Walisische Literatur
Walisische Literatur ist die Literatur von Autoren aus Wales. Zu unterscheiden ist die walisische Literatur in walisischer (auch: kymrischer) Sprache von der walisischen Literatur in englischer Sprache (auch: anglo-walisische Literatur). Die alte keltische literarische Tradition der Lied- und Odendichtung ist in walisischer Sprache bis heute lebendig geblieben und wird auch von Amateurdichtern gepflegt. Das seit 1861 jährlich abgehaltene nationale Eisteddfod (Eisteddfod Genedlaethol Cymru) ist das größte Amateurkunstfestival in Europa, bei dem Dicht- und Vortragskunst immer noch eine große Bedeutung haben. Der Schwerpunkt der sich seit dem 19. Jahrhundert entwickelnden englischsprachigen Dichtung liegt jedoch im Bereich der Erzählung und des Romans.
Anfänge in nachrömischer Zeit
Die Dichter und Sänger der Kelten waren kastenmäßig organisiert. Die Druiden als priesterliche Träger mündlich überlieferten Wissens wurden schon in römischer Zeit verfolgt und verloren ihre Bedeutung. Die Barden überlieferten die Erinnerung an die großen Geschlechter; sie wurden von Fürsten protegiert. Weniger geachtet waren die fahrenden Geschichtenerzähler.
Die ältesten Zeugnisse walisischer (altkymrischer) Literatur – es handelt sich um Preisgedichte oder heroische Oden (awdlau) für lokale Kleinkönige wie für Cynan Garwyn, König von Powys, und seinen Sohne Selyf, die gegen die Angelsachsen kämpften – stammen aus dem späten 6. Jahrhundert, sind aber nur in korrumpierter Form überliefert. Zu den namentlich bekannten Barden dieser Zeit zählen Taliesin und Aneirin. Ihre Biographien sind von Legenden umrankt. Taliesin stammt angeblich aus der Bretagne – die bretonische Sprache der britischen (bretonischen) Auswanderer nach Gallien hatte sich etwa im 6. Jahrhundert vom Walisischen getrennt. Beide Sänger sollen auch in Nordengland und Südschottland gewirkt haben, wo sie Oden in kumbrischer Sprache – es handelte sich möglicherweise um einen walisischen Dialekt – für König Urien geschrieben haben sollen. Aneirin wird auch das Gedicht Y Gododdin über einen Feldzug des nördlichen Königreichs Gododdin gegen die Sachsen zugeschrieben. Noch undeutlicher bleibt die Figur des Prinzen Llywarch Hen (um 600), der zu den großen walisischen Barden gezählt wird, obwohl unklar ist, ob er die ihm zugeschriebenen Gedichte wirklich verfasst hat. Sein Leben wird in dem etwa vom 9.–12. Jahrhundert entstandenen heroischen Gedichtzyklus Canu Llywarch Hen verewigt, der möglicherweise auf älteren Sagatexten beruht.[1] Gänzlich sagenhaft ist die Figur des Myrddin, der später mit dem Zauberer Merlin identifiziert wurde.
Die früh christianisierten Waliser gerieten in einen scharfen Gegensatz durch die Zuwanderung der heidnischen Angelsachsen seit dem 6. Jahrhundert. In dieser Situation trugen vor allem religiöse Führer wie der heilige David von Menevia zur Festigung einer walisischen Identität bei. Seit Ende des 8. Jahrhunderts schrumpfte der keltische Sprachraum unter dem Druck der Angelsachsen; die Verbindung zwischen den keltischen Dialekten im Norden Englands und in Cornwall einerseits und dem walisischen Sprachgebiet andererseits riss ab.
Mittelwalisische Literatur: Die Blütezeit der Hofdichtung 1150–1350
Mit der Entstehung eines normannischen Großreichs 1066 wurde dessen Einfluss auch in den bisher keltisch dominierten Teilen der britischen Inseln rasch deutlich; er führte zur Entwicklung einer verschriftlichten Literatur in mittelwalisischer (mittelkymrischer) Sprache. Aus dieser Zeit wurden die ersten Prosatexte (so im Llyfr Gwyn Rhydderch aus dem 14. Jahrhundert) überliefert; auch die Lieder aus früherer Zeit sind nur in Manuskripten in mittelwalisischer Form erhalten. Nach 1066 konnte man zunächst kaum zwischen der britischen (bretonischen) und den walisischen Quellen unterscheiden. Geoffrey of Monmouth (lat.: Galfridus Monemutensis, walisisch: Gruffudd ap Arthur, Sieffre o Fynwy, ca. 1095/1100–ca. 1154) verfasste angeblich unter Nutzung dieser Quellen vom Festland und von den britischen Inseln die Historia Regnum Britanniae in lateinischer Sprache, die die Artussage (walisisch: Artur) enthielt.[2] Seither versuchten fast alle walisischen Dichter bei Behandlung historischer und heroischer Stoffe an den Sagenkreis um König Artus anzuschließen. Das Mabinogion ist eine Sammlung von älteren Prosaerzählungen, die im 12. und 13. Jahrhundert verschriftlicht wurden. Die Manuskripte umfassen mehrere Themenkomplexe, die z. T. aus dem Sagenkreis um den König stammen und erst im 19. Jahrhundert in englischer und moderner walisischer Übersetzung gedruckt wurden. Das Llyfr Du Caerfyrddin ist eine Sammlung von Gedichten, Preisgesängen und Erzählungen, die im 13. Jahrhundert gesammelt wurden.
Sowohl die Zunft der Barden als auch die der Geschichtenerzähler (cyfarwyddiaid, sing.: cyfarwydd) waren professionell organisiert und arbeiteten nach festen Regeln, die sowohl eine neunjährige Lehrzeit als auch die Bezahlung festlegten. Die Lob- und Klagelieder wurden mit Instrumentalbegleitung vorgetragen. Zu den großen Dichtern (obgleich er selbst kein Barde war) zählt der von französischen Troubadours beeinflusste Dafydd ap Gwilym. Mit ihm zog ein neuer Ton in die Sprache ein. Er vermied Archaismen und widmete sich neuen Themen, vor allem der Liebeslyrik. Viele seiner Gedichte sind in dem um 1450 zusammengestellten Sammelwerk Llyfr Gwyn Hergest überliefert. Auch andere Barden wie Iolo Goch folgten dem neuen Stil, der jedoch bald einem strengen Regelwerk wich.
Die Reimkunst beruhte spätestens seit dem 14. Jahrhundert auf einem in der Folge immer umfassenderen und strengeren Regelwerk, das eine komplexe Klangharmonie von Betonung, Alliteration und Binnenreim (Cynghanedd) sicherstellen sollte. So galt z. B. die Regel, dass alle Konsonanten um den betonten Vokal in der ersten Vershälfte nach der Zäsur in derselben Reihenfolge wiederholt werden mussten (Konsonanz). Eine andere Metrik war das von afydd af Gwilym popularisierte cywidd, wobei jeder Vers sieben Silben enthält und im Endreim unbetonte und betonte Silben reimen müssen. Das englyn ist eine ältere, wohl auf das 9. Jahrhundert zurückgehende epigrammatische Strophenform mit drei oder vier Versen und insgesamt 30 Silben, die wegen ihrer extremen Komprimiertheit entfernt an Haikus erinnert. Sie existiert in acht verschiedenen Formen, wobei die Regeln des Cynghanedd und Cywidd teils miteinander kombiniert werden.
Der Klangwert erhielt stets Vorrang vor dem Inhalt der Gedichte, die dadurch oft schwer verständlich waren, zumal sie trotz aller Sinnen- und Farbenfreude das Realistische meist nur andeuten und das Natürliche und Übernatürliche miteinander vermengen. Hinzu kommen eine Vorliebe für das Ornamentale sowie phantastisch-parodistische Übertreibungen.[3]
Mit dem Niedergang ihrer lokalen Patrone im 14. Jahrhundert banden sich die Barden stärker an den englischsprachigen Adel. Das führte zum Verlust an Traditionen, zur Vereinfachung der komplizierten Regeldichtung und trug zur – wenngleich sehr langsamen – Verbreitung des Englischen bei. Mit dem Protestantismus kam unter Heinrich VIII. in den 1530er Jahren das Ende der Klöster, wodurch die Barden ihre letzten Unterstützer verloren. Auch der anglisierte Adel der Tudorzeit war nicht länger bereit, deren konservative Zunft zu unterstützen oder wanderte nach England aus. Daraufhin brach die Bardenzunft im 17. Jahrhundert vollständig zusammen.
Anfänge der anglowalisischen Literatur seit 1500
Die frühesten Zeugnisse einer anglowalisischen Literatur stammen aus dem 15., allenfalls aus dem späten 14. Jahrhundert. Der Barde Ieuan ap Hywel Swrdwal († um 1480?) gilt als erster walisischer Urheber von Gedichten in englischer Sprache, wobei er die walisische Reimform und Orthographie benutzte.
Im 17. Jahrhundert ging die anglowalisische Literatur eine enge Verbindung mit dem Protestantismus ein. Aber auch die Gegenreformation nach 1650 hinterließ ihre Spuren. Als deren Vertreter verfasste Henry Vaughan – beeinflusst von dem anglikanischen Geistlichen und Dichter George Herbert – emotional intensive religiöse Gedichte in englischer Sprache. Sie sind von einem entkörperlichten Verständnis der Liebe zu Gott und zur Frau gekennzeichnet. Mit den Werken dieser Metaphysiker Herberts und Vaughans begann die walisische auf die englische Literatur einzuwirken. Es dauerte jedoch bis ins 19. Jahrhundert, ehe sich eine walisische Roman- und Erzähltradition in englischer Sprache etablieren konnte.
Der Beginn der modernen walisischen Prosa
Mitte des 16. Jahrhunderts war Wales vollständig in das englische Herrschaftssystem integriert. Die Reimkunst überlebte zwar im Munde profaner Laienpoeten und die Regeln des Cynghanedd blieben teilweise bis heute in Gebrauch, doch in walisischer Sprache wurden in den nächsten 100 Jahren fast nur noch protestantische religiöse Schriften verfasst und gedruckt.
Sir John Prise (auch Price), ein Parlamentarier und königlicher Klosteraufseher, der die Integration des Landes in das englische Königreich vorantrieb, ließ 1546 das erste Buch in walisischer Sprache drucken. 1567 übersetzte William Salesbury, einer der wichtigsten walisischen Scholaren der Renaissance, das Neue Testament aus dem Griechischen. 1588 erschien die erste walisische Bibelübersetzung von William Morgan, die auch Salesburys Neues Testament enthielt. Diese Übersetzung leistete durch ihre Verbreitung einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der modernen walisischen Prosasprache. 1621 wurde das Llyfr y Psalmau, das erste walisische Psalmenbuch mit Noten von Edmwnd Prys gedruckt.
Die romantische Erneuerungsbewegung
Aufklärung und zunehmende Bildung führten dazu, dass der Wunsch nach einer Wiederbelebung der walisischen Sprachtradition stärker wurde. Der Prediger William Williams Pantycelyn (1717–1791) gilt als Begründer der walisische Romantikbewegung des 18. Jahrhunderts und als einer der größten walisischen Dichter und bedeutender Prosaist. Er gehörte der Bewegung der Nonconformists an, die sich von der anglikanischen Amtskirche getrennt hatten. Seine religiösen Lieder, Hymnen und Predigten sind überwiegend in walisischer Sprache verfasst; einige Lieder wurden auch als englischsprachige Kirchenlieder adaptiert. Bemerkenswert ist, wie viele protestantische Frauen sich literarisch betätigten, obwohl nur wenige ihrer Werke erhalten sind. So war die Methodistische Erweckung in Wales eine calvinistische Bewegung, die in den 1730er Jahren entstand und einen eigenen rhetorischen Stil der Kanzelrede entwickelte. Sie bestand aus vielen lokalen Gruppen, in denen auch Frauen mitwirkten. Ann Griffith (1776–1805), die der Erweckungsbewegung im Alter von 20 Jahren beitrat, verfasste zahlreiche Lieder und majestätische Hymnen; sie wurde im 19. Jahrhundert als nationale Ikone verehrt. 2003 wurde ihr zu Ehren auf dem National Eisteddfod das Musical Ann! aufgeführt und für das Fernsehen aufgezeichnet.
Mitte des 18. Jahrhunderts setzte auch ein erneutes Interesse an der komplexen Reimkunst ein. Die Welsh literary renaissance war nicht mit der religiösen Bewegung verbunden und diente auch nicht mehr der Heldenverehrung. Einer ihrer Protagonisten, der Geistliche Goronwy Owen (Goronwy Ddu o Fôn, 1723–1769) aus Anglesey, belebte die alten Reimformen des siebensilbigen cywydd und des awdl, des Langgedichts mit im Extremfall einigen 1000 Zeilen und einem einzigen Endreim. Er gilt damit als Begründer der neoklassischen Schule der walisischen Literatur.
Im 18. Jahrhundert entstand eine neo-druidische Bewegung, die ursprünglich mit aufklärerischem und Freimaurer-Gedankengut verbunden war. Jedoch führte die europaweite Keltenbegeisterung auch zu Fälschungen. Viele mittelwalisische Texte wurden von dem Dichter, Sammler und Antiquar Iolo Morganwg (1747–1826) in verfälschter Form überliefert oder teils frei erfunden. Diese Legenden wirkten stark auf die keltenbegeisterten englischen Literaten.
19. Jahrhundert
Seit 1830 setzten die konfliktreiche Industrialisierung des walisischen Südens ein. In den südwalisischen Tälern begann der Kohlebergbau; im Tal von Rhondda wuchs die Einwohnerzahl von weniger als 1000 im Jahr 1851 auf über 150.000 im Jahr 1911. Ein Merkmal dieses Prozesses war das Wachstum endloser Arbeitersiedlungen in den Tälern, ohne dass sich bedeutende städtische Zentren entwickelten (Peri-Urbanisierung). Hohe Geburtenraten und Tuberkulose prägten das Leben vieler Familien und begünstigten Fatalismus, religiöse Inbrunst, aber auch den Aufstand gegen lokale Autoritäten. In Monmouthshire kam es 1839 zum größten bewaffneten Aufstand auf der britischen Hauptinsel, dem Newport Rising der Chartisten, die die Zulassung von Gewerkschaften und das allgemeine Wahlrecht forderten.
Zuwanderer aus England erlernten in diesem rurbanisierten Milieu zunächst rasch die walisische Sprache und integrierten sich in die Gemeinden, was zu einem Anwachsen der Buch- und Zeitschriftenproduktion und zur Schaffung neuer Gedichte, Balladen oder Predigten in walisischer Sprache führte. Zu den Förderern der Walisischen Renaissance gehörten die Brüder Lewis, Richard und William (ca. 1816–1886) Morris sowie dessen Sohn Rupert Hugh Morris, die sich als Sammler und Herausgeber der mittelalterlichen Texte betätigten und versuchten, die alten Versformen wiederzubeleben. Auch die zugewanderte Industriellengattin Lady Charlotte Guest (1812–1895) ließ neben frühen Zeugnissen der englischen Literatur walisische Texte mit englischer Übersetzung drucken. Es dauerte jedoch bis 1885, bis der erste bedeutende Roman in walisischer Sprache, Rhys Lewis von Daniel Owen (1836–1895), gedruckt wurde. Er beschreibt mit Humor und starken Dialogen den schwierigen Aufstieg eines jungen Mannes aus einem strengen calvinistischen Milieu zum methodistischen Geistlichen, der jedoch früh an Tuberkulose stirbt. Owens zweiter Roman, die Sozialsatire Enoc Huws, erschien 1895. Darin schildert er die Geschichte eines Trickbetrügers im Milieu von Bergbauspekulanten, naiven Ladenbesitzern und calvinistischen Kirchenleuten. Seit Ende des 19. Jahrhunderts nahm der Druck auf die Zuwanderer, Walisisch zu lernen, jedoch ab, und die in vielen Regionen vorherrschende Bilingualität verschwand. Zudem nutzten die Unternehmer die sprachliche und religiöse Spaltung der Arbeiterschaft aus und verstärkten sie. Auch gab es Regionen, in denen schon seit der Tudorzeit stets englisch gesprochen wurde.
John Ceiriog Hughes (1832–1887) sammelte walisische Volkslieder und Gedichte und versuchte, die durch die artifizielle Metrik verloren gegangene Natürlichkeit und Emotionalität des walisischen Liedes wieder herzustellen. Viele der von ihm verfassten Gedichte wurden vertont.
20. Jahrhundert
Die zweite Erneuerungsbewegung
Um 1900 kam es zu einer zweiten Erneuerungsbewegung, durch die alle literarischen Gattungen einen Aufschwung erlebten. Im Laufe der Zeit verloren die alten, durch die Silbenzahl bestimmten Metren an Bedeutung zugunsten von freien, akzentbetonten Reimen. Während Robert Williams Parry (1884–1956) und Waldo Williams (1904–1971) die alte Metrik mit großem Publikumserfolg weiter benutzten, versuchte Thomas Gwynn Jones (1871–1949) sie mit der modernen Sprache zu versöhnen. Seine Übersetzung von Goethes Faust von 1922 gilt als Meisterwerk. Der Dichter Hedd Wyn (eigentlich Ellis Humphrey Evans, 1887–1917) schrieb seine ersten Gedichte beim Hüten der Schafe. Als christlicher Pazifist musste er in den Krieg ziehen, fiel in Flandern und wurde posthum beim National Eisteddfod 1917 mit dem Bardenstuhl geehrt.
Nach dem Ersten Weltkrieg verband sich die literarische Erneuerungsbewegung unter dem Eindruck des irischen Unabhängigkeitskampfes, aber auch in Reaktion auf die zurückgehende Zahl der Sprecher des Walisischen eng mit der konservativen Nationalbewegung, teils auch mit christlichen Sozialreformbewegungen. So war die Dichtung der Zwischenkriegszeit stark politisiert. Einer der Protagonisten der Nationalbewegung, der aus England zugezogene Dichter, Dramatiker, Historiker und Kritiker Saunders Lewis (1893–1985), gründete die walisische Nationalpartei Plaid Cymru. Diese militante Bewegung war – obgleich sie zeitweise kriminalisiert wurde – als extrem konservative soziale und kulturelle Interessenvertretung erfolgreicher denn als politische Partei. Saunders bekämpfte die Ausstrahlung der englischsprachigen Sendungen der BBC in Wales und konvertierte zum Katholizismus. Er war einer der ersten walisischen Dramatiker (dieses Genre hatte bis dahin kaum eine Rolle gespielt) und veröffentlichte etwa zwei Dutzend Dramen. 1970 wurde er für den Literatur-Nobelpreis nominiert. Der Literaturwissenschaftler und Dichter William John Gruffydd (1881–1954) gab von 1922 bis 1951 das Magazin Y llenor („Der Vorhang“) und kämpfte mit seinen Versen gegen die moralische Despotie des Calvinismus,[4] wandte sich jedoch später von Plaid Cymru und Saunders Lewis ab und den Liberalen zu.
Kate Roberts (1891–1985) verfasste neben Romanen aus dem Berg- und Stahlarbeitermilieu auch kleinere Erzählungen. Ihr wohl erfolgreichster Roman war Traed mewn cyffion („Füße in Ketten“, 1936) über die Arbeit in den Schieferbergwerken in Nordwales. Mit ihrem Mann Morris T. Williams gab sie die sozialistisch-republikanische Zeitschrift Y Faner („Das Banner“) heraus. Zu den erfolgreichen Romanautoren in walisischer Sprache während der 1960er bis 1980er Jahre zählen John Rowlands (1938–2015) und Marion Eames (1921–2007), die auch Drehbücher für Fernsehserien verfasste. John Ellis Williams (1924–2008) schrieb in walisischer und englischer Sprache und zeichnete eine realistisches Bild der von Abwanderung bedrohten Landgemeinden. In mehreren Genres zuhause ist die von der Postmoderne beeinflusste Angharad Tomos (* 1958).
Anglo-walisische Autoren
Bekannte anglo-walisische Autoren sind Caradoc Evans (1878–1945), dessen Hauptwerk My People von walisischer Syntax und lokalem Wortschatz geprägt ist und die Engstirnigkeit der Nonconformists auf satirische, ja brutale Weise parodiert, David Jones mit seinem von keltischer Mystik wie vom Katholizismus beeinflussten Hauptwerk The Anathémata (1952) und Dylan Thomas, dessen Hörspiel Under Milkwood 1953 zu einem Welterfolg wurde. Im gleichen Jahr begleitete die Journalistin und Reiseschriftstellerin Jan Morris (1926–2020, bis 1972 James Morris) die britische Mount-Everest-Expedition und wurde durch ihren Bericht darüber bekannt. Ihre Trilogie Pax Britannica behandelt die Geschichte des britischen Empire. Emyr Humphreys (1919–2020) wurde vor allem durch seine siebenbändige Romanserie The Land of the Living (1974–2001) über die Geschichte und Kultur Wales’ bekannt. Duncan Bush (1946–2017) war Lyriker, Romanautor, Erzähler, Dramatiker, Essayist und Übersetzer, der viele seiner Werke für Rundfunk, Fernsehen und Film adaptierte. Sein psychologischer Thriller The Genre of Silence (1987) spielt während des russischen Bürgerkriegs.
Als Naturlyriker verwendete Ronald Stuart Thomas die englische, als Prosaautor die walisische Sprache. Viele seiner Gedichte erschienen in deutscher Übersetzung. Nigel Jenkins (1949–2014) war ein produktiver Lyriker, Prosa- und Theaterautor und Herausgeber, der auch für das Radio arbeitete. Viele Autoren, die die Lyrik in walisischer Sprache lieben, aber diese nicht vollständig beherrschen, versuchen den Klang und Rhythmus in englischer Sprache nachzubilden. Auf die Publikation englischsprachiger Literatur walisischer Autoren hat sich der 1981 gegründete Verlag Seren Books spezialisiert, der ursprünglich vor allem Lyrikbände veröffentlichte.
Auch englische Autoren zogen nach Wales oder fühlten sich dort beheimatet und gelten gelegentlich als walisische Schriftsteller. Der Lyriker und Romanautor John Cowper Powys (1872–1963) stammte zwar aus England und zog erst mit über 60 Jahren nach Wales, doch zeigte er seine Verbundenheit mit der keltischen Naturmystik und der walisischen Geschichte, über die er zwei historische Romane verfasste (Owen Glendower, 1941, und Porius, 1951). Richard Llewelyn, der als Kind Waliser Eltern bei London geboren wurde, gab stets an, aus St. David's zu stammen, was sich erst nach seinem Tod als Fiktion erwies. Sein Roman How green was my village (1939) über ein südwalisisches Bergarbeiterdorf der Viktorianischen Epoche, das durch hohe Sterblichkeit, Grubenunglücke und Fortzug der Bewohner dezimiert wird, wurde ein internationaler Erfolg, nicht zuletzt durch den US-National Book Award 1940. Er wurde 1941 verfilmt. Es folgten drei Fortsetzungsbände über das weitere Schicksal des Protagonisten Huw Morgan, der nach Patagonien auswandert (Up, into the Singing Mountain, 1960), wo es heute noch eine größere walisisch sprechende Kolonie gibt, und schließlich nach Wales zurückkehrt. Der in Ceylon geborenen Alexander Cordell (1914–1997) schildert seiner englischsprachigen Familiensaga Mortymer Sage (Rape of the Fair Country 1959, Hosts of Rebecca 1960, Song of the Earth 1969) das Leben mehrerer Generationen von der frühen Industrialisierung 1826 über die Chartistenbewegung bis zur Gründung moderner Gewerkschaften. Auch in einer zweiten Trilogie behandelt er die industriellen Konflikte vom Merthyr Rising, dem Aufstand in den Kohleminen und Eisenwerken 1831, bis in die Gegenwart und versucht in einem Anhang die Unschuld eines zum Tode verurteilten Rebellen nachzuweisen.
21. Jahrhundert
Seit der Jahrhundertwende sind walisische Autoren immer häufiger multimedial präsent. Owen Sheers (* 1974) ist Dichter, Dramatiker und arbeitet für das Fernsehen. The Green Hollow (2018) ist die poetische Geschichte des Bergbaudorfs Aberfan, wo es 1966 zu einem Haldenrutsch mit zahlreichen Opfern kam, und diente zugleich als Vorlage für eine BBC-Produktion. Der in London geborene Lyriker Ifor ap Glyn (* 1961) schreibt hingegen in walisischer Sprache und arbeitet hauptsächlich für das Radio. Niall Griffiths (* 1966) verfasst Romane in englischer Sprache (Stump, 2003).
Literaturpreise
Seit 1992 wird jährlich der Preis Wales Book of the Year in beiden Sprachen verliehen.
Sprachpolitik
Die Gründung der University of Wales in Cardiff, die im Jahr 1893 aus mehreren Colleges hervorging und seit 1921 am Geiriadur Prifysgol Cymru (University of Wales Dictionary) arbeitete, dessen erster Band allerdings erst 1967 erschien, trug zur weiteren Standardisierung der walisischen Sprache bei. Diese hat eine wirksame Lobby in der 1962 gegründeten Welsh Language Society (Cymdeithas yr Iaith Gymraeg), in der auch einflussreiche Politiker vertreten sind. Seit 2011 ist Welsh Amtssprache in Wales. Die walisische Literaturagentur und der Schriftstellerverband schufen 2005 das Amt des Nationaldichters von Wales (Bardd Cenedlaethol Cymru). Seit 2016 trägt Ifor ap Glyn diesen Titel. Seine Vorgängerin, die Dichterin und Übersetzerin Gillian Clarke (* 1937), die erst spät Walisisch erlernte, veranstaltet Schreibkurse in walisischer Sprache und setzt sich für die Verbreitung des Walisischen an Sekundarschulen ein. Die weitgehend erfolgreiche Sprachpolitik bewirkte, dass die Zahl der muttersprachlichen Sprecher heute etwa 750.000 (1981: 500.000) beträgt.
Literatur
- Julius Pokorny, fortgeführt von Hildegard L. C. Tristram: Die keltischen Literaturen. In: Kindlers neues Literatur-Lexikon, Band 20, München 1986, S. 203 ff., insbes. S. 217–222.
- Walisische Literatur, in: Der Literatur-Brockhaus, Band 3, Mannheim 1988, S. 637 f.
Weblinks
Einzelnachweise
- Jenny Rowland: Early Welsh Saga Poetry: A Study and Edition of the 'Englynion’. Brewer: Cambridge 1990.
- Diese taucht bereits in der im 9. Jahrhundert entstandenen, Nennius zugeschriebenen Historia Brittonum auf, doch war Artur dort nur ein Heerführer in zwölf Kriegen gegen die Sachsen. Nennius: Historia Brittonum: Arthurian Classics. 2019. ISBN 978-1-0783-3038-1
- Zu den allgemeinen Stilmerkmalen keltischer Dichtung vgl. Pokorny, Tristram 1996, S. 206–208.
- William John Gruffydd in britannica.com