Wallfahrtskirche Maria Einsiedel (Gernsheim)
Die Wallfahrtskirche Maria Einsiedel bei Gernsheim ist eine gotische Kirche mit zwei Marien-Gnadenbildern und ein Wallfahrtsort des Bistums Mainz.
Lage
Das Gotteshaus befindet sich südöstlich von Gernsheim, im dortigen Ried- bzw. Waldgelände.
Geschichte
Die erste urkundlich fassbare Erwähnung der Wallfahrtsstätte ist ein Ablassbreve von 1493, ausgestellt in Rom und unterschrieben von 16 Kardinälen, darunter die späteren Päpste Julius II. und Leo X. In dieser Urkunde wird die „Kapelle Maria Ansidl bei Jernesem“ als baufällig bezeichnet und die Wallfahrer erhalten für Spenden zu ihrer Wiederherstellung einen Ablass von 100 Tagen. 1493 haben daher Kapelle und Wallfahrt schon existiert und hatten offenbar bereits ein höheres Alter, da die Kirche baufällig und Ziel von Wallfahrern war. Das in der Kapelle noch vorhandene, ursprüngliche Gnadenbild, eine Holz-Pietà, wird kunstgeschichtlich in die Zeit um 1400 datiert, was die Angaben des Breve zu bestätigen scheint. Der Legende nach sei die Figur in einem Holunderstrauch aufgefunden und von Gläubigen mehrfach in die Pfarrkirche Gernsheim verbracht worden, jedoch immer wieder auf unerklärliche Weise an ihren ursprünglichen Fundort zurückgekehrt, sodass man dort für sie eine Kapelle errichtete. Bis 1650 stand diese Pietà im Mittelpunkt des Wallfahrtsgeschehens.
Am 2. Juli 1650 wurde eine Mondsichelmadonna als weiteres Gnadenbild in die Kirche verbracht, die allmählich die Rolle des Hauptgnadenbildes übernahm und heute zentral im Chor aufgestellt ist. Die ursprüngliche Marienfigur sitzt inzwischen links vom Chor in einer Nische der Ostwand des Kirchenschiffes. Die Herkunft des zweiten Gnadenbildes geht in die Zeit des Dreißigjährigen Krieges zurück. Laut urkundlich festgehaltenen Berichten habe ein Hauptmann Karl von Lichtenfeld in Böhmen ein Dorf namens Nordhofen niederbrennen müssen. Seine Soldaten hätten später aus der glühenden Asche die besagte, hölzerne Marienfigur herausgezogen, die völlig unversehrt war. Der Hauptmann bewahrte sie, obwohl er selbst Lutheraner war, in Ehrfurcht auf und brachte sie mit in die Rheingegend. Hier lag er bei Freiherrn Adolph von Behren in Seeheim im Quartier und erfuhr dort eine freundliche Aufnahme. Zum Dank schenkte er dem Hausherrn und seiner Gattin das aus Böhmen mitgebrachte Marienbild. Nach dem Tod ihres Mannes nahm die Witwe, Margarethe Sophie von Behren geb. von Frankenstein, die Figur mit sich nach Zwingenberg. Als sie von dort vor den Schweden nach Gernsheim flüchten musste, versenkte sie sie in einem Brunnen. Bei einer schweren Erkrankung gelobte sie, das Marienbild bergen zu lassen und in die Gernsheimer Wallfahrtskapelle zu bringen. Obwohl die Figur drei Jahre im Wasser gelegen hatte, sei sie unbeschädigt gewesen und kam 1625 nach Gernsheim, wo sie zunächst in der Pfarrkirche aufgestellt wurde. Am Fest Mariä Heimsuchung (2. Juli) des Jahres 1650 verbrachte man die Mondsichelmadonna in die Wallfahrtskirche; dieser Tag wird dort bis heute als Hauptwallfahrtstag begangen.
Die Wallfahrtskirche stammt aus der Zeit um 1500, im 19. Jahrhundert baute man westlich einen Vorbau auf 4 Säulen und nördlich eine Sakristei an. Bereits im 18. Jahrhundert sollte zur Betreuung der Wallfahrtsstätte ein Kapuzinerkloster entstehen, wozu es aber erst 1929 kam. Wegen mangelndem Nachwuchs ging der Konvent 1966 wieder ein; das ehemalige Klostergebäude im Stil des Expressionismus steht nördlich der Kirche.
Baubestand
Die Kirche ist geostet und besitzt als ältesten Teil einen gotischen Chor mit Fünfachtelschluss und Kreuzrippengewölbe. Außen weist er Strebepfeiler mit Schräggiebeln auf und hat drei spitzbogige Fenster mit Maßwerk. Westlich schließt sich das nur wenig jüngere, gotische Langhaus an, das ebenfalls zwei Spitzbogenfenster mit Maßwerk und einen Dachreiter aufweist. In der Westfront sitzt der Haupteingang mit einer Marienfigur im Tympanon. Seit 1871 existiert dort ein Vorbau auf vier Säulen, 1875 baute man an die Nordwand der Kirche eine Sakristei an.
Im Innern steht das zweite (neuere) Gnadenbild zentral im Chor, auf einer Säule hinter dem Zelebrationsaltar. Die ursprüngliche gotische Pieta ist in einer Wandnische links des Chores platziert. Rechts vom Chor befindet sich der Sakramentsaltar mit Tabernakel und einem großen Kruzifix darüber. An der hinteren Westwand sind zahlreiche Votivtafeln als Dank für Gebetserhörungen angebracht. In der hinteren Nordwand sitzt das Epitaph des hier bestatteten kurkölnischen Geheimrats Jakob Joseph von Stefne († 1753), Berater des Kölner Erzbischofs Clemens August von Bayern und dessen Resident in der Kurpfalz. Er war der Erbauer von Schloss Kleinniedesheim bei Worms.
Galerie
- Chor von Osten
- Hauptportal
- Epitaph des Jakob Joseph von Stefne († 1753)
- Tabernakel mit Kruzifix
- Votivtafeln in der Kirche
- Gedenkstätte für die verstorbenen Seelsorger
- Wegkreuz von 1737, im Außenbereich
- Ehemaliges Klostergebäude
Literatur
- Konrad Dahl: Historisch-topographisch-statistische Beschreibung der Stadt und des Amtes Gernsheim im groszherzoglich-hessischen Fürstenthume Starkenburg, mit Urkunden. Darmstadt 1807, S. 65–68; (Digitalscan).
- K. A. Straub: Auf ewig grüner Au. Verlag Norbert Wohlgemuth, Mannheim, 1947, S. 18–24.
Weblinks
- Webseite der Pfarrei Gernsheim zur Wallfahrt
- Weitere Webseite zur Wallfahrtskirche
- Wallfahrtskirche Maria Einsiedel im Onlineportal für Groß-Gerau und Rhein-Main