Wangelin (Ganzlin)
Das Dorf Wangelin[1], unweit des Plauer Sees, ist eines der 11 Dörfern der Gemeinde Ganzlin im Landkreis Ludwigslust-Parchim im Osten des Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern.
Entstanden im Mittelalter im Zusammenhang einer Burg Wangelin ist es heute ein im Charakter des im 19. Jahrhundert geprägtes, gut erhaltenen Dorf, mit nach wie vor landwirtschaftlicher Produktion.
Seit den 1990er Jahren ist es zudem Standort von zwei überregional wirkenden Einrichtungen, dem Garten Wangelin[2] und der Europäische Bildungsstätte für Lehmbau[3], gegründet in der Folge der Wende von 1990 auf Initiative des F.A.L., des Vereins zur Förderung ökologisch-ökonomisch angemessener Lebensverhältnisse westlich des Plauer Sees e.V.[4]
Beide Einrichtungen sind Beispiele ökologischer Bauweisen und Lehrkonzepte, die sich erfolgreich im ländlichen Raum entwickelt haben. Im Zuge dieser Entwicklung ist im Ort ein Ensemble neuer Lehmbauten[5] entstanden.
Geschichte[6]
Der Name weist auf 'Ort des Wa^gel' (''slawisch = Holzkohle''). Im Mittelalter (o. J.) bestand nahe dem heutigen Dorf eine ehemalige Burg Wangelin. 1448 Ersterwähnung des Dorfs am Ort einer alten namensgebenden Wüstung. 1633 werden 11 Bauernstellen genannt. 1640 verringert sich die Bevölkerung auf 3 Einwohner. 1645 fällt der Ort erneut wüst. Ab 1647 erfolgt Wiederbesiedlung und Wiederaufbau. 1704 hat Wangelin 71 Einwohner. 1806 - 1812 werdenSoldaten der napoleonischen Armee einquartiert. 1945 sind im Ort Einheiten der Wehrmacht, der SS, und schließlich der Roten Armee.1951 wird Wangelin mit dem benachbarten Gnevsdorf eine Gemeinde. Bis 1960 werden alle Bauern überführt als ' voll genossenschaftliche ' Mitglieder in die LPG '8. März'. 1990 wird die LPG in Einzelbauernstellen und eine Genossenschaft aufgelöst. 1991 ist der Ort Mitbegründer des F.A.L. zusammen mit weiteren umliegenden Gemeinden.1992 erfolgt die Gründung des Lehrgartens Wangeliner Garten. 2014 wird Wangelin Teil der jetzt aus 11 Dörfern bestehenden Gemeinde Ganzlin
Geografie
Das Straßendorf liegt auf der leicht abfallenden, langwelligen Ebene von Schlemmin im Norden und Retzow im Süden. Die Feldflur beginnt am Rand des Schlemminer Waldes und läuft im Süden in die trockengelegte jetzt als Weideland genutzte Fläche des ehemaligen Wangeliner Sees aus, der seit 1992 Naturschutzgebiet ist. Nach Osten hin ist sie modelliert durch die Senke eines Bachs und den Retzower Landrücken mit der dann folgenden Flur um Gnevsdorf. Nach Westen erstreckt sie sich plan bis nach Vietlübbe.
Wangelin liegt an der Lehm und Backsteinstraße[7] die die Orte von Parchim über Lübz bis Plau am See verbindet, u.a das Lehmmuseum in Gnevsdorf[8] und die Ziegelei in Benzin[9][10] und die Wollmanufaktur Uelepuele[11]
Ortsbild[12]
Die in Nord-Süd Richtung ausgerichtete Straße des Straßendorfs ist in landestypischen, traufseitiger Reihung gesäumt von Einzelhäusern, teilweise mit einem markanten Zwerchgiebel, als Zeichen einer gewissen Wohlhabenheit. Der T-förmige Dorfplatz im Süden versammelt in lockerer Anordnung ein Ensemble dieser Haustypen.
Die Dreiseithöfen, an der Ostseite der Straße, lockern die Reihung auf. Sie geben dem Ortsbild mit ihrer tiefen Hoffläche und dem zurück liegenden traufseitigen Haupthaus und ihrem Zwerchgiebel und dem vorgezogenen mittigen Eingang die typischen Merkmale.
Alle Grundstücke haben ost- und westwärts jeweils rückwärtig einen direkten Zugang zu den Wiesen. Teilweise befinden sich hier dann auch bei den kleineren ehemaligen Bauernstellen die Nebengebäude.
Im Ortsteil an der Vietlübber Straße reihen sich nach Westen hin drei weitere charakteristische Dreiseithöfe. Der weit westlich liegende als Wangelin Ausbau.
Durch Umnutzung von Gebäuden im nördlichen Teil der Dorfstraße ist die Europäische Bildungsstätte für Lehmbau entstanden, die Verbindung nach Westen zum Wangeliner Garten hat.
Die Anlage der Gartenanlage stellt eine Ausnahme in der strangartigen Ortsstruktur dar. Der 1992 gegründete Lehr- und Bauerngarten liegt in der hinteren, westlichen Feldflur Richtung Vietlübbe und umfasst zahlreiche Gebäude und Einrichtungen.
Naturgarten , Lehmhäuser und Lehmbau-Ausbildung
Die beiden Einrichtungen, Wangeliner Garten und Europäische Bildungsstätte für Lehmbau sind Projekte des FAL e.V., entstanden in der direkten Folge der Wende von 1990.
Anliegen des FAL war es neben anderen Projekten, neue, arbeitsschaffende, ausbildungs- und touristisch wirksame Einrichtungen mit naturnaher und ökologischer Zielsetzung im ländlichen Raum zu schaffen.
Die beiden Einrichtung haben überregionale bzw.eine europaweit wirksame Ausstrahlung und sind Teil eines breiten Netzwerks.
Wangeliner Garten
Der Lehrgarten[2] zeigt typische Pflanzen und Pflanzengesellschaften des norddeutschen Klimas in der mecklenburgischen und brandenburgischen Kulturlandschaft. Er wird zahlreich frequentiert und von Gruppen angefahren. Er besteht aus 5 thematischen Gartenbereichen.
Der Schau- und Lehrgarten ist das Herz des vielseitigen Geländes, und sein Namensgeber. Er besteht seit 1992 und bietet einen facettenreichen Einblick in die Bedeutung der Pflanzen für den Menschen. Zwischen Obstbäumen und Trickpflanzen werden periodisch Skulpturen[13][14] und Kunstinstallationen ausgestellt.
Der Bauerngarten zeigt neben vielseitigen Zierpflanzen eine Auswahl von Nutzpflanzen, die schon seit hunderten von Jahren von Bauern und in den Klostergärten in unseren Breiten angebaut wurden und werden.
Der Schmetterlingsgarten zeigt, dass insektenfreundliche Gärten ein enormer Beitrag zum Erhalt der heimischen Biodiversität sind. Es werden von verschiedenen Insekten unterschiedliche Lebensstadien und ganz unterschiedliche Futterquellen gezeigt.
Bionik-Abteilung. Phänomene der Natur in der Übertragung auf die Technik werden gezeigt. Ein Beispiel ist die Große Klette (Arctium lappa), die Georges de Mestral 1941 als Vorbild für den Klettverschluss diente.
Trickpflanzen : Vor allem Blütenpflanzen haben im Laufe der Evolution originellste Lösungen entwickelt. U.a. Werden diverse Bestäubungsarten, z. B. der Einfallsreichtum von Aronstab und Springkraut gezeigt.
Aktivitäten : Der Garten veranstaltet Praxisseminare, Bildungsveranstaltungen, Führungen und Kulturveranstaltungen[15].
Naturbauweisen und Lehmarchitektur
An den Lehrgarten schließt sich ein Ensemble von Lehmgebäuden[5] mit verschiedenen gestalterischen und bautechnischen Varianten an, entstanden von 1995 bis 2015. Stroh, Lehm und Schilf sind die Hauptbestandteile der in ökologischen Bauweise entstandenen Bauten. Sie knüpfen in moderner Bauweise an traditionelle Baustoffe an, die im ländlichen Raum naturgemäß vorkommen und immer schon verarbeitet wurden und deren Wissen tradiert wurde und hier heute weiter gegeben wird. Dazu kommen heutige Gestaltungsarten durch farbige Lehm- und Kalkputze, Sgraffiti, Modellierungen mit Lehm und Kalk.
Lehmhaus
Das Lehmhaus[16] initiiert von F.A.L.-Verein[4], Gemeinschaftshaus des Dorfes sowie Hauptgebäude des Gartens, wurde als erstes Haus auf dem Gelände des Wangeliner Gartens 2000/1 im Zuge der Aufbauarbeiten nach der Wende von einer Gemeinschaft[17] aus örtlichen und regionalen Kräften gebaut. Es ist zum einen ein Gebäuderecycling mit einem Anlehngewächshaus aus LPG-Beständen[18] und zum anderen mit der scheunenartigen Gestalt des Hauptgebäudes eine moderne Anknüpfung an ländliche Zweckbauten, erstellt mit einer Mischung aus sorgfältig ausgewählten Naturbaustoffen.
Das Gebäude wurde in ökologischer Architektur und ökologischer Aussengestaltung geplant[16][19] und gebaut, errichtet von einer Lehmbau - Firma der ersten Stunde[20] , künstlerisch ausgestattet mit einem Glas[21]- und Keramikdesign[22]. Die Stampflehmwände aus örtlichem Geschiebelehm, die Wände gedämmt mit Zellulose aus Altpapier, das Gründach belegt mit Trockenrasen aus dem nahegelegenen Naturschutzgebiet, das Glasdach des Anlehngewäschshauses gedeckt mit transparenten Solarzellen[23]. Der skulpturale Lehmofen[24] zeichnet eine Pflanzenspitze nach, angeregt durch die mikroskopischen Pflanzenfotografien von Karl Blossfeldt.
Das Lehmhaus wurde 2012 für seine Stampflehmbauweise mit dem Terra Award[25] ausgezeichnet.
Dies Gebäude hat die prägende Richtung für die später folgenden weiteren Lehmgebäude gegeben.
Gartencafe und Gärtnerinnenhaus
Das Gartencafe[26], unter einem Hogan-Dach ,eine Bauweise der Navajo-Indianer, ist ein Holzrahmenbau. Der Boden spiegelt das Achteck des Dachs. Die Wände aus Strohballen sind außen und innen mit Lehm verputzt, ergänzt durch einen großen Lehmgrundofen. Alle sechs Seiten des aufgeständerten Gärtnerinenhauses sind mit Strohballen gedämmt, je zwei Ballen, schichtweise zwischen dem Ständerwerk und komprimiert. Innen und außen mit Lehm verputzt.
Gästehaus Strohballentonnen und Lehm'kloster'
Fünf gereihte Gewölbe[26][27] aus konisch zugeschnittenen Strohballen sind die Übernachtungsmöglichkeit auf dem Gelände. Sie reihen sich als Perlenkette aneinander und erinnern an südliche Dachformen. Entstanden 2011 in einem internationalen Baustellenkurs. Farbige Lehmputze, Stampflehmböden und wuchtige Betten aus alten Webstühlen runden die extravagante Form ab. Ein von der Dorfstrasse zurück liegende Gebäude, genannt Lehmkloster, ist ein umgestaltes Haus des früheren Dorf-Stellmachers. Die Ruine wurde wieder belebt unter Verwendung und Aufbereitung von Fenster, Türen, Mauerwerk und Dach. An den Außenwänden des Bestands wurden außenseitig in Form gebrachte Strohblocks montiert und lehmverputzt. Der Boden erhielt eine Isolierung aus hohlen Flaschen. Obligatorisch ist der Holzgrundofen. Das Haus ist Übernachtungsstätte der benachbarten Lehmbildungsstätte. Weitere Lehmgebäude sind Badehaus und Sommerküche in Stampfllehmbauweise und 'Steenshaus' in Strohballenbauweise.
Europäische Bildungsstätte für Lehmbau'
Die Bildungseinrichtung[3], eine gemeinnützige GmbH, ist 2001entstanden. Lehrinhalte sind Lehmbau, Arbeiten mit Stroh, Lehm, Kalk und gebrauchten Baumaterialien. Sie versteht sich als ein Zentrum des ökologischen Bauens.
Ausgehend von einer einfachen Sanierung eines alten Fachwerkhauses, hat sich die Europäische Bildungsstätte für Lehmbau seit 2001zu einer Expertin in Sachen ökologisches Bauen und Sanieren mit europäischer Ausstrahlung entwickelt. Sie ist Teil eines Netzwerk von europäischen Partnern mit verschiedenen Bildungsformaten.
Die hier im Rahmen der zahlreichen Bildungsprojekte entwickelte Lernkultur ist Grundlage für die Entwicklung der Kursangebote. Über die Kursangebote soll das Bewusstsein für Nachhaltigkeit im Baubereich und der eigenverantwortliche Umgang mit ökologischen Baustoffen gefördert werden.
Links, Bemerkungen
- Wangelin ist nicht zu verwechseln mit dem weiter nördlich liegenden Orten Kleinwangelin (Amt Goldberg-Mildenitz) und Hohenwangelin (Amt Seenlandschaft Waren)
- Wangeliner Garten. Abgerufen am 19. September 2021 (deutsch).
- Europäische Bildungsstätte für Lehmbau , Wangelin , Dorfstraße 27, 19395 Buchberg, Deutschland. Abgerufen am 19. September 2021.
- FAL e.V. – Verein zur Förderung ökologisch-ökonomisch angemessener Lebensverhältnisse westlich des Plauer Sees e.V. Abgerufen am 19. September 2021.
- Die Lehmhäuser. In: Der Wangelinger Garten. Abgerufen am 19. September 2021 (deutsch).
- Werner Albrecht: 550 Jahre Gnevsdorf - Wangelin S.70.
- Lehm- und Backsteinstraße. In: Internet Archive. 21. September 2021, abgerufen am 21. September 2021.
- Lehmmuseum Gnevsdorf. Abgerufen am 19. September 2021.
- Technisches Denkmal Ziegelei Benzin. 22. Januar 2011, abgerufen am 22. September 2021.
- Historische Ziegelei Benzin. Abgerufen am 19. September 2021.
- Projekte FAL e.V. Abgerufen am 22. September 2021.
- Ortsentwicklung Wangelin , Gutachten . Autoren : Günter zur Nieden, Rainer Kahns.
- Ausstellung 'Familienaufstellung'. Abgerufen am 19. September 2021.
- LUPINALE – Skulpturen im Wangeliner Garten. Abgerufen am 19. September 2021 (deutsch).
- Kunst und Kultur. In: Der Wangelinger Garten. Abgerufen am 19. September 2021 (deutsch).
- Lehmhaus : Entwurf und Bauleitung. Abgerufen am 19. September 2021.
- Bauherr : F.A.L - Verein zur Förderung angemessener Lebensverhältnisse ; Architekt : Günter zur Nieden, BDA ; Außenanlagen : GaLa Architekt Rainer Kahns ;Bauausführung: Fa. Lehmklut, Bauleiter : Kuadad Kahademi, Burkard Rüger, Fa. Regiobau Vietlübbe ; Elektro Wiese Wangelin
- Typengewächshaus - DDR-Fotoarchiv: Trinwillershagen - Gewächshaus Neubau LPG Trinwillershagen in Mecklenburg-Vorpommern. Abgerufen am 19. September 2021.
- Rainer Kahns: Werkstatt Lebensraum. Abgerufen am 19. September 2021.
- Fa. Lehmklut , Kuadad Kahademi: Lehmprodukte für tragende Wände. In: DIE WELT. 9. Juli 2001 (welt.de [abgerufen am 19. September 2021]).
- Hendrik Silbermann: Glasdesign Lehmhaus Wangelin. Abgerufen am 19. September 2021.
- Susanne Koenig: Keramik Lehmhaus Wangelin. Abgerufen am 19. September 2021.
- BauNetz: Transparente PV-Module | Solar | PV-Module | Baunetz_Wissen. Abgerufen am 19. September 2021.
- Projektblatt Wangeliner Garten - Lehmofen. Abgerufen am 19. September 2021.
- The prize. In: TERRA Award. 24. Januar 2015, abgerufen am 19. September 2021 (amerikanisches Englisch).
- Gernot Minke , Architekt
- Gästehaus am Wangeliner Garten, Wohnungen Wangelin. Abgerufen am 19. September 2021.
- SVZ Artikel UN: SVZ Artikel über UN Preisverleihung. Abgerufen am 21. September 2021.