stuttgart (1991), Kassel („Handwerk“ 1991).
Literatur
- Ulf Annel: Brückner & Brückner in „111 Orte, in und um Erfurt, die man gesehen haben muss“ Band 2, Emons Verlag, 2016, ISBN 978-3-96041-153-6, Seite 42 f.
- Gabriela Denicke: Katalog Violafest 1998 Kronberg i. T. 1998 S. 53
- Anette Elsner: Um die Welt mit Erfurter Bratschen, Thüringer Landeszeitung 19. Januar 2005
- Rainmar Emans (Hrsg.): Große Erfurter Instrumententradition wird von der Familie Brückner fortgeführt, S. 436 im Begleitbuch zur Landesausstellung „Der junge Bach“, Selbstverlag, 2000, ISBN 3-00-006280-7.
- Barbara Ermrich: Fünf auf einen Streich Thüringen Magazin 2020 S. 31
- Rudolf Matthias Frieling: „Instrumentenbau aus erster Hand“, Kulturjournal Mittelthüringen 4/2010 S. 34 ff.
- Nicolas Hansen: Deutschlandfunk Kultur 12. Oktober 2014 Familienunternehmen Made in Germany Die Welt des Handwerks: Der Geigenbauer in Erfurt https://www.deutschlandfunkkultur.de/familienunternehmen-made-in-germany.942.de.html?dram:article_id=298940 (abgerufen am 1. März 2021)
- Jens Hirsch: Wilhelm Brückner – Wie die alten Italiener, TOP Thüringen 4/2012 S. 64 ff.
- Wolfgang Hirsch: Nur Altmeister Stradivari ist unübertrefflich – Ein Besuch in der Erfurter Geigenbauwerkstatt der Familie Brückner, Thüringer Landeszeitung, 4. Februar 2006
- Nobuko Imai: Katalog 1995 International Hindemith Viola Festival Tokyo, London, New York London, 1995 S. 32
- Grit König (dapd) u. a. jeweils am 29. September 2012: Leben voller Geigen Leipziger Volkszeitung, Ein Erfurter baute 333 Bratschen für Musiker auf der ganzen Welt Thüringer Allgemeine, Von zehn Bratschen sind zwei bis drei Spitzenprodukte – Erfurter Geigenbauer Wilhelm Brückner feiert 80. Geburtstag, Neue Musikzeitung (nmz)
- Birgit Kummer: André Rieu spielt erfurtsch, Thüringer Allgemeine 8. Januar 2005
- Wolfgang Leissling: Das Geheimnis des Holzes, Thüringer Allgemeine 22. Dezember 1995
- Ruth Menzel: Fünf Generationen Brückner im Musikinstrumentenbau, Stadt und Geschichte 1/2012 S. 16 f.
- Ursula Mielke: Die Bratsche ist des Meisters Welt, Thüringer Allgemeine 13. Juli 1996
- Judith Müller: Drei Generationen ziehen andere Saiten auf, 60plusminus, Januar 2013 S. 16 f.
- Połczyński, Romuald: Da Capo 75 lat Międzynarodowych Konkursów im. Henryka Wieniawskiego Posen 2011, ISBN 978-83-60746-92-9, S. 214 und 224.
- Stefan Sethe: Ein Pionier des Kunsthandwerks wird 80, BK-Report 12/2012 S. 8
- Stefan Sethe: GEIGENBAU IM SPIEGEL DER ZEITEN: die geigenbauerfamilie brückner erweckt seit fünf generationen holz zum leben, Verlag neobooks, 2013 ISBN 978-3-8476-3410-2 – Als 58-seitige bebilderte „Festschrift“ auch auf der Brückner-Homepage: https://geigenbau-brueckner.de (abgerufen am 8. Juni 2021)
- Sylvia Stasser und Wolfgang Würker: Erfurt in schrägen Tönen Paolo-Film produziert für ZDF 1991 gesendet u. a. auch auf 3Sat am 5. April 1992 http://www.paolo-film.de/erfurt-in-schraegen-toenen.php (abgerufen am 1. März 2021)
- Elena Stepanova: Die Ostfriesen aus Thüringen – Auch in Bayreuth erklingen die Instrumente aus der Erfurter Brückner Werkstatt, Thüringer Allgemeine 5. August 2006 S. 4
- TA (ohne Autor): Die beste bundesdeutsche Bratsche kam aus Erfurt, Thüringer Allgemeine 25. Juli 1997
Weblinks
- Homepage der Geigenbauerfamilie Brückner: https://geigenbau-brueckner.de/ (abgerufen am 8. Juni 2021)
Einzelnachweise
- Menzel, S. 17
- Hirsch, J. S. 66
- Frieling, S. 35
- Menzel, S. 16
- Hirsch S. 66
- Ursula Mielke: Die Bratsche ist des Meisters Welt, Thüringer Allgemeine 13. Juli 1996
- Połczyński S. 214
- Hirsch, J. S. 67; Stefan Sethe: Ein Pionier des Kunsthandwerks wird 80, BK-Report 12/2012 S. 8
- Hirsch, J. S. 67. Mohr S. 44
- Frieling, S. 36
- Müller S. 16, Hirsch, J. S. 67
- Sethe Festschrift S. 5
- Menzel, S. 16
- TA (ohne Autor): Die beste bundesdeutsche Bratsche kam aus Erfurt, Thüringer Allgemeine 25. Juli 1997
- Sethe Festschrift S. 47
- Wolfgang Leissling: Das Geheimnis des Holzes, Thüringer Allgemeine 22. Dezember 1995
- Sethe, Festschrift S. 51
- Połczyński S. 224
- Hirsch, J. S. 67
- Sethe Festschrift S. 36
- Imai S. 32 u. S. 36
- Emans S. 436
- Gabriela Denicke: Katalog Violafest 1998 Kronberg i. T. 1998 S. 53