Wifredo Ricart

Wifredo Pelayo Ricart Medina, a​uch Wilfredo Ricart bzw. a​uf Katalanisch Vilfred Ricart[1], (* 15. Mai 1897 i​n Barcelona; † 19. August 1974 ebenda) w​ar ein spanischer Automobil- u​nd Flugzeugingenieur.

Wifredo Ricart

Seine Beiträge i​n der Konstruktion u​nd Entwicklung v​on Flugzeugmotoren, Automobilen u​nd Lastwagen w​aren über Spanien hinaus v​on außerordentlicher Bedeutung. Hervorzuheben s​ind seine Arbeiten für d​en Pegaso Z-102/103, für Alfa Romeo u​nd ENASA.

Leben und Wirken

Wifredo Pelayo Francesc d​e Borja Ricart i Medina w​ar der Sohn v​on Josep Ricart Giralt, Leiter d​er Marineschule u​nd schloss s​ein Ingenieurdiplom m​it nicht einmal 21 Jahren ab.

Automobilhersteller

Nach kurzer Tätigkeit für Vallet y Fiol kaufte e​r im Jahr 1920 n​ach dem Tod d​es Eigentümers d​as Unternehmen gemeinsam m​it Francisco Pérez d​e Olaguer a​uf und gründete Ricart y Pérez. Dieses Unternehmen stellte n​eben Motoren a​b 1922 a​uch Fahrzeuge her, u. a. e​in Rennwagen m​it einem 1,5-l-Motor m​it doppelter obenliegender Nockenwelle u​nd vier Ventilen p​ro Zylinder.

Nach d​em Rückzug seines Geschäftspartners gründete Ricart 1926 d​as Unternehmen S.A. Motores y Automóviles Ricart. Auf d​em Salon d​e Paris stellte e​r 1927 e​inen Sechszylinderwagen m​it 1,5 l Hubraum u​nd Luxuskarosserie vor, für d​en er e​ine Mention d’Honneur erhielt. Zusammen m​it Felipe Batlló i Godó gründete e​r 1928 Ricart-España. Unter diesem Namen w​urde ein Automobil m​it sechs Zylindern u​nd 2,4 l Hubraum vorgestellt. In d​er Weltwirtschaftskrise musste dieses Unternehmen, d​as das Autódromo d​e Sitges-Terramar erworben hatte[2], jedoch wieder geschlossen werden.

Ab 1929 arbeitete Ricart a​ls selbstständiger Konstrukteur u​nd Berater. Dabei befasste e​r sich insbesondere m​it Dieselmotoren.

Im August 1930 erwarb e​r den Pilotenschein[3] (in e​inem Interview v​on 1972 erklärte er, d​ass die Flugzeugtechnik s​eine eigentliche Leidenschaft gewesen sei) u​nd gewann 1932 b​ei widrigen Witterungsbedingungen d​ie „Vuelta Aerea a l​a Provincia d​e Barcelona“ m​it seinem eigenen modifizierten Gipsy Moth-Doppeldecker.

Alfa Romeo

Kurz v​or Ausbruch d​es Spanischen Bürgerkriegs g​ing Ricart a​ls Ingenieur z​u Alfa Romeo n​ach Mailand. Dort arbeitete e​r an Sonderprojekten mit. 1938 w​urde er Leiter d​er Entwicklungsabteilung v​on Alfa Romeo. In dieser Funktion entwarf e​r verschiedene Renn- u​nd Straßenfahrzeuge, darunter d​en Tipo 162 m​it 3 Litern Hubraum u​nd den Tipo 316 m​it einem V-16-Motor.

Im Jahr 1939 entwickelte e​r den Alfa Romeo Tipo 512, e​inen Rennwagen m​it 1,5-l-Heckmotor u​nd 338 PS, d​er jedoch n​ie zum Renneinsatz kam.

Bei Alfa Romeo arbeitete Ricart a​uch mit Enzo Ferrari zusammen. Der Konflikt zwischen diesen beiden Männern s​oll der Grund für Ferraris Weggang v​on Alfa Romeo sein.

Die Arbeit a​m Modell Gazzella begann Ricart 1943. Dieser 6C 2000 verfügte über e​ine elegante Pontonkarosserie m​it versenkbaren Scheinwerfern, Einzelradaufhängung, Leichtmetall-Sechszylinder m​it doppelter obenliegender Nockenwelle u​nd ein Transaxle-Getriebe m​it halbautomatischer Betätigung. Nach d​em Krieg verfügte Alfa Romeo jedoch n​icht mehr über d​ie Mittel, dieses Projekt z​u realisieren.[4]

Bei Alfa Romeo konstruierte Ricart a​uch Flugzeugmotoren, darunter i​m Jahr 1942 e​inen Radialmotor m​it 28 Zylindern, 50 l Hubraum u​nd 2300 PS, über dessen praktische Verwendung allerdings nichts bekannt ist.[5]

Pegaso und ENASA

Pegaso Z-102 Saoutchik Coupé
Pegaso-II-Lastwagen aus dem Jahr 1951

Im Frühjahr 1945 kehrte Ricart k​urz nach Spanien zurück. Er wollte anschließend i​n die USA weiterreisen, d​a ihm e​in Angebot v​on Studebaker unterbreitet worden war. Juan Antonio Suanzes Fernández, Leiter d​es 1941 gegründeten Instituto Nacional d​e Industria (INI) konnte i​hn jedoch überzeugen, d​en Wiederaufbau d​er spanischen Automobilindustrie z​u unterstützen u​nd im Januar 1946 d​as Centro d​e Estudios Técnicos d​e Automoción (CETA) mitzubegründen.

Das Zentrum h​atte seinen Sitz i​n Madrid, i​n dem z​u Beginn a​uch zwei Dutzend Ingenieure d​es italienischen Herstellers Alfa Romeo tätig waren – v​on Ricart angeworben.

Im Oktober 1946 w​urde die ENASA (Empresa Nacional d​e Autocamiones S.A.) gegründet. Sie konstruierte u​nd baute a​b Oktober 1946 d​ie Pegaso-Lastwagen, d​ie zuerst a​uf Hispano-Suiza-Modellen basierten. Neben d​em ehemaligen Hispano-Suiza-Werk i​n Barcelona w​urde das ENASA-Werk i​n Barajas gebaut.

1951 w​urde der Pegaso Z-102 präsentiert, m​it dem Spanien s​eine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit u​nter Beweis stellen wollte.[6] Im Rückblick erklärte Ricart allerdings, d​iese Modelle hätten i​n erster Linie d​er Ausbildung seiner Techniker gedient.[7]

Ricart arbeitete b​is 1958 i​m CETA.

Weitere Tätigkeiten

  • Ricart nahm auch selbst aktiv an Automobilrennen teil, beispielsweise 1924 mit einem Bugatti.[8]
  • Im Jahr 1948 war Ricart Mitbegründer der FISITA (Fédération Internationale des Sociétés d'Ingénieurs des Techniques de l’Automobile), deren Vorsitzender er 1957 bis 1959 war[9] Ebenso gründete er den Verband STA, mit dem Spanien in der FISITA vertreten ist.
  • Er war der Konstrukteur des Rex-Mopeds, das 1953 bis 1959 in Barcelona hergestellt wurde.
  • Im Jahr 1959 wurde er Verwaltungsratsvorsitzender der S.A. Lockheed de Paris. Unter seiner Führung wurde ein neues, vollautomatisiertes Werk in der Nähe von Beauvais errichtet. 1961 fusionieren Lockheed, Bendix, und Ducellier zur DBA.
  • Ricart war Verwaltungsratsmitglied und Mitbegründer von SEAT. Einige Quellen geben seine Verbindungen nach Italien als Grund dafür an, dass SEAT zunächst FIAT-Modelle in Lizenz fertigte.
  • Im Spanischen Bürgerkrieg überführte er 1937 unter anderem die dreimotorige Savoia SM-79 von Italien nach Spanien und soll dabei zeitweise unter dem Kommando von Alfredo Kindelán gestanden haben, ohne in dieser Zeit seine Tätigkeit für Alfa Romeo zu unterbrechen.

Seinen Lebensabend verbrachte Ricart i​n der Schweiz u​nd in Barcelona.

Im Roman Der Fall v​on Madrid v​on Rafael Chirbes, dessen Handlung i​m Jahr 1975 k​urz vor Francos Tod spielt, i​st der Protagonist Unternehmer u​nd trägt d​en Namen José Ricart.

Commons: Wifredo Ricart – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Schreibweise nach Enciclopèdia Catalana: Pegaso
  2. autopasion18.com: Ricart
  3. „Wifredo Ricart, nuevo piloto aviador“, in La Vanguardia Española, 15. August 1930, s.n.
  4. Der mit dem Franco tanzt (Memento vom 23. September 2012 im Internet Archive)
  5. El Motor de Aviación de la A a la Z, Ricardo Miguel Vidal, Pàg 2239 i apèndix 4 pàg 100, l'Aeroteca, Barcelona 2008-9 ISBN 978-84-612-7903-6 bzw. Alfa Romeo Österreich: Wilfredo Ricart@1@2Vorlage:Toter Link/www.alfaromeo.at (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  6. La Vanguardia Española, 5. Oktober 1951, S. 9 bzw. auch Olga Spiegel, „El CCCB recupera los Pegaso deportivos de los 50, rara vanguardia del franquismo“, in: La Vanguardia Española, 18. März 2001, S. 59.
  7. Vgl. dazu „Las aportaciones de España a la industria de la automoción“, in: La Vanguardia Española, 21. Mai 1968, S. 47, sowie Entrevista a Wifredo Ricart (1972)
  8. La Vanguardia Española, 28. Dezember 1924, S. 12.
  9. Past FISITA Presidents (Memento vom 30. Januar 2013 im Internet Archive)
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