Walter E. Lautenbacher
Walter Ernst Hans Werner Lautenbacher (* 23. Februar 1920 in München; † 10. August 2000 in Leonberg) war einer der bedeutendsten und einflussreichsten Fotodesigner Deutschlands des 20. Jahrhunderts und einer der führenden Modefotografen seiner Zeit.[1] Er ist der Gründer des BFF Berufsverband Freie Fotografen und Filmgestalter und gilt als Begründer des Berufsstands des Fotodesigners.
Walter E. Lautenbacher | |
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Geburtsort | München |
Land | Deutschland |
Geburtsdatum | 23. Februar 1920, München |
Sterbedatum | 10. August 2000, Leonberg |
Ausbildung | Bayerische Staatslehranstalt für Lichtbildwesen, München
(bis 2002: Staatliche Fachakademie für Fotodesign, München) |
Funktionen | Vorstandssprecher des Bund Freischaffender Foto-Designer von 1969 bis 1985
Vorstandsmitglied des Deutschen Designertag e.V. |
Vater | Georg Heinrich Emmerich |
Leben
Kindheit und Ausbildung
Walter E. Lautenbacher, 1920 in München geboren, studierte dort von 1947 bis 1949 an der Bayerischen Staatslehranstalt für Lichtbildwesen (zuletzt: Staatliche Fachakademie für Fotodesign München). Diese Schule war 1900 von seinem leiblichen Vater G. H. Emmerich als Lehr- und Versuchsanstalt für Photographie gegründet worden, dem damals ersten Professor für Lichtbildkunst in Bayern.
Tätigkeit als Fotodesigner
Nach Abschluss seines Studiums fand Lautenbacher eine Anstellung bei Foto Barth in Fellbach bei Stuttgart, wo er als Leiter deren Studios für Werbefotografie praktizierte.
Im Jahre 1954 machte sich Lautenbacher dann mit seinem ersten Studio für Modefotografie in der Stuttgarter Marienstraße selbständig. In den folgenden Jahren entwickelte er sich zu einem der führenden Modefotografen seiner Zeit.
Ab 1959 arbeitete er mit den Moderedaktionen der Zeitschriften Constanze und Petra in Hamburg, mit denen er u. a. auch die Pariser Mode fotografierte. Für diese Zeitschriften entstanden über 250 mehrseitige Modereportagen.
Mit den Redaktionen von La Donna und Annabelle in Italien fotografierte Lautenbacher in Mailand und Florenz die neuesten Kollektionen für Prêt-à-porter. Für die Annabelle in der Schweiz, für die Zeitschriften Freundin, Neue Mode und Für Sie übernahm er viele Modereisen. Zugleich arbeitete er für die Presse- und Werbeabteilungen großer Markenartikler, wie Bleyle, Triumph, Egeria, Comtesse, Hanro Swiss, Bogner, Ergee und Schiesser, um nur die wichtigsten zu nennen.
Seit 1954 praktizierten bei Lautenbacher zwei Dutzend Assistenten. Die Mehrzahl von ihnen sind erfolgreiche Kollegen geworden. Lautenbacher hat auch viele Fotomodelle gefördert und sie in der Öffentlichkeit bekannt gemacht, u. a. Ina Balke, Juliane Biallas, Rita Jaeger,[2] Sylvia Dakis, Beate Schulz, Margie Schmitz (spätere Schmitz-Jürgens), Mirja Larsson (spätere Sachs), Astrid Schiller, Gloria ter Braake, Gabrielle von Canal, Britta Bauer, Evelyn Kühn u. v. a. Alle erschienen auf seinen Titelseiten und in den Serien seiner Modejournale.
In der Bundesrepublik war es stets üblich, alle Kniffe und Pfiffe der Beleuchtung und Gestaltung möglichst »geheim« zu halten. Lautenbacher hatte sich dagegen schon frühzeitig gewehrt. Er hatte immer Lust, durch offene Darlegung seiner Aufnahmetechniken die Konkurrenz zu beleben. Schon in den 50er Jahren zeigte er den interessierten Kollegen als erster sein neu eingerichtetes Studio mit Leuchtröhren, die damals die heißen Scheinwerfer verdrängten. Später holte er sich aus Amerika die ersten Farbpapiere für die Hintergründe, informierte sich auf mehreren Reisen nach New York über die neuesten Elektronenblitze und gab sein Wissen weiter. 1963 zeigte er auf der Photokina zum ersten Mal öffentlich die von ihm eingeführte Methode der „Fettscheibe“, d. h. eines selbst herzustellenden, variablen Weichzeichners für die Mode- und Werbefotografie.
Gründung des BFF und des Berufsstands des Fotodesigners
Im Jahre 1967 veranstaltete Lautenbacher mit seinen Kollegen Franz Lazi und Ludwig Windstoßer die erste Ausstellung ihrer Art mit dem Namen Commercial Photography in Stuttgart im Wilhelmspalais. Das besondere an der Ausstellung war, dass erstmals kommerzielle Fotografie, also z. B. Werbe- und Modefotografie als Kunst dargestellt wurde. Dies war bis dato nur Fotografie vorbehalten, die "um ihrer Selbst willen" entstanden war, also eines kommerziellen Auftrags entbehrte.
Inspiriert durch den Erfolg und das große Echo auf die Ausstellung, beschloss Lautenbacher, beim Finanzgericht zu erstreiten, dass auch kommerzielle Fotografen als Künstler anerkannt werden können. Lautenbacher verlor den Rechtsstreit in erster Instanz, klagte jedoch erneut, so dass der Fall in zweiter Instanz vom Bundesfinanzhof entschieden wurde. Der Bundesfinanzhof folgte Lautenbachers Klage, so dass er die Revision gewann. Dies hatte die steuergesetzliche Folge, dass nicht mehr alle kommerziellen Fotografen zwingend als in der Handwerksrolle eingetragene Handwerker tätig sein mussten und damit der Gewerbesteuer unterlagen. Wenn ihrer Arbeit nachweislich ein bestimmtes künstlerisches Element inhärent ist, können sie nunmehr als Künstler und somit als Freiberufler tätig sein, die von der Gewerbesteuer befreit sind.
Angetrieben durch diesen steuerpolitisch für die Berufsgruppe der kommerziellen Fotografen durchaus brisanten Erfolg, beschloss Lautenbacher einen Berufsverband für professionelle Fotografen zu gründen, um deren Interessen in Zukunft besser zu vertreten. Außerdem bedurfte es einer Institution, die Beurteilen konnte, welche Arbeit den künstlerischen Ansprüchen genügte, um tatsächlich den Status des Künstlers – und damit Freiberuflers – zugesprochen zu bekommen. 1969 kam es zusammen mit den beiden Freunden Lazi und Winstoßer und sechs weiteren Kollegen zur Gründung des Bundes Freischaffender Fotografen (BFF). Dieser Verband versteht sich als offizieller Berufsverband kommerzieller Fotografen mit künstlerischem Anspruch auf höchstem Niveau. Ein Beitritt erfordert das positive Urteil einer mehrköpfigen hochkarätigen Jury. Dies hat zum Ziel, zum einen den elitären Anspruch des Verbands zu sichern und zum anderen, dass eine Aufnahme beim BFF auch für die Finanzämter als Nachweis des erforderlichen „künstlerischen Anspruchs“ ausreichend ist, um sie als Freiberufler zu akzeptieren.[3]
Um den künstlerischen Anspruch des neuen Berufstands zu untermauern, popularisierte Lautenbacher wenig später dafür den Begriff Fotodesigner. Diese Bezeichnung fand schnell Akzeptanz, so dass der BFF in Bund Freischaffender Foto-Designer umbenannt wurde. Heutzutage ist Fotodesigner eine offizielle Berufsbezeichnung und der BFF zu einer weithin anerkannten Standesorganisation angewachsen.
Lautenbacher war von 1969 bis 1985 gewählter Vorstandssprecher des BFF. 1985 beschloss er, nicht erneut für das Amt des Vorstandssprechers zu kandidieren. Im selben Jahr wurde er zum Ehrenvorstand ernannt.
Mit seinem Bestreben, auch hochwertige kommerzielle Auftragsfotografie als Kunst anerkannt wissen zu wollen, führte Lautenbacher gewissermaßen das Werk seines Vaters Georg Heinrich Emmerich fort. Dieser galt als heißer Verfechter des Piktorialismus, einer Stilrichtung, die ihre Blütezeit Ende des 19. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg hatte und die grundsätzlich beweisen wollte, dass Fotografie ein vollwertiges künstlerisches Ausdrucksmittel sein kann und nicht nur eine Technik zur Ablichtung von Motiven. Auch die von Emmerich 1900 gegründete Lehr- und Versuchsanstalt für Photographie setzte sich lange für diese Stilrichtung ein.
Weitere Tätigkeiten
Lautenbacher war Vorstandsmitglied des Deutschen Designertag e.V. sowie Fachjuror im Verband Bildender Künstler[4]. Alle seine Erfahrungen, die er bei der Arbeit für die Moderedaktionen gewonnen hatte, flossen in seine Aufgaben für die Industrie mit ein und umgekehrt. Diese profunden, praxiserprobten Kenntnisse kamen seinen Schülern zugute, die er in seinem Seminar-Studio für Modefotografie unterrichtete. Dieses offiziell genannte Seminar-Studio für Modefotografie Walter E. Lautenbacher (BFF) bestand von 1981 bis zum Jahr 1991 in Leonberg bei Stuttgart. Es wurde in zwei Schwerpunkten unterrichtet:
A) Modefotografie im Studio, wie Kleidermode, Pelzmode, Bademode, Schmuck, Accessoires, Porträt, Make-up, Strumpfmode, Wäschemode sowie mit jeweils spezifischer Lichtsetzung mit der Studio-Blitzlicht-Anlage.
B) Modefotografie on Location, also in Szene setzen bei Tageslicht und an besonderen Orten, arbeiten mit der so genannten Bewegungsunschärfe, Arbeit im Team mit Stylisten und Kamera-Assistenten.
Jeder Kursus war ein Intensivkursus mit maximal 10 Teilnehmern. Es wurden darüber hinaus Gastdozenten befreundeter Fotostudios und Werbeagenturen eingeladen, die über ihre Tätigkeit in Bezug auf die Modefotografie aus ihrer jeweiligen Berufs-Praxis referierten.
Privat
1972/74 erfüllte sich Lautenbacher einen Lebenstraum und baute ein Studiohaus in Leonberg auf dem Engelberg. Das Besondere an diesem dreigeschossigen Gebäude war die Verwebung von Wohnen und Arbeiten mit dem privat genutzten Wohnteil, einem Tageslichtstudio sowie eines Entwicklungslabors für Schwarz-Weiß-Filme. So konnten die privat genutzten Wohnräume mit Hilfe von motorgetriebenen Verdunkelungsrollos hermetisch abgedunkelt und in ein Kunstlicht-Studio verwandelt werden. Das Objekt wurde von dem Architekten Harry G. H. Lie des renommierten Stuttgarter Architekturbüros Bächer-Lie entworfen.[5]
Auf über 220 Auslandsreisen, die er zum größten Teil selbst organisierte, fotografierte Lautenbacher im Dienste der Mode. Viele gute Freundschaften waren ihm von diesen Reisen erhalten geblieben, u. a. mit Eileen und Jerry Ford, Inhaber der seinerzeit weltgrößten Modelagentur Ford Models in New York.
Lautenbacher heiratete zwei Mal. Bis zuletzt war er mit Juliane Biallas verheiratet, die nach ihrer Karriere als Fotomodell selber erfolgreiche Fotografin wurde und heute in Athen lebt und arbeitet. Aus den beiden Ehen hatte Lautenbacher vier Söhne.
Werke
Das Archiv Walter E. Lautenbacher umfasst mehr als 7000 Fotos. Einige seiner Bilder sind als Vintage Prints im Museum für Kunst und Kulturgeschichte Dortmund zu sehen sowie in den Sammlungen WANING und SCHUPMANN. Ein wesentlicher Teil des Archives befindet sich in London und wird von einem seiner dort lebenden Söhne verwaltet.
Veröffentlichungen
- 1994 Inszenierte Modefotografie 1953–1983 und wie sie entstand. Eine Chronologie., ISBN 3-89322-677-X, ausgezeichnet mit dem Kodak Fotobuch Preis '94
- 1997 Goldene Jahre, Ewiger Wandkalender mit 12 Fotos
- 2000 Mode, Models und ihr Fotograf, ISBN 3-933989-06-X, Lautenbacher erzählt in From von 25 Kurzgeschichten über Erlebnisse während einiger seiner Modefoto-Expeditionen in den Jahren 1958–1975
Preise, Auszeichnungen und Ehrungen
- 1949 Erster Platz im Wettbewerb der Bayerischen Staatslehranstalt für Lichtbildwesen mit dem Foto: Tod der Kerze
- 1967 Goldene Plakette für hervorragende Leistung, Fotoausstellung Europäische Fotografen '67 des VDAV (heute DVF) in Berlin
- 1976 Bronzenes Objektiv, Nikon Photo Contest International 1976, Japan
- 1985 Ernennung zum Ehrenvorstand des BFF
- 1989 George Eastman-Medaille in Gold für besondere Verdienste um die Fotografie
- 1994 Kodak Fotobuch Preis '94 für das Buch Inszenierte Modefotografie 1953–1983 und wie sie entstand. Eine Chronologie.
- 1994 Der BFF veröffentlicht eine Cinderella-Briefmarke (siehe Abbildung) zum 25-jährigen Bestehen des Berufsverbands. Die Marke zeigt die Konterfeis von Walter E. Lautenbacher, Franz Lazi und Ludwig Windstoßer, die 1969 den Gründungsvorstand bildeten
- 1995 Bronze in der Kategorie Stillife, Kodak Panther-Contest
- Die Galerie der Stadt Pforzheim präsentiert die "BFF-Ehrenmitglieder-Galerie"
Siehe auch
Literatur
- Rita Jaeger: Fräuleinwunder, Topmodel, Agenturchefin –- ein Leben auf Hochglanz. hansanord Verlag, Feldafing 2008, ISBN 978-3-940873-00-2
- Photomodelle – Schnurre, schnurre. In: Der Spiegel. Nr. 41, 1974, S. 97 (online).
In den Medien
- 1991 Dokumentarfilm Stuttgart – Bilder einer liebenswerten Stadt: Gastauftritt
- 23. Februar 2000 Artikel: Stuttgarter Zeitung – Mit Sinn für Chic und klarem Interesse
- 23. Februar 2000 Artikel: Stuttgarter Nachrichten – Mode an schönen Frauen in Szene gesetzt
- 1. Oktober 2000 TV-Reportage: SWR Kultur Café – Ein Leben für die Mode – Porträt des Stuttgarter Fotografen Walter E. Lautenbacher
Weblinks
- Literatur von und über Walter E. Lautenbacher im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Bund Freischaffender Foto-Designer
- Schupmann Collection – Fotos von Walter E. Lautenbacher
- Walter E. Lautenbacher in der Internet Movie Database (englisch)
- Deutscher Designtag
Einzelnachweise
- Johannes Christoph Moderegger: Modefotografie in Deutschland 1929–1955. 2000, S. 107, 130.
- Rita Jaeger: Fräuleinwunder, Topmodel, Agenturchefin – ein Leben auf Hochglanz. hansanord Verlag, Feldafing 2008, ISBN 978-3-940873-00-2
- Walter E. Lautenbacher: Rückblick. In: Zeit Blicke – 30 Jahre Fotografie in Deutschland, 30 Jahre BFF Bund Freischaffenender Foto-Designer. Hatje Cantz Verlag, Ostfildern 1999, S. 15–17
- Walter E. Lautenbacher – Momente des Sehens. In: Zoom – Magazin für Foto und Film, 12/1979, S. 58.
- Porträt von Harry G. H. Lie. (Memento des Originals vom 29. Februar 2016 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. In: Stuttgarter Zeitung