Villa Köhler
Die Villa Köhler in Hannover[1] ist eine denkmalgeschützte[2] Villa im Stil der Neorenaissance. Sie war unter anderem der erste Wohnsitz des Generalfeldmarschalls und späteren Reichspräsidenten Paul von Hindenburg in Hannover[1] und wurde zeitweilig,[3] ebenso wie sein späterer hannoverscher Wohnsitz, Villa Hindenburg genannt.[4] Heute wird das Gebäude unter der Adresse Am Holzgraben 1 und Wedekindstraße 14 und 15 im Stadtteil Oststadt von dem Bau- und Wohnungsunternehmen Gundlach genutzt.
Geschichte
Die Entstehung der Straßen Am Holzgraben und Wedekindstraße
Ein alter Weg vom Neuen Haus zum Lister Turm entlang des historischen Holzgrabens, der hier den ehemaligen Rand der Eilenriede bildete, wurde schon 1845 offiziell Am Holzgraben benannt.[5] Über eine zuvor noch von Gartenkosaken bewirtschaftete Feldlandschaft[1] legte die Ende des 19. Jahrhunderts sich rasch ausbreitende Stadt Hannover[6] 1894 nun die Wedekindstraße an. Die Benennung erfolgte „angeblich nach der hannoverschen Bürgerfamilie Wedekind,“ zu der etwa ein Pastor Wedekind (1784–1840) der Neustädter Kirche gehörte. Laut den Hannoverschen Geschichtsblättern von 1914 ist jedoch die Namensgebung nach dem Gartenmann Johann Heinrich Wedekind (* um 21. Februar 1792 in Straußfurth; † 11. Oktober 1867 in Hannover) wahrscheinlicher. Zur Begründung wurde angeführt, dass die Straße „über das frühere Grundstück Am Holzgraben 2“ lief, „das von einem Gartenmann Wedekind in den [ ...1850er Jahren ...] gepachtet war“. Das Haus auf diesem Grundstück habe auch nach dem Tode dieses Mannes „im Volksmund noch Wedekinds Haus“ geheißen.[7] Auf Nachfragen bei Stadtführungen schloss der Historiker Detlef H.O. Kopmann nach eigenen Forschung in den Adressbüchern Hannovers eine Namensgebung nach dem hannoverschen Satiriker Frank Wedekind definitiv aus.[1]
Die Villa Köhler
Etwa zeitgleich mit der Anlage der Wedekindstraße durch die Stadt Hannover[7] errichtete sich der Architekt und Professor für Baukunst an der späteren Technischen Universität Hannover, Heinrich Köhler, seinerzeit berühmt geworden durch seine Villenreihe am Schiffgraben (ehemalige Hausnummern 13 – 27, heute: 55 – 61), um 1893 seinen eigenen großbürgerlichen Wohnsitz an der Ecke Am Holzgraben. Dort wohnte er knapp zehn Jahre bis zu seinem Tod. Die Erben vermieteten das Gebäude in der Folgezeit.[1] Am 27. Juli 1898 hatte der in der Gneisenaustraße 2 wohnende Kaufmann Gustav Beicke das Gebäude erworben und im Anschluss beispielsweise die Bel Etage an den Landesdirektor Karl Hugo Müller vermietet.[8]
1911 mietete der Generalfeldmarschall Paul von Beneckendorff und von Hindenburg das Hochparterre der Villa. In diesen späten Jahren des Deutschen Kaiserreichs gehörte es beinahe zur Pflichtübung[1] für das beispielsweise am nahegelegenen Welfenplatz stationierte Militär[9] wie das Hannoversche Feld-Artillerieregiment No. 10 „Scharnhorst“ und das Erste Hannoversche Infanterieregiment No. 74 „Prinz Albrecht“, beim Ausrücken zu Übungszwecken an Hindenburgs Wohnung vorbei mit Pauken und Trompeten „in klingendem Zuge“ zu defilieren.[1]
Auch nachdem Hindenburg beim Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 zu Kriegszwecken wieder „zur Fahne gerufen“ wurde,[1] nahm der Generalfeldmarschall zu seinem Geburtstag die Huldigungen der nicht ins Feld gezogenen hannoverschen Bevölkerung ab. So titelte die Rückseite einer Ansichtskarte der Freiwilligen Kriegshilfe Hannover 1915 etwa:
„... 4000 Schulkinder aus Hannover und Linden, fleißige Sammler von Küchenabfällen, bringen dem Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg ihre Glückwünsche zum 68. Geburtstage dar und schmücken das Haus mit selbstgebundenen Kränzen aus Feldblumen.[10]“
Über den gemieteten Räumlichkeiten Hindenburgs wohnten damals ein Präsident des Konsistoriums[11] sowie ein Direktor des Landgerichts. Weiterer Nachbar Hindenburgs war seinerzeit im Nebenhaus etwa der „Bankier Samuel Oppenheimer, der in der Prinzenstraße eines der damals bedeutendsten Bankgeschäfte Hannovers besaß.“ Gegenüber dieser Oppenheimer Villa wohnten etwa Oberst Graf von Lambsdorff und ein Generaloberst von Bülow. In den Gebäuden des reich gewordenen Architekten Friedrich Heine, dessen Eltern hier zuvor noch einfache Gartenkosaken mit Grundbesitz gewesen waren, residierte im Parterre nun die ehemalige hannöversche Hofdame Prinzessin Friederike Wilhelmine zur Lippe. In der Etage über ihr hatte sich ein Major Freiherr von Wangenheim eingemietet.[1]
Seit den 1980er Jahren nutzen die Villa Köhler der Bildungsverein[1] für seine Erwachsenenbildung[12] sowie die Gundlach-Gruppe.[1]
Literatur
- Detlef H.O. Kopmann: Die Wedekindstraße – Vom Villenviertel zur Durchgangsstraße. In: Oststadt Journal. Ausgabe Februar 2007; online, mit weiteren, jedoch gering aufgelösten Ansichten auf der Seite hannover-oststadt.de, hrsg. von Eckhard von Knorre, Achim Sohns, Uwe Brennenstuhl (Stadtteil-Informationssystem Hannover-Oststadt), zuletzt abgerufen am 25. Februar 2013
Weblinks
Einzelnachweise und Anmerkungen
- Detlef H.O. Kopmann: Die Wedekindstraße ... (siehe Literatur)
- Gerd Weiß: Östliche Seitenstraßen der Bödekerstraße. In: Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Baudenkmale in Niedersachsen, Stadt Hannover, Teil 1, [Bd.] 10.1, hrsg. von Hans-Herbert Möller, ISBN 3-528-06203-7, S. 165, sowie Anlage Oststadt. In: Verzeichnis der Baudenkmale gem. § 4 (NDSchG) (ausgenommen Baudenkmale der archäologischen Denkmalpflege), Stand 1. Juli 1985. Stadt Hannover, Niedersächsisches Landesverwaltungsamt - Institut für Denkmalpflege, S. 11f.
- Vergleiche etwa die Ansichtskarte Nummer 1689 von F. Astholz jun.
- Vergleiche etwa diese Bild- und Text-Dokumentation bei Commons
- Helmut Zimmermann: Am Holzgraben. In: Die Strassennamen der Landeshauptstadt Hannover, Verlag Hahnsche Buchhandlung, Hannover 1992, ISBN 3-7752-6120-6, S. 17.
- Klaus Mlynek: Eingemeindungen. In: Klaus Mlynek, Waldemar R. Röhrbein (Hrsg.) u. a.: Stadtlexikon Hannover. Von den Anfängen bis in die Gegenwart. Schlütersche, Hannover 2009, ISBN 978-3-89993-662-9, S. 153.
- Helmut Zimmermann: Wedekindstraße. In: Die Strassennamen ... S. 259.
- Vergleiche Seite 311 des Digitalisates des Adressbuches durch die Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek – Niedersächsische Landesbibliothek
- Eva Benz-Rababah: Welfenplatz. In: Stadtlexikon Hannover. S. 667.
- Siehe diese Vor- bzw. Rückseite einer Ansichtskarte von 1915 aus der Wedekindstraße, Poststempel jedoch von 1916.
- Anmerkung: Nach Detlef H.O. Kopmann war dies der oberste Leiter der obersten Verwaltungsbehörde der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, heute etwa vergleichbar mit dem Leiter des Landeskirchenamtes
- Peter Engelke, Udo Husmann, Wolfgang Niess, Ulrich Schröder (Geschäftsführer): Herzlich willkommen beim Bildungsverein Hannover! auf der Seite bildungsverein.de